Unternehmertum ist Verantwortung

Der Elektrotaxi-Pionier

Der Verkehrssektor ist eines der größten Sorgenkinder, wenn es um Klimaschutz geht. Das liegt auch daran, dass für die Anschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben das nötige Kleingeld vorhanden sein muss. Thomas Krämer scheut die Kosten nicht: Er setzt seit Anfang 2019 in seiner Taxiflotte zunehmend auf Elektromobilität.
Autor: Felix Schütze, 27. Juli 2021
Ganz leise heben sich die Flügeltüren des cremefarbenen Elektrotaxis. Es fühlt sich fast an, als würde man in die Zukunft einsteigen – und die beginnt in Groß-Bieberau. Am Steuer sitzt Thomas Krämer. Er gilt als erster Taxiunternehmer im Kreis Darmstadt-Dieburg, der seine Fahrgäste auch vollelektrisch chauffiert. Seit Anfang 2019 setzt der 43-Jährige vor allem auf Elektro-Oberklassewagen der Marke Tesla. Zwei Modelle befinden sich bereits in seinem Fuhrpark: ein Tesla Model S als sportliches Coupé und der Tesla Model X SUV mit den markanten Flügeltüren.
Die beachtlichen Anschaffungskosten von jeweils mehr als 100.000 Euro schreckten Thomas Krämer nicht ab. Denn bereits bei dem zuerst erworbenen Model S überwogen in seinen Augen die Vorteile, durch die sich die hohe Investition auf lange Sicht rechnen dürfte. „Die Teslas brauchen keine Inspektionen, haben so gut wie keinen Bremsverschleiß, und die monatliche Elektroenergieladung liegt etwa 30 Prozent unter den Dieselkosten von bis zu 3.500 Euro im Monat“, berichtet der Taxiunternehmer. Zwar gibt Tesla keine Rabatte, aber dafür gibt es auf alle Modelle eine Garantie von acht Jahren. Ein weiterer Vorteil für den Groß-Bieberauer.

Eine Fahrt in der E-Oberklasse zum Geburtstag

Neben den Teslas ergänzt noch ein Kia Elektro-Soul die klimaschonende Wagenflotte von Taxi Krämer. Für Aufsehen bei den Fahrgästen sorgen aber vor allem die Teslas. „Ich hatte schon einen Kunden, der seine Gattin zum Geburtstag mit einem Dinner auf der Burg Frankenstein und einer Heimfahrt in unserer E-Oberklasse überraschte. Damit die Überraschung komplett war, fuhr der Ehemann den eigenen Wagen heim, während seine Frau die Fahrt im Tesla genießen konnte“, berichtet Thomas Krämer. Noch gehören die fast geräuschlos vorbeirauschenden Hightech-Wagen nicht zum Alltagsbild auf den Straßen. Daher sorgen die E-Taxis bei den Fahrten für jede Menge Gesprächsstoff mit den Fahrgästen. Außerdem ist dem Taxiunternehmer aufgefallen, dass Kinder viel häufiger wissen, um welches Gefährt es sich handelt, als ihre Eltern.
Coronabedingt spürte allerdings auch Taxi Krämer den Einbruch bei den Geschäfts- und Flughafenfahrten genauso wie bei den ausbleibenden Beförderungen von Nachtschwärmern. „Im Schnitt lag unser Umsatz nur noch zwischen 65 und 50 Prozent des Vorkrisenniveaus“, rechnet der Unternehmer vor. In den vergangenen eineinhalb Jahren dienten die Taxifahrten vor allem Arzt-, Krankenhaus- und Impfzentrenbesuchen. In dieser Zeit halfen nicht zuletzt die Kostenvorteile der Elektroautos dem Unternehmer, die Folgen abzufedern.
Die Reichweite der Teslas liegt je nach Jahreszeit zwischen 400 und 500 Kilometern mit einer Ladung, was Thomas Krämer in seinem Gewerbe auch für notwendig hält. Längere Strecken seien eher die Ausnahme. Was aber, wenn es doch einmal zu einer längeren Überlandfahrt kommt? „Ich habe schon einen Kunden von Darmstadt nach Hamburg mit dem E-Taxi chauffiert. Das habe ich mit nur einem halbstündigen Ladestopp an einer Supercharger-Station geschafft“, sagt Thomas Krämer. Falls der Wagen komplett leergefahren sei, dauert eine volle Ladung je nach Kilowatt-Leistung dagegen eine bis fünf Stunden.
Die Leistung der eigenen Fotovoltaikanlage auf dem Dach seiner vorherigen Taxizentrale reichte allerdings für die Teslas nicht aus. Für die neu angemietete Location in Groß-Bieberau plant er daher zwei eigene Ladesäulen. Wobei sich auch das regionale Netzwerk an Elektroladestationen zunehmend verbessert. Der Taxiunternehmer hat sich inzwischen ein beachtliches Wissen angeeignet, wo günstige oder zum Teil kostenfreie Lademöglichkeiten – bevorzugt mit Ökostrom – auf den Routen seiner Taxitouren liegen. Beim Vergleich der unterschiedlichen Tarife hilft ihm auch eine spezielle App. Als Impuls, damit die E-Mobilität unter Taxikollegen stärkere Verbreitung findet, könnte er sich eine Aufrüstung der Taxi-Haltezonen mit Ladesäulen vorstellen. Dann könnten dort die Wartezeiten auf Kundschaft genutzt werden, um den Wagen elektrisch zu „betanken“.

