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EU-Produktsicherheitsverordnung – Bürokratiemonster für Betriebe

Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung muss von allen Betrieben, die Verbraucherprodukte in der EU herstellen oder vertreiben, umgesetzt werden und soll Verbraucher vor potenziellen Gefahren schützen. Es muss gewährleistet und dokumentiert werden, dass alle Produkte den geltenden Sicherheitsstandards entsprechen. Hersteller oder Händler außerhalb der EU müssen zusätzlich eine verantwortliche Person bestimmen, zur Produktprüfung und als Ansprechpartner in der EU.
Die IHKs Bodensee-Oberschwaben und Ulm beantworten seit Monaten täglich eine Vielzahl an Fragen von Herstellern und Händlern zur Umsetzung der EU-Produktsicherheitsverordnung. Ein besonderer Dorn im Auge vor allem der Händler ist die Verpflichtung, bereits beim Online-Angebot eines jeden einzelnen Produkts die Herstellerinformationen preiszugeben, obwohl der Hersteller ohnehin auf dem Produkt genannt werden muss. Somit entsteht vor allem für kleinere Händler ein gewaltiger Aufwand. Außerdem werden dadurch Bezugsquellen offengelegt. „Die Händler sehen hier ihre Geschäftsgeheimnisse bedroht“, sagt Sönke Voss, Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben. „Mühevoll aufgebaute Geschäftskontakte zu den Herstellern sind durch die Verordnung in Gefahr. Viele Händler wollen den Onlinehandel lieber komplett aufgeben, anstatt Herstellerinformationen preiszugeben.“
Alle Hersteller sind durch die Verordnung nun gezwungen, für jedes Produkt, sei es noch so sicher oder ungefährlich, eine Risikoanalyse durchzuführen, technische Unterlagen zu erstellen und diese bis zu zehn Jahren nach dem Inverkehrbringen aufzubewahren – gerade für kleine Unternehmen eine enorme Herausforderung, da der Aufwand in keinem Verhältnis zum möglichen Ertrag steht. Auch die erweiterten Informationspflichten, wie die Erstellung detaillierter Gebrauchsanweisungen, Sicherheitswarnungen und Entsorgungshinweise in der jeweiligen Landessprache, sind ein logistischer Albtraum für internationale Online-Händler.
Es besteht eine zunehmende Komplexität und Überschneidung mit bestehenden Regelungen. Die Unternehmen finden sich im Dschungel der Verordnungen und Richtlinien oft allein gar nicht mehr zurecht. „Angesichts der konjunkturellen Herausforderungen ist ein schneller Abbau von überbordender Bürokratie unbedingt notwendig“, fordert Petra Engstler-Karrasch, Hauptgeschäftsführerin der IHK Ulm. „Leider zeigt sich an diesem Beispiel erneut, dass parallel zur Bemühung, in kleinen Schritten nicht erforderliche Regulatorik zu reduzieren, neue und weitere Hürden aufgebaut werden. Was die Unternehmen brauchen, sind unbürokratische, pragmatische Lösungen und praxisnahe Umsetzungshilfen, damit ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet wird.“ Bisher gibt es von der EU-Kommission nur eine FAQ-Liste – Leitfäden könnten zu mehr Verständnis durch die Unternehmen beitragen.
WAB