Baustelle City

Was Menschen in die Mitte zieht

Die Funktion der City als reines „Einkaufszentrum“ scheint vorbei. Doch die Innenstadt bleibt wichtig. Wie ihre Anziehungskraft erhalten bleibt, zeigen eine aktuelle Studie und Best-Practice-Beispiele aus Kommunen in der Region.   Von Dominik Dopheide
Größere Leerstände vor allem abseits der Oberzentren vermitteln oft ein Szenario der Innenstadt als „Lost Place“: Ist diese Entwicklung unabwendbar, weil die digitalen Warenkörbe immer voller werden und die Corona-Pandemie den Boom des reinen Onlinehandels noch verstärkt hat? Oder hat die City gute Chancen auf ein Comeback, wenn sie es schafft, neue Anziehungskraft zu entwickeln? Die Deutschlandstudie „Innenstadt 2022“ der CIMA Beratung und Management GmbH, die auch vom DIHK unterstützt wurde, zeigt: Ja, die Innenstädte bleiben auch weiterhin wichtig, müssen sich aber an die heutigen Bedürfnisse der Menschen anpassen.

Wann ist eine City „in“?

Ein eher überraschendes Ergebnis der repräsentativen Befragung: Insbesondere junge Menschen wollen die City bewusst unterstützen und kommen am häufigsten wieder zurück – auch, aber nicht nur, um zu shoppen. Für die unter 30-Jährigen gehört mehr zu einem gelungenen Stadtbummel. Nur noch für 40 Prozent der Befragten aus dieser Gruppe spielt Shopping eine zentrale Rolle. Das ist im Vergleich zum Ergebnis von 2015 ein Minus von 35 Prozent, und auch bei den älteren Jahrgängen schwindet das Besuchsmotiv „Einkauf“. Doch die gute Nachricht ist: Die Besucherinnen und Besucher identifizieren sich weiter mit „ihrer“ Innenstadt.  Welche Erwartungen also muss diese erfüllen, um „in“ zu sein? Bei der CIMA-Studie kam heraus:
  • Einkaufsmöglichkeiten sind nach wie vor wichtig, aber mit stärkerem regionalem Bezug.
  • Mehr Grün für das Stadtklima und gegen die Folgen des Klimawandels ist gefragt.
  • Die Aufenthaltsqualität soll wachsen, Parkplatzfläche dafür geopfert werden.
  • Bürgerinnen und Bürger wollen stärker an der Umgestaltung ihrer Innenstadt teilhaben.
  • Die City soll sich noch mehr dem Thema Wohnen öffnen.
  • Nicht nur der Handel, sondern viele Branchen sollen die Stadtmitte als Arbeitsort nutzen.
  • Angebote und Gestaltung sollen mehr auf junge Menschen zugeschnitten werden.
  • Gewünscht sind auch mehr Freizeitgestaltung und Erlebnis in der City.

Ort der Identifikation

„Der Handel allein kann die Innenstadt nicht wiederbeleben, er braucht neue Partner, die die Menschen mit ihren Angeboten in die Citys locken“, zieht Jens von Lengerke – bei der IHK
Heidens Bürgermeister mit Modell
Heidens Bürgermeister Dr. Patrick Voßkamp plant eine lebendige Mitte. © Betz/IHK
Nord Westfalen Abteilungsleiter Handel, Dienstleistungen, Tourismus – das Fazit aus der Studie. Er zählt Branchen auf, die eine Stadt beleben können: Gastronomie, Dienstleistungen, gerne auch im Bereich Gesundheit und Pflege, Sportangebote, dazu Einrichtungen für Bildung, Kunst und Kultur sowie der kommunalen Verwaltung. Die Ideen aller Beteiligten sind hier ausdrücklich gewünscht. Durch eine attraktive Durchmischung des Angebots in den Innenstädten machten sich die Kommunen auch für wichtige Fachkräfte und ihre Familien stark. Multifunktionalität, erklärt von Lengerke, führe außerdem nicht nur zu höheren Frequenzen, sondern verleihe einer Innenstadt eine größere Stabilität in Krisenzeiten. „Bei der Gestaltung gemischter Quartiere gibt der planungsrechtliche Rahmen den Kommunen einen Handlungsspielrau“, betont der IHK-Handelsexperte.

Zum Mitmachen aufgefordert

Unter dem Dach der Kampagne „Das Gute findet Innenstadt“ unterstützt die IHK mit vielfältigen Angeboten sowohl die Kommunen als auch die Wirtschaft, damit das Zentrum als gesellschaftlicher Mittelpunkt erhalten bleibt. Mit ihrer Veranstaltungsreihe „IHK vor Ort“ gibt sie fachliche Impulse und fördert Netzwerkarbeit. Sie berät Kommunen bei der Entwicklung des Einzelhandelskonzeptes und gibt ihnen per Leitfaden Tipps für die Lösungswege. Sie organisiert, in Kooperation mit dem Handelsverband NRW, die Aktionstage „Heimatshoppen“. Sie misst Passantenfrequenzen. Sie ist also buchstäblich mitten im Geschehen. Auch zum Thema „Handel und Digitalisierung“ hat die IHK Handlungshilfen erstellt, und mit dem City-Monitor analysiert sie für die Kommunen, wie sichtbar die ansässige Wirtschaft im Internet ist. Das Erlebnis Innenstadt, die so genannte „Customer Journey“, starte in der digitalen Welt, und genau dort sollten die Kundinnen und Kunden abgeholt werden, betont von Lengerke.    
Jens von Lengerke
© IHK/Canva
Auch die kleineren Kommunen und ihre Ortskerne hätten Erwartungen zu erfüllen und eine Aufgabe zu meistern: den Erhalt der Grundversorgung, die essenziell ist für eine Gemeinde, die im Fokus der Fachkräfte bleiben will. „Diese Herausforderungen sind nicht nebenbei zu lösen, die Entwicklung von Stadt- und Ortszentren sind lange und oft schwere Prozesse“, weiß von Lengerke. Die IHK ist dabei und macht Stellungnahmen zu Bauleitplanungen, Bauanträgen und Konzepten im Sinne der gesamten Wirtschaft. Dass es sich lohnt, die Herausforderungen anzugehen, ist in Nord-Westfalen sichtbar. Hier liegen einige Zentren der guten Ideen: In den Städten Recklinghausen und Ahaus, im Gelsenkirchener Stadtteil Buer sowie in den Gemeinden Ascheberg und Heiden beispielsweise gelingt es den Akteuren, die Mitte aufleben zu lassen. In zwei der Erfolgstorys spielen alte Kaufhäuser eine Rolle, die neuen Funktionen zugeführt wurden. Mehr dazu auf den folgenden Seiten.

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