Nachhaltigkeit braucht auch Wirtschaftlichkeit

Angefangen hat der ehemalige Schornsteinfeger übrigens 2010 mit einem Taxi seines damaligen Schwiegervaters. Dieses steuerte er zwei Jahre lang nach Feierabend, bevor er sich entschied, ganz Taxiunternehmer zu werden. „Ich habe diesen Schritt nie bereut“, sagt der bekennende Autofan. Elf Jahre später beschäftigt seine Firma sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der letzte verbliebene Diesel in der Wagenflotte von Taxi Krämer soll ebenfalls gegen ein E-Taxi ausgetauscht werden. Thomas Krämer liebäugelt bereits mit einem Model Y, das ab 2022 in der Gigafactory in Brandenburg vom Band laufen soll.
„Gelebte Nachhaltigkeit und die Vermeidung von Emissionen sind mir wichtig. Entscheidend war für mich aber auch, dass die Elektrotaxis nicht zuletzt wegen steigender Spritpreise wirtschaftlich sinnvoll sind“, unterstreicht der Unternehmer. Anderen Kolleginnen und Kollegen, die sich möglicherweise bereits mit dem Gedanken tragen, ebenfalls ein E-Taxi anzuschaffen, rät Thomas Krämer, neben einer Probefahrt den Wagen unbedingt auch probeweise zu laden. „Solche Tests machen frühzeitig Schwachstellen deutlich. Manche Modelle eignen sich einfach eher für den Privatgebrauch als für das Taxigewerbe.“
Zukunftsmut: Ideen für mehr Nachhaltigkeit
Von der Chancengleichheit am Arbeitsplatz über ressourcenschonende, umweltfreundliche Produktion, neue Geschäftsideen, die Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen präsentieren, bis hin zu Sponsoring von Sportvereinen, Kultureinrichtungen und mehr: Unternehmerische Verantwortung hat viele Facetten. In dieser Artikelserie stellen wir Ihnen Good-Practices in Sachen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aus der Region Rhein-Main-Neckar und darüber hinaus vor, die beweisen, warum wir auch in Zeiten multipler Krisen mehr Optimismus wagen sollten.

Was macht verantwortungsvolle Teilhabe im Wirtschaftsleben aus?
Im Jahr 2020 haben rund 20 Unternehmerinnen und Unternehmer dazu ein neues Leitbild für verantwortungsbewusste, vertrauenswürdige Geschäftsleute erarbeitet. Dieses Leitbild stellen wir Unternehmen in deutscher und englischer Sprache kostenfrei zum Download bereit.

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Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit