Frauenwirtschaftstage Karlsruhe

Tipps für Unternehmen in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für Arbeitnehmende, die sich zwischen den verschiedenen beruflichen und privaten Pflichten aufreiben und eine Belohnung für innerbetriebliche Familienfreundlichkeit boten die drei regionalen Veranstaltungen zu den landesweiten Frauenwirtschaftstagen unter Beteiligung der IHK Karlsruhe.

„Vereinbarkeit ist für alle wichtig“

Mut, Selbstvertrauen und Optimismus sind die nützlichsten Waffen einer Frau in einer männerdominierten Arbeitswelt. In einer Welt, in der Frauen in Führungspositionen mit Argusaugen beobachtet, klein gehalten oder als arrogant abgestempelt werden. So zumindest sieht es Karin Bacher, Gründerin und Geschäftsführerin der Karin Bacher Consultants. Auf den Frauenwirtschaftstagen im Karlsruher IHK Haus der Wirtschaft gab Karin Bacher den Gästen Einblicke in ihren eigenen Lebensweg, der sie nach verschiedenen Managementpositionen mit 48 Jahren in eine ganz neue Richtung geführt hat. Trotz ihres Erfolges wurde sie immer wieder ausgebremst in ihren Gestaltungsmöglichkeiten. „Schließlich habe ich mich ohne eine einzige Kundin oder einen einzigen Kunden selbstständig gemacht. Das hat ganz schön viel Mut und Selbstvertrauen gebraucht. Und natürlich auch die Unterstützung von Familie und Freunden.“ Inzwischen leitet die Coachin ein Team von 25 Mitarbeitenden, ist Mitglied des Wirtschaftsrats Deutschland, macht guten Umsatz und vor allem: Sie kann jetzt selbst gestalten.  

Vom Glück, arbeiten zu dürfen

Die Lebenswege weiterer erfolgreicher Frauen in ganz verschiedenen Lebenssituationen hatten eines mit Karin Bachers Weg gemein: Sie wurden mit Selbstverstrauen beschritten. Beeindruckend ehrlich erzählte beispielsweise Sari Rana, eine alleinerziehende Mutter, die 2015 aus Syrien nach Deutschland gekommen ist, von ihrem Wiedereinstieg. Der Sohn der ehemaligen Lehrerin musste in Damaskus mit ansehen, wie sein Vater von einer Bombe getroffen wurde. Seither spricht er nicht mehr. Für die Syrerin war es keine Option, in der Heimat zu bleiben. „Mein Man ist tot, aber ich lebe und ich will arbeiten. Das wäre mir zu Hause nicht möglich gewesen.“ Sie kämpfte sich durch, fand einen Kindergarten für ihren Sohn, lernte Deutsch, machte den Führerschein und fand mit Unterstützung des Jobcenters Karlsruhe-Land einen Job als Dolmetscherin. Sie ist nach eigenen Worten „glücklich in Deutschland“.
Glücklich ist auch die Teilzeitauszubildende Frau Janson von Peters Gute Backstube, die ebenfalls unbedingt arbeiten wollte, trotz oder gerade wegen ihrer zwei Kinder im Alter von drei und vier Jahren. Mit 25 Wochenstunden kann sie beides verbinden. Personalleiter Christian Herrmann ist begeistert von der jungen Mutter. Franziska Horntrich (wie bereits im WIMA berichtet) hat mitten im Studium den Gang in die Selbstständigkeit gewagt und das Yollie – The Popice Café in der  oberen Waldstraße gegründet. Belohnt wurde sie dafür bereits mit einem Gründerpreis.
An Thementischen zu Gründung, Teilzeitausbildung, Integration und Auf- und Umstieg in der Lebensmitte standen die Expertinnen der IHK, der Handwerkskammer, der Agentur für Arbeit sowie von Stadt- und Landkreis gemeinsam mit ihren Best Practice Beispielen für Fragen zur Verfügung.

Frauenwirtschaftstage Bruchsal

Nicht allein um Frauen, sondern um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie insgesamt, ging es bei der Bruchsaler Veranstaltung zu den Frauenwirtschaftstagen. Zum inzwischen dritten Mal hat die Stadt Bruchsal, gemeinsam mit der kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderung sowie der IHK, der Handwerkskammer und der Agentur für Arbeit das Zertifikat „Familienfreundlich in der Wirtschaftsregion Bruchsal“ verliehen. 19 Betriebe wurden in einer Feierstunde ausgezeichnet, zehn davon erstmals, neun wurden rezertifiziert. Punkten konnten die Betriebe mit Ergebniskultur, Vorlesenachmittagen, Unterstützung bei Kinderbetreuung, dem Mitbringen der Kinder an normalen Arbeitstagen, dem gezielten Einsatz von außerberuflich erworbenen Kompetenzen, Kochkursen, Krisenintervention, Willkommenspaketen oder einer What‘s App-Gruppe für Mitarbeitende in Elternzeit.

