Plan B für die Energiewende

Auf dem Weg zur Klimaneutralität hat sich die deutsche Energiepolitik verfahren. Umsteuern wird nötig, denn der bisherige Weg wird zu teuer, gefährdet den Erfolg der Energiewende und die regionale Industrie.
Die Energiewende ist auf dem Weg in eine Sackgasse. Das ist das Ergebnis der DIHK-Studie Neue Wege für die Energiewende - Plan B. Zwar konnte Deutschland die jährlichen CO2-Emissionen seit 1990 bereits um die Hälfte reduzieren. Die Sackgasse droht vielmehr bei den Kosten der Energie- und Klimapolitik in Deutschland wie auch in der EU. Die negativen Auswirkungen der Kostensteigerungen auf den Standort Deutschland und die Risiken besonders für die Industrie werden immer deutlicher.
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© Heider Design/IHK
Welche Auswirkungen hohe Energiekosten haben, zeigt sich immer häufiger in der energieintensiven Industrie. Landauf und landab verliert sie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Es häufen sich Berichte über Arbeitsplatzabbau, Betriebsschließungen und Verlagerungen ins Ausland. Die Unternehmen ziehen also mittlerweile ihre Konsequenzen und damit einher geht ein Weniger an Wertschöpfung und Wohlstand.
Auch wenn die Energiekosten längst nicht das alleinige Problem vieler Unternehmen sind, so spielen sie doch eine wichtige Rolle. Hinzu kommen Unsicherheiten, weil nicht klar ist, in welche Technologien die Unternehmen angesichts einer detailverliebten Klimapolitik investieren sollen. Nur wenige Unternehmen werden so deutlich wie der Chairman Jim Radcliff des Chemieunternehmens INEOS, der wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit im Energiesektor die Schließung des Standortes in Gladbeck bekanntgab und vor einer Deindustrialisierung in Europa warnt.
Die grundsätzliche Frage bleibt: Wie können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit in dieser Situation erhalten? Bereits Ende 2023 hatten die IHKs in NRW einen Plan B von der Politik eingefordert. Im letzten Jahr hat die DIHK dann die Studie „Neue Wege für die Energiewende (Plan B)“ in Auftrag gegeben. Die Studie war vor dem Hintergrund einer ausufernden staatlichen Microsteuerung der Energiewende und erwarteten massiven Kostensteigerungen an Frontier Economics und Global Energy Solutions in Auftrag gegeben worden und besteht aus zwei Teilen. Zum einen ist sie eine Meta-Analyse mehrerer Studien und zeigt auf, dass der bisher eingeschlagene Weg zu starken Mehrbelastungen führt und auch den Erfolg der Energiewende gefährdet. Zum anderen skizziert sie einen Plan B für die Energiewende, die die Industrie wettbewerbsfähig erhält und so für die Wertschöpfung sorgt, die die Energiewende erst finanziert.

Kosten: Über 500 Millionen Euro täglich

Die Ergebnisse der Studie sind ernüchternd. So werden bei einem „weiter so“ in den nächsten 25 Jahren Energiesystemkosten in einer Größenordnung zwischen 4,8 und 5,4 Billionen Euro erwartet, die finanziert werden müssten. Weil sich kaum jemand diese Größenordnung vorstellen kann, hier eine kleine Umrechnungshilfe: Das entspricht Kosten von 16 bis 18 Milliarden Euro pro Monat oder etwa 526 bis 592 Millionen Euro pro Tag – über einen Zeitraum eines Vierteljahrhunderts. Diese Kosten sind nicht einmal aus einer Position wirtschaftlicher Stärke finanzierbar .
Dr. Eckhard Göske, der Autor dieses Artikels, ist Leiter der Abteilung Industrie bei der IHK Nord Westfalen.
Zudem verliert Deutschland diese Stärke, eben auch aufgrund der Energie- und Klimapolitik. Deindustrialisierung wäre die Folge. Je weniger Wachstum wir haben, desto weniger sind wir finanziell in der Lage, die Energiewende voranzutreiben. Dies verdeutlicht das Dilemma, in dem sich Deutschland mit seiner Energiewende befindet.

