Region Stuttgart: Versunken in der Krise

Die wirtschaftliche Talfahrt in der Region Stuttgart erreicht im Herbst 2025 einen neuen Tiefpunkt. Erstmals seit dem ersten Corona-Lockdown im Sommer 2020 fällt der Lageindikator mit –7 Punkten wieder deutlich in den negativen Bereich. Diese Entwicklung kam nicht überraschend: Seit der Energiekrise 2022 bewegt sich die Wirtschaft zwar mit leichten Schwankungen, jedoch in einem klar abwärtsgerichteten Trend. Die Herausforderungen sind vielfältig und haben sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Die anhaltende Inflation der letzten Jahre und das nur langsam steigende Realeinkommen haben die Kaufkraft der privaten Haushalte massiv geschwächt. Auch die Exportwirtschaft, einst verlässlicher Wachstumsmotor, leidet unter den fortdauernden Zollkonflikten mit den Vereinigten Staaten. Hinzu kommen strukturelle Probleme: nicht wettbewerbsfähige Energiepreise, hohe Arbeitskosten und eine überbordende Bürokratie, die wirtschaftliche Aktivitäten zusätzlich hemmen.
IHK-Konjunkturumfrage für die Region Stuttgart: Diese Analyse basiert auf der IHK-Umfrage zum Herbst 2025, an der 1007 Unternehmen zwischen dem 15. September 2025 und 2. Oktober 2025 teilgenommen haben.
Ihr Unternehmen möchte auch an der IHK-Konjunkturumfrage teilnehmen? Sie können sich gerne mit einer formlosen E-Mail an konjunktur@stuttgart.ihk.de anmelden.
Nur noch 23 Prozent der Unternehmen in der Region Stuttgart bewerten ihre wirtschaftliche Lage als gut – drei Prozentpunkte weniger als im Herbst 2025. Rund 48 Prozent sehen ihre Situation als befriedigend, während 30 Prozent sie als schlecht einschätzen – ein Anstieg um vier Prozentpunkte gegenüber dem Frühsommer.
Das größte Geschäftsrisiko bleibt die schwache Inlandsnachfrage: 71 Prozent der Unternehmen sehen sie als Gefahr für die kommenden zwölf Monate. Besonders der Handel meldet eine anhaltend geringe Kauflaune privater Haushalte. Auch die Auftragseingänge bleiben schwach: 37 Prozent der Unternehmen berichten von Rückgängen, nur 13 Prozent von positiven Tendenzen.
An zweiter Stelle der Risiken stehen die Arbeitskosten, die von 59 Prozent der Unternehmen genannt werden. Inflation und die Erhöhung des Mindestlohns erhöhen den Druck auf Löhne und Gehälter – besonders in personalintensiven Branchen.
Die schwache Konjunktur wirkt sich zunehmend auf den Arbeitsmarkt aus. Die schwierige Auftragslage dämpft die Nachfrage nach Arbeits- und Fachkräften. Der Fachkräftemangel wird nur noch von gut einem Drittel der Unternehmen als Risiko gesehen – deutlich unter dem Zehnjahresdurchschnitt von 50 Prozent. In der Industrie stuft sogar nur noch jedes fünfte Unternehmen den Fachkräftemangel als Problem ein. Für die kommenden zwölf Monate erwarten rund 33 Prozent der Unternehmen einen Beschäftigungsrückgang, während nur 13 Prozent von steigenden Beschäftigtenzahlen ausgehen. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 5,4 Prozent – 0,3 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.
Mit Blick auf den angekündigten „Herbst der Reformen“ bleibt die politische Stimmung gedrückt: Rund 40 Prozent der Unternehmen sehen in der aktuellen Wirtschaftspolitik ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Geopolitische Spannungen werden ebenfalls von 40 Prozent als Gefahr genannt – trotz des jüngsten Handelsdeals zwischen den USA und der EU.
Die Geschäftserwartungen trüben sich weiter ein: Nach einer kurzen Erholung im Frühsommer fällt der Indikator von –6 auf –8 Punkte. Nur jedes fünfte Unternehmen rechnet in den kommenden zwölf Monaten mit besseren Geschäften, während 28 Prozent eine Verschlechterung erwarten.
Die schwache Ertragslage und hohe Standortkosten bremsen Investitionen: Lediglich 17 Prozent der Unternehmen planen höhere Inlandsinvestitionen, 32 Prozent wollen weniger investieren, 17 Prozent gar nicht. Der Investitionsindikator sinkt von –10 auf –18 Punkte.
Die Industrie steckt weiterhin in der Krise. Der rückläufige Auftragseingang belastet die Unternehmen nun schon seit über zwei Jahren. Besonders die Exportwirtschaft steht unter Druck: Zwar wurde zwischen den USA und der EU eine Einigung erzielt, doch liegt der allgemeine Zollsatz mit 15 Prozent weiterhin deutlich über dem Niveau vor Trumps Amtszeit. Viele exportorientierte Unternehmen befürchten dadurch eine zusätzliche Dämpfung der Auslandsnachfrage. Bereits jetzt berichten 36 Prozent von einem rückläufigen Auftragseingang, und 42 Prozent der Industrieunternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als schlecht.
Das Baugewerbe in der Region Stuttgart spürt die Investitionszurückhaltung der Unternehmen. Im gewerblichen Hochbau melden 60 Prozent der Betriebe sinkende Auftragseingänge. Leichte positive Impulse kommen aus dem Wohnungsbau: Nach einer langen Durststrecke berichten hier rund 24 Prozent von steigenden Aufträgen. Die angekündigten Investitionsprogramme der Bundesregierung im Bereich Infrastruktur sind in der Region bislang kaum spürbar: Nur 18 Prozent der Unternehmen verzeichnen steigende Auftragseingänge – ebenso viele melden jedoch Rückgänge.
Der Einzel- und Großhandel leidet weiterhin unter der schwachen Konsumlaune. 77 Prozent der Einzelhändler bewerten die Kaufbereitschaft der Kunden als zurückhaltend. Auch der Großhandel spürt die schwache Industriekonjunktur: 48 Prozent der Unternehmen melden rückläufige Bestellungen.
Die Dienstleistungsbranche befindet sich insgesamt noch in einer vergleichsweise guten Lage. Der Lageindikator sinkt jedoch von 18 auf 13 Punkte. Etwa jedes dritte Unternehmen bewertet die Geschäftslage als gut. Vor allem Beratungs- und Finanzdienstleister entwickeln sich weiterhin positiv. Dennoch zeigen sich erste Bremsspuren: 34 Prozent der unternehmensnahen Dienstleister berichten von sinkender Nachfrage.
Im Hotel- und Gastgewerbe verschärft sich die Situation deutlich. Der Lageindikator fällt von –28 auf –46 Punkte. Nur noch 6 Prozent der Betriebe melden eine gute Geschäftslage, während mehr als die Hälfte eine schlechte Lage angibt. Die Ursachen sind vielfältig: Rückläufiger Konsum vor Ort sowie hohe Arbeits- und Energiekosten belasten die Erträge massiv. Die Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent wird daher von vielen Unternehmen als überlebenswichtig angesehen.
Das Verkehrsgewerbe spürt die schwache Industriekonjunktur entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Hinzu kommt der anhaltende Mangel an Lkw-Fahrern, den 58 Prozent der Unternehmen weiterhin als Geschäftsrisiko einstufen. Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt: Der Lageindikator verbessert sich zwar leicht auf –5 Punkte, bleibt aber im negativen Bereich.