Die ausgezeichneten Betriebe:

  • Caritasverband Bruchsal,
  • Volksbank Bruchsal-Bretten,
  • Händel GGG GmbH
  • Sulzer Pumpen
  • BNN Bruchsal
  • BHM Planung
  • RA Consult
  • Schürrer & Fleischer Immobilien
  • Select GmbH
  • VMT GmbH
  • Anton Debatin GmbH
  • AZV Abwasser Kammerforst
  • Michael Koch GmbH
  • Sparkasse Kraichgau
  • Tageselternverein Bruchsal
  • Landratsamt
  • Stadtwerke Bruchsal
  • Amtsgericht Bruchsal
  • Villa Kunterbunt

Die Jury

  • Sabine Riescher, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bruchsal
  • Claudia Nehm von der IHK
  • Silke Harnapp von der HWK
  • Birgit Welge von der Wirtschaftsförderung
  • Kerstin Palmer vom Jobcenter Karlsruhe-Land
Umrahmt wurde die Veranstaltung nicht nur von einigen Musikstücken des Quartetts des Sinfonieorchesters 1837 Bruchsal, sondern auch von dem Kurzvortrag „An Lebensphasen orientierte Vereinbarkeit von Familie/Pflege und Beruf“ von cocowork – Vereinbarkeit für alle aus Karlsruhe. Die Geschäftsführerinnen Karin Dzimiera und Alexandra Höllwarth zählten drei verschiedene (männliche) Geschäftsführer auf und deren Aussichten, auch in Zukunft am Markt bestehen zu können: Frank, der auf Bioobst, Tischkicker und kostenlose Sneaker setzt, punktet in Sachen Mitarbeitergewinnung zweifellos mehr als Macho Wolfgang mit starren Hierarchien und rein deutschen Mitarbeitenden. Die besten Chancen habe aber Ralf, Vater, Chorleiter und Geschäftsführer, der seine Mitarbeitenden und deren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in den Mittelpunkt stellt. „Die Familienfreundlichkeit ist eine sehr wichtige Stellschraube bei der Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften“, erzählt Karin Dzimiera. „In weniger als zehn Jahren haben wir mehr Pflegebedürftige als Kinder unter sechs Jahren. Sieben von zehn Beschäftigten werden zu pflegende Angehörige haben. Die Situation ist dramatisch.“  Derzeit gibt es 840 000 nicht erwerbstätige Frauen in Deutschland.  Wenn die Frauen nur eine Stunde mehr arbeiten würden, entspräche das 71.000 Vollzeitäquivalenten, so die Expertinnen. Ihre Lösungsvorschläge für die Unternehmen: Verbindlichkeit, Lebensphasen statt Hierarchien, Mitarbeitende statt Umsatz im Zentrum, flexibel statt starr und Job Sharing statt Top Down.  
„Die Familienfreundlichkeit ist eine sehr wichtige Stellschraube bei der Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften.“ Karin Dzimiera, Geschäftsführerin von cocowork

Frauenwirtschaftstage Baden-Baden

Ein Online-Coaching in Sachen Vereinbarkeit bot Maren Will, zweifache Mutter, ehemalige Geschäftsführerin eines Modeunternehmens und Gründerin einer Coaching- und Gründerinnenagentur, bei den Frauenwirtschaftstagen Baden-Baden. Maren Will erinnert sich ungern an ihre Zeit im Unternehmen mit 100 Wochenstunden, ohne Pausen, ohne Me-Time und kurz vor dem Burnout. Inzwischen trennt sie ganz klar zwischen Arbeit und Privatleben. „Vereinbarkeit ist für alle wichtig, egal ob man eigene Kinder hat oder nicht“, erklärt sie den Teilnehmenden. An die Behauptung, Vereinbarkeit sei nicht möglich, glaubt sie nicht. Allerdings brauche es für eine funktionierende Vereinbarkeit verschiedene Partnerinnen und Partner. Im Übrigen sei Vereinbarkeit auch essentiell für einen nachhaltigen Unternehmensaufbau. „Nur wenn ich alles unter einen Hut bekomme, kann ich gesund ein Unternehmen führen.“  In einzelnen Sessions bat Maren Will die Teilnehmenden, sich über ihre aktuelle Situation mit den Aspekten Privatleben, Erwerbsarbeit, Carearbeit, Hausarbeit, Erholung, Selfcare und Weiterbildung Klarheit zu verschaffen. Im zweiten Schritt ging es um die Reflexion und den nicht immer direkten Weg zur eigenen Vision. Ihre Tools und Tipps: Am Ball bleiben, Fokus halten, Ablenkungen abschalten, den Modus von Konsumieren auf Produzieren umschalten. „Richtig priorisieren ist das A und O. Aufgaben, die sich in Erwerbs und Carearbeit ergeben, sollte man dokumentieren und vielleicht in einem Kanban-Board Aufgabenprofile erstellen, damit man den Mental Load erkennen kann. Die Aufgaben werden dann in der Familie verteilt.  Ganz wichtig bei einer gelungenen Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben: Nein sagen können.“
„Richtig priorisieren ist das A und O.“ Maren Will, Coach