Neues Rollenverständnis des Staates

Deshalb schlägt die Studie einen Plan B vor, der zuallererst auf Marktkräfte statt staatlicher Detailsteuerung der Energiewende setzt. Anstelle des bisherigen Micromanagement durch die Regierung also ein anderes Rollenverständnis zwischen Markt und Staat.

Drei Hebel und neues Denken

Die zentrale Voraussetzung für den Plan B ist eine generelle Veränderung im Mindset, weil die Energie- und Klimapolitik von Grund auf geändert werden muss. Das Instrument zum Erreichen der Klimaziele ist ein Emissionshandelssystem, das alle Treibhausgasemissionen erfasst. Die drei wichtigsten Hebel zur Kostenreduktion, die das Emissionshandelssystem überhaupt erst wirksam werden lassen, sind
  1. die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Field) für alle emissionsarmen Technologien,
  2. eine Neuausrichtung der Klimapolitik an einem sektorübergreifenden Emissionsbudgetansatz mit Aufhebung der jahresscharfen Klimaziele,
  3. weitere Einsparpotenziale durch effektivere nationale Ziele mit einem international koordinierten Klimaschutzziel realisieren
Zu 1) Der zentrale Ansatz zur Kostensenkung ist zunächst die Aufhebung politischer Vorgaben für die Wahl der zu nutzenden Technologien. Stattdessen muss durch Markt und Wettbewerb ein Lösungsraum geschaffen werden, in dem mittels einer technologieneutralen und wettbewerbsorientierten Regulierung emissionsarme Technologieoptionen die kostengünstigsten Wege aufzeigen. Dementsprechend sind feste Ausbauziele für den Ausbau Erneuerbarer Energien obsolet. Stromerzeugungskapazitäten können durch den freien Markt über alle Technologieoptionen hinweg aufgebaut werden.
Zu 2) Aus den bisherigen Zielszenarien wird ein Emissionsbudget ermittelt und festgelegt. Im Unterschied zum Status quo ist dieses Budget aber frei nutzbar und nicht an Zwischenziele gebunden, wie sie etwa im Landesklimaschutzgesetz NRW formuliert sind. Außerdem können Emittenten ihre Emissionen für die Nutzung in späteren Jahren zurücklegen oder im Bedarfsfall auch vorziehen.
Zu 3) Schließlich bedarf es noch einer effektiven internationalen Koordinierung der Klimaziele, die mit einer Gruppe von Staaten wie etwa den G20 abgestimmt werden könnte. Dabei könnte Deutschland zwar auch weiterhin höhere Ziele anstreben (G20 + X Prozent), darf dabei aber nicht die anderen Staaten aus den Augen verlieren, weil Alleingänge zu große Nachteile bringen.
Auch Effizienz wird wichtiger. Dabei wird deutlich, was sich verändern muss. Ein effizienter Netzausbau etwa würde sich auf die regionale Stromerzeugungskapazitäten auswirken müssen. Vor allem weil die Erzeugungsanlagen so dicht wie möglich an die Verbraucher und Verbrauchszentren heranrücken müssen, um die Leitungen so kurz wie möglich und den Netzausbau so kostengünstig wie möglich zu halten. Das gehört zu einer Optimierung der Systemkosten ebenso wie die Anpassung der Erzeugung an den Verbrauch.
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Schließlich führt der unbegrenzte Ausbau von Windenergie- und PV-Anlagen zu temporärem Überschussstrom, für den es bereits heute regelmäßig keine Nutzung gibt. Die Abregelung von Erzeugungsanlagen ist heute üblich, obwohl der günstige Überschussstrom zum Beispiel vielen Industrieunternehmen helfen könnte, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Nur fehlen die Voraussetzungen dafür.
Eine Umgestaltung der Energie- und Klimapolitik in der beschriebenen Form könnte ein Hoffnungsschimmer für den Wirtschaftsstandort und die Industrie sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben und eine Deindustrialisierung und De-Growth zu verhindern. Der bisherige Weg hat keine Aussicht auf Erfolg. Steuern wir also um.
Die genannte DBU-geförderte Studie Smart Power to Heat – Studie zur netzdienlichen Nutzung der Erzeugung von Prozesswärme durch hybride Wärmezufuhr (PDF) entstand in Kooperation von ZINQ Technologie GmbH, Fraunhofer Umsicht e.V. und ESFORIN SE (Januar 2025).
Dr. Eckhard Göske
Raum: 1.209