5. März 2024

Verantwortung. Vorbild. Veränderung.: IHK zu Kiel widmet Jahresempfang HORIZONT der Zukunft des Unternehmertums

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Kiel feierte am Dienstag, 5. März, im Kieler Ostseekai ihren Jahresempfang HORIZONT 24, das wirtschaftspolitische Top-Event zwischen Elbe und Ostsee. Dabei widmete sie sich unter dem Motto “Verantwortung.Vorbild.Veränderung“ der Zukunft des Unternehmertums. Um die “Unternehmensunlust“ zu überwinden, brauche es einen Imagewandel, mehr berufliche und unternehmerische Bildung sowie ein gesellschaftliches und politisches Umfeld, das Unternehmensgründung und -nachfolge ermöglicht, sagte IHK-Präsident Knud Hansen.
Deutschland erreicht im Global Entrepreneurship Monitor nur einen Platz im hinteren Mittelfeld. Jährlich gibt die Studie Aufschluss über unternehmerische Aktivitäten, Gründung und Gründungseinstellungen. Gleichzeitig ist der Generationswechsel in vollem Gange: So sind in Schleswig-Holstein von 2022 bis 2026 rund 6.700 Unternehmen übergabebereit – nur fehlen die Interessenten. Derweil steigen die Anforderungen für Firmenlenker immer weiter, denn die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen werden schlecht bewertet wie lange nicht. Wer traut sich, in diesem wirtschaftlichen Umfeld ein Unternehmen zu übernehmen oder zu gründen? Das diskutierte die IHK zu Kiel mit Fachleuten sowie Unternehmerinnen und Unternehmern.
“Die deutsche Unternehmungsunlust wird auf breiter Front sichtbar. Ich bin davon überzeugt, es mangelt nicht an der Eignung der Menschen. Es sind insbesondere externe Faktoren wie ein unsicheres Umfeld zum Investieren, marode Infrastruktur und die schleppende Digitalisierung. Wer sich davon noch nicht hat abschrecken lassen, zu gründen oder ein Unternehmen zu übernehmen, der wird öffentlich mit Klischees konfrontiert. Doch mit Stereotypen fangen wir heute an, aufzuräumen. Wir retten den Unternehmergeist!“, sagte IHK-Präsident Knud Hansen. Unternehmerinnen und Unternehmer seien häufig Menschen, die sich gesellschaftlich einbringen, zum Beispiel in der Feuerwehr oder der IHK-Vollversammlung, ihre Mitarbeitenden freistellen und durch Gewerbesteuern zum Wohlstand und zur Standortentwicklung beitragen.
Ein Ergebnis der IHK-Nachfolgestudie ist jedoch, dass jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) keine passende Nachfolge findet. Als einen Grund machte Hansen hohe bürokratische Hürden aus. „Unternehmensübergaben, Nachfolgen und Gründungen sind für alle Beteiligten schon herausfordernd genug und nicht selten emotional. Hier ist es wichtig, dass diese Prozesse nicht durch bürokratische Anforderungen erschwert werden“, sagte Hansen in Richtung Politik. Weil das keine Herausforderung sei, die die Betriebe allein lösen können, engagierten sich die IHKs in der Nachfolgeinitiative der Landesregierung. „Das ist ein Paradebeispiel, was Wirtschaft und Politik erreichen können, wenn sie gemeinsamen handeln, Aufmerksamkeit für ein Thema erzeugen und Ideen entwickeln. Hier macht die Landesregierung richtig gute Arbeit, die wir ausweiten wollen – zum Beispiel auf die berufliche und unternehmerische Bildung.“
Ziel von Politik und Wirtschaft müsse sein, mehr Entrepreneurship Education in die Schulen zu bekommen. Hansen: „Das heißt nicht, dass jeder und jede ein Unternehmen gründen muss. Es geht um unternehmerisches Denken und Handeln, um Entscheidungsfähigkeit, Kreativität und darum, Rollenklischees abzubauen.” Auch mit einer beruflichen Ausbildung könne der Einstieg in das Unternehmertum bereits beginnen. Immer häufiger erfolge die Nachfolge auch durch gezielte innerbetriebliche Personalentwicklung. Mit beruflicher Weiterbildung ließen sich Fähigkeiten zum Gründen, Übernehmen und Führen eines Unternehmens schärfen. „Aktuelle bildungspolitische Diskussionen und Entscheidungen, wie Schulstandortschließungen und der Ausschluss von Auszubildenden aus dem Bildungsticket, gefährden Bildungschancen und sind im Lichte der Überakademisierung das falsche Signal“, kritisierte der IHK-Präsident.
