”Mangel an Fachkräften hemmt Wirtschaftswachstum”
Die Förderung der Nachwuchskräfte ist für Dr. Norbert Siebels, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück-Emsland, eine vordringliche Aufgabe der emsländischen Wirtschaft im kommenden Jahr.
Interview mit der Meppener Tagespost am 2. Januar.
Der Regionalausschuss Emsland der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim hat im abgelaufenen Jahr mehrfach im Emsland getagt. Welche Themen wurden behandelt?
Der Regionalausschuss ist Vordenker für Themen, die unsere Betriebe im Emsland unmittelbar betreffen. Konkret: Gemeinsam mit den Unternehmen haben wir die Entwicklungen im Tourismus ermittelt. Wir haben analysiert, wie die Region von diesem Wirtschaftsfaktor profitieren kann, der zunehmend an Bedeutung gewinnt. Freizeitgroßprojekte wie der Fun-Park Meppen haben das Potenzial, als touristische Leuchttürme zu Besuchermagneten zu werden und Wachstumsimpulse auszulösen. Für solche Projekte hat der Regionalausschuss eine bedeutende Multiplikatorfunktion.
Mit welchen Schwerpunkten wird sich der Regionalausschuss Emsland im kommenden Jahr befassen?
Das Emsland steht an einem Scheideweg. Über Jahrzehnte hinweg war der Landkreis der Beschäftigungsmotor in Niedersachsen. Doch in den letzten Jahren verlief die Entwicklung leicht rückläufig. Wir wollen beim Wachstum von Wirtschaft und Beschäftigung zurück an die Spitze. Deshalb steht das Thema Beschäftigung im Regionalausschuss im kommenden Jahr ganz oben auf der Agenda. Die IHK-Studie "Zukunftsfaktor Wissen" hat gezeigt, dass viele Unternehmen im Emsland Probleme haben, geeignete Fachkräfte zu finden. Wir werden deshalb Konzepte entwickeln, um mehr hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte für die Region zu gewinnen.
Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis Emsland im abgelaufenen Jahr?
2006 war ein gutes Jahr für die emsländische Wirtschaft. In der IHK-Konjunkturumfrage zeigte sich zuletzt jedes zweite Unternehmen zufrieden mit seinem Geschäftsverlauf, nur jedes sechste Unternehmen war unzufrieden. Der IHK-Konjunkturklimaindex, Gradmesser der regionalen Wirtschaftsentwicklung, erreichte im Emsland mit 124 Punkten einen neuen Höchststand. Damit sticht das Emsland positiv aus dem IHK-Bezirk hervor.
Glaubt man den Wirtschaftsweisen, wird sich der ökonomische Aufschwung in Deutschland trotz Mehrwertsteuererhöhung fortsetzen. Wie sehen die Prognosen für das Emsland aus?
Die emsländischen Unternehmen gehen gestärkt und zuversichtlich ins Jahr 2007. Bei der Einschätzung der Geschäftsentwicklung überwiegen in der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage per saldo die optimistischen Stimmen um rund 15 Prozent. Im Durchschnitt des gesamten IHK-Bezirks sind es nur fünf Prozent. Natürlich kann auch im Emsland die Mehrwertsteuererhöhung eine Konjunkturdelle verursachen. Der Positivtrend am Arbeitsmarkt macht aber Mut, dass der private Konsum die zusätzliche Steuerlast schnell verdaut.
Welche Branchen sind in der Region die kräftigsten Wirtschaftsmotoren?
Das Wirtschaftswachstum steht im Emsland auf breitem Fundament. Zu den wichtigsten Wachstumstreibern zählen im industriellen Bereich die Mineralölverarbeitung, der Maschinenbau, die Herstellung von Kunststoffwaren, die Baustoffindustrie und das Ernährungsgewerbe. Insgesamt verfügt die Region über eine sehr starke industrielle Basis. Der Dienstleistungssektor gewinnt außerdem an Bedeutung. Derzeit erleben vor allem die Logistikunternehmen durch das zunehmende Transportaufkommen im In- und Ausland eine Wachstumsphase.
Wird sich der Aufschwung auch in den Arbeitsmarktzahlen im Landkreis Emsland niederschlagen?
Das Emsland zählt zu den Beschäftigungsmotoren Niedersachