Flensburg, Kappeln: team, Mau & Mittelmann, WJ Flensburg
Wo Menschen wachsen können
von Joana Detlefs |
Arbeitskräfte zu finden und sie langfristig zu halten, ist eine der größten Herausforderungen für die Unternehmen. So bewerten 54 Prozent der Befragten der IHK-Konjunkturbefragung in Schleswig-Holstein den Fachkräftemangel als Geschäftsrisiko. Zwei Betriebe zeigen, wie sie die Mitarbeiterbindung stärken, und die Wirtschaftsjunioren Flensburg verraten, wie sie mit dem „Leadership Compass“ Fachkräfte in der Region halten wollen.
Beim Gang durch die Hallen begrüßt Hannes Mau, Geschäftsführer von Mau & Mittelmann, jeden Mitarbeiter persönlich mit Namen. Für den Kappelner eine Selbstverständlichkeit. „Wir setzen viel daran, das Miteinander im Unternehmen zu stärken. Dafür organisieren wir regelmäßig Firmenevents, nehmen gemeinsam an regionalen Veranstaltungen wie dem Stadtradeln teil und bieten auch Extras wie Dauerkarten für die SG Flensburg-Handewitt an“, so der Unternehmer. Das helfe insbesondere, um Mitarbeitende aus den unterschiedlichen Gewerben zusammenzubringen, denn neben Mau & Mittelmann, die Composite-Bauteile für etwa die Windbranche, den Yachtbau oder den Medizinsektor produzieren, gehört auch die Tischlerei Mau zum Betrieb. „Zu den Events laden wir auch Partner und Kinder ein. Als familienfreundlicher Betrieb setzen wir zudem auf flexible Arbeitszeiten, wenn die Berufsaufgaben es zulassen. Unsere Angestellten können die Kinder auch mal mitnehmen, um Job und Alltag zu vereinen“, sagt Hannes Mau. Für ihre Familienfreundlichkeit wurde der Betrieb mit der Auszeichnung „Familienfreundlicher Betrieb 2024/2025“ vom Bündnis für Familie geehrt.
Wir versuchen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen wachsen können – dafür stehe ich jeden Tag auf.
Hannes Mau, Mau & Mittelmann
Eine weitere zentrale Rolle spielt die Weiterentwicklung jedes Einzelnen. „Wir versuchen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen wachsen können – dafür stehe ich jeden Tag auf“, so Mau. Die Angestellten können sich weiterbilden, indem sie einen Meister oder Betriebswirt, interne Schulungen oder externe Coachingangebote absolvieren. Flache Strukturen ermöglichen es zudem, Verantwortung zu übernehmen und aufzusteigen. Ihre Nachwuchskräfte begleiten sie mit dem Ziel, sie zu übernehmen. „Schon in der Ausbildung möchten wir ihnen einen breiten Einblick in die Berufswelt geben. Dafür veranstalten wir beispielsweise Lehrlingsaustausche mit einem Betrieb aus dem Schwarzwald“, sagt er.
In Zukunft möchte Mau den Betrieb noch sichtbarer machen: „Da wir überwiegend im Business-to-Business-Bereich tätig sind, haben uns nicht viele auf dem Schirm. Über Berufs- und Ausbildungsmessen versuchen wir bereits, das zu ändern. Zusätzlich wollen wir unsere Präsenz auf Social Media weiter ausbauen.“
Über die Region hinaus geht die Suche nach Arbeitskräften bei der team Gruppe. Mit Standorten in ganz Deutschland sucht sie nicht nur für einen Ort, sondern gleich für etwa 200 Niederlassungen in den Sparten Energie, Bau und Agrar. „Wir arbeiten dezentral. Das bedeutet, unser Recruiting-Team in Flensburg bereitet die Suchstrategie sowie die Veröffentlichung vor und übernimmt das Bewerbermanagement. Die Auswahlgespräche finden an den Standorten ohne uns statt. Denn im direkten Kontakt können unsere Mitarbeiter vor Ort die Kandidaten besser auswählen“, sagt Nina Kortner, Leiterin Employer Branding und Recruiting. Dafür verzichtet das Unternehmen auch auf komplexe Bewerbungsprozesse. „Es geht um den persönlichen Eindruck. Der zählt mehr als jedes Textergebnis“, so Kortner.
Um junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, geht die Unternehmensgruppe auf Messen, beteiligt sich an Schulkooperationen und veranstaltet eigene Events. Das reiche aber nicht mehr aus, sagt Karen Böhle, Bereichsleiterin People und Culture. Deshalb hat der Betrieb die Webseite und ihre Social-Media-Kanäle ausgebaut. Dabei setze man auf eigene Inhalte, erstelle Video- und Bildbeiträge und nehme die Besucher mit hinter die Kulissen. Bei der Fachkräftegewinnung wird eine differenziertere Strategie verfolgt, die je nach Standort und Zielgruppe individuell angepasst wird. Neben zielgruppengerechten Stellenausschreibungen auf Jobplattformen kommen Recruiting-Strategien wie etwa Anzeigen in Kleinanzeigenportalen, die Nutzung von Business-Netzwerkgruppen, Social-Media-Kampagnen oder der klassische Postwurf zum Einsatz.
Viele der Mitarbeitenden möchten sich auch im Betrieb weiterentwickeln, sind sich Böhle und Kortner einig. „Wir schauen so früh wie möglich, in welchen Bereichen Positionen frei werden, bei welchen Mitarbeitenden sich Talente verbergen und wie wir diese hervorbringen können“, so Karen Böhle. Dafür führen sie regelmäßig Mitarbeitergespräche, um die Ziele und Erwartungen von beiden Seiten klar zu definieren und bei Bedarf die passende Schulungsform herauszufinden. Den unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen versucht Team mit individuellen Arbeitszeitmodellen und Unternehmensbenefits entgegenzukommen. Um die knapp 5.000 Mitarbeitenden zusammenzubringen, organisiert das Unternehmen Firmenfeste. Nina Kortner sagt: „Viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten schon jahrelang, wenn nicht sogar jahrzehntelang, bei uns. Damit das so bleibt, möchten wir ihnen mit Wertschätzung begegnen.“
Jan Keirat, WJ Flensburg
Um auch Studierende für die Region zu gewinnen und dort zu halten, haben die Wirtschaftsjunioren (WJ) Flensburg das Programm „Leadership Compass“ ins Leben gerufen. Mehrmals im Jahr veranstalten sie zusammen mit Tanja Reimer von der Europa-Universität Flensburg und Kerstin Schröder von der Hochschule Flensburg Infoabende in geselliger Atmosphäre. „Bei Pizza und Bier stellen sich jedes Mal drei Betriebe im Detail vor, drei weitere Unternehmen zeigen kurz und knapp, was sie auszeichnet“, sagt Jan Keirat, Leiter der Projektgruppe „Bildung an Hochschulen“ der WJ Flensburg. Im Anschluss können die Studierenden sich zu den Unternehmensvertretern setzen und sich mit ihnen austauschen.
Zu viele zieht es nach dem Studium immer noch aus dem Bundesland heraus. Das wollen wir ändern.
Jan Keirat, WJ Flensburg
Ziel ist es, regionale Betriebe und Studierende zu vernetzen und so die eine oder andere offene Stelle zu besetzen – ob Praktikum, Werkstudentenjob oder eine Beschäftigung im Anschluss an das Studium. „Die Nachwuchskräfte können so Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt sammeln und herausfinden, was für sie passt. Zudem lernen sie einige potenzielle Arbeitgeber in unserer schönen Region näher kennen, denn zu viele zieht es nach dem Studium immer noch aus dem Bundesland heraus. Das wollen wir ändern“, so der Steuerberater und Partner der burgenta PartmbB. Die Betriebe können damit potenzielle Fachkräfte in der Region halten. Sie zeigen aber auch, was hinter dem Unternehmertum steckt und was Absolventen von der Berufswelt erwarten können, sagt Jan Keirat. „Dadurch starten sie mit passenderen Erwartungen in ihr Arbeitsleben, was für beide Seiten zu mehr Zufriedenheit führt.“
Derzeit ist der „Leadership Compass“ nur in der Fördestadt etabliert. Langfristig möchten die WJ Flensburg das Projekt aber als Format mit dem WJ-Netzwerk teilen, damit auch andere Kreise davon profitieren können.