Schleswig-Holstein sei eine Region mit großen Chancen und Perspektiven, sagte Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen im Gespräch auf der Bühne mit Knud Hansen. „Unser Land setzt Kurs auf die Zukunft. Wir wollen klimaneutrales Industrieland bis 2040 werden. Die Energiewende bietet ebenso wie die digitale Transformation enorme Potenziale. Dieser Wandel, die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen und die Sicherung unseres Wohlstands gelingen uns nur mit einem erfolgreichen Unternehmertum, das Zukunftsinvestitionen nicht scheut, Motor für innovative Lösungen und treibende Kraft hinter unserem Fortschritt bleibt. Dafür braucht es Mut, Kreativität, Gestaltungswillen und außergewöhnliches Engagement. Diesen Unternehmensgeist wollen wir unterstützen und fördern. Mit der Unternehmensnachfolge-Initiative möchte die Landesregierung junge Menschen für den Schritt in die Selbstständigkeit begeistern oder mit der Entrepreneurship Education in Schulen dazu inspirieren, zu gründen.“
Im Experten-Panel diskutierte die IHK mit Gästen die gesellschaftliche Bedeutung des Unternehmertums und Ansätze für einen Imagewandel. Bärbel Boy, Gründerin, Unternehmerin und Sozialforscherin, präsentierte eine Neufassung der Studie „Rettet den Unternehmergeist!“. Darin sieht eine Mehrheit von 80 Prozent der Befragten Unternehmerinnen und Unternehmer als „profitgetrieben“, während 83 Prozent glauben, dass Unternehmertum spezifische, teils negative Charaktereigenschaften erfordere. So kritisierte Boy, dass sich das Unternehmerbild auf amerikanische Tech-Giganten reduziere, was lokale Innovatoren oder den Bäcker von nebenan ausblende. Die Kielerin betonte den Gegensatz zwischen der Realität des Unternehmertums, geprägt von Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit, und der öffentlichen Wahrnehmung, die Unternehmertum mit dem Verlust von Freiheit gleichsetzt. Boy: „Das stereotype Bild in der Bevölkerung ist gefährlich. Es steht in einem krassen Gegensatz zu den Hoffnungen, die Politik in unternehmerische Innovationen zur Überwindung der gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft setzt.“ Boy argumentierte, dass Unternehmergeist essenziell für die Innovations- und Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft sei.
Sarna Röser, ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer und designierte Unternehmensnachfolgerin, teilte in der Keynote ihre Vision für eine neue Unternehmergeneration. „Die Herausforderungen der globalen Gesellschaft erfordern verantwortungsvolles Unternehmertum, langfristiges Denken und Handeln sowie die Übernahme von Verantwortung, insbesondere von Familienunternehmern“, sagte Röser. Es sei Zeit, mutig Position zu beziehen, für Überzeugungen und Werte einzustehen und politisches Engagement als Pflicht zu sehen, um den Wirtschaftsstandort durch Unternehmergeist, Erneuerung, soziale Marktwirtschaft und Innovation zu stärken. Röser: „Angesichts rückläufiger Gründungszahlen und der Schwierigkeit, Unternehmensnachfolger zu finden, ist es essenziell, junge Menschen früh für das Unternehmertum zu begeistern und ihnen als authentische Vorbilder aufzuzeigen, dass Unternehmertum etwas Positives ist. Statt Unternehmer als Bösewichte zu sehen, sollten deren Innovationskraft, Leistungsbereitschaft und Risikobereitschaft mehr anerkannt und gefeiert werden“, sagte die Familienunternehmerin.
Fotos von der Veranstaltung finden Sie im Laufe des Abends (ab ca. 21 Uhr) unter diesem Link: https://fabianfruehling.de/picdrop/vtDvCJ5DmD
Über HORIZONT
Horizont ist der Jahresempfang der IHK zu Kiel. Mit mehr als 1.000 Gästen, darunter Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, ist Horizont die wichtigste wirtschaftspolitische Veranstaltung zwischen Ostsee und Elbe und Anschubgeber für den Diskurs in Schleswig-Holstein. Die Titelthemen setzen Impulse zu komplexen wirtschaftspolitischen Debatten, zeigen Lösungsansätze und adressieren Forderung wie Angebot an Politik und Verwaltung.
Medieninformation der IHK zu Kiel vom 5. März 2024