Essen zum Mitnehmen

Mit Pfand-Boxen gegen die Verpackungsflut

Der Odenwälder Gastronom Thomas Treusch suchte nach einem geeigneten Pfandsystem für seine Speisen zum Mitnehmen, die er mit Beginn des ersten Corona-Lockdowns wie viele andere Gastronomiebetriebe auch verstärkt anbot. Weil er nicht fündig wurde, baute er ein eigenes auf. Die Anfänge sind vielversprechend. Und die Nachfrage dürfte weiter steigen – vor allem wegen des Einweg-Plastik-Verbots, das im Juli 2021 in Kraft tritt.
Autor: Stephan Köhnlein, 21. Mai 2021

Kochkäse und Odenwälder Rind treffen auf Loup de Meer und Gambas: Das Restaurant Treusch’s Schwanen in Reichelsheim vereint regionale und internationale Küche und hat sich in über drei Jahrzehnten einen Namen gemacht. Außer-Haus-Verkauf war in dieser Zeit nie ein Thema, wie Küchenchef Thomas Treusch erzählt. Doch das änderte sich mit dem ersten Corona-Lockdown.
„Die Köche waren das nicht gewöhnt, das war zunächst ein riesiges Kuddelmuddel“, erinnert er sich an die erste Zeit mit Speisen zum Mitnehmen. Die Abläufe spielten sich ein, die Berge von Verpackungsmüll blieben. Thomas Treusch fing an, sich nach einem geeigneten Pfandsystem umzusehen, wurde jedoch nicht fündig. „Da haben wir uns gesagt: Warum versuchen wir nicht, unser eigenes System aufzubauen?“
Für Pfand-Box.de vernetzte er sich. Mittlerweile haben sich 14 Gastronomie-Betriebe zusammengetan, vor allem im Odenwald, aber auch an der Bergstraße, im Main-Kinzig-Kreis, im Taunus und in Frankfurt am Main. Und das soll noch lange nicht das Ende sein. Außerdem steht man mit interessierten Kommunen und Wirtschaftsverbänden im Austausch.
Mitglieder des Pfand-Box-Systems entrichten monatlich eine Systempauschale sowie einen Leihbetrag für die Boxen, der sich nach der Größe richtet. Die Restaurant-Kunden erhalten ihre Mahlzeiten in den Pfand-Behältern, deren Größe an die Speisen angepasst sind – angefangen von 180 Millilitern Volumen für Soßen bis zu Zwei-Liter-Behältern. Sogar eine Neun-Liter-Box gibt es zeitweise. „Aber die sind nur für Gänse interessant“, sagt Thomas Treusch.

Produziert werden die Boxen größtenteils im Odenwald

Nach dem Verzehr gibt der Kunde die Boxen ab und erhält das Pfand zurück. Die Restaurants spülen die Behälter und können sie wieder einsetzen. Produziert werden die Boxen zum größten Teil im Odenwald. Dort werden sie auch wieder recycelt. Theoretisch können sie gut 200-mal genutzt werden. „Doch wenn jemand mit dem Steakmesser darin herumschneidet, ist sie unter Umständen schon nach dem zweiten Mal kaputt“, räumt Thomas Treusch ein.
Bei den Kunden kommt das System gut an – auch wenn das Pfand den Rechnungsbetrag zunächst nach oben treibt. Bei Gastronomen etabliert sich das System etwas langsamer. „Den Aufwand des Pfandberechnens scheuen manche“, sagt er. Zudem benötige man für einen effektiven Einsatz der Boxen moderne Spülsysteme, die nicht überall vorhanden seien.
„To-Go wird bleiben, wenn wir die Pandemie überwunden haben“, ist sich Thomas Treusch sicher. „Der Bedarf für Pfandsysteme wird zunehmen. Und die Kunden werden das auch einfordern.“ Für Familien mit kleinen Kindern sei es ohnehin oft entspannter, das Essen abzuholen. Zudem könne ein Betrieb mit den Boxen auch neue Einnahmequellen erschließen, etwa mit Desserts zum Mitnehmen.
Mit der noch überschaubaren Zahl von Teilnehmern ist die Pfand-Box derzeit eine Insellösung. Thomas Treusch glaubt allerdings nicht, dass es auf kurze Sicht ein einheitliches System gibt. „Wir kochen nicht alle das Gleiche. Nudel, Salat, Schnitzel – da sind die Anforderungen sehr unterschiedlich. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht.“

Das Müllaufkommen ist seit Beginn der Pandemie gestiegen

Das zeigt sich auch am Ansatz der HEAG FairCup. 2020 startete die HEAG Tochter mit dem Mehrweg-Pfandbecher FairCup. Seit diesem Jahr gibt es auch die FairBox. Darin sollen vor allem die zahlreichen Snack-to-go-Angebote transportiert werden, wie Geschäftsführer Daniel Pfeffer erläutert. Deswegen stehe man mit verschiedenen Supermärkten im Austausch. Charme der Lösung: Die Mehrwegbecher und -boxen können an den gängigen Pfandautomaten abgegeben werden, wenn der Betreiber ein entsprechendes Update vornimmt.
Die Bilder von überquellenden Mülleimern in Parks oder an Spielplätzen während des ersten Lockdowns seien vielen Menschen nachdrücklich in Erinnerung geblieben, sagt Daniel Pfeffer. Insgesamt sei das Müllaufkommen seit Beginn der Pandemie enorm gestiegen. Es gehe um einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, die Vermeidung von Abfall und damit auch um die Entlastung der regionalen Entsorger.
Einen Schub erhalten Pfandsysteme von den politischen Auflagen: Ab dem 3. Juli 2021 sind in der Europäischen Union Produkte aus Einwegplastik wie Besteck, Teller, Trinkhalme und Rührstäbchen sowie To‐go‐Getränkebecher, Fast‐Food‐Verpackungen und Wegwerf‐Essensbehälter aus Styropor nicht mehr erlaubt. „Auch über die Pandemie hinaus, werden Take-away und Snack-to-go weiter den Supermarkt- und Bistrobesuch bestimmen“, sagt Daniel Pfeffer. „Mehrwegpfandsysteme unterstützen die Gastronomie auch in wirtschaftlicher Sicht. Denn die Kosten für die Teilnahme an einem Pfandsystem sind niedriger als der Einkauf von Einwegverpackungen.“
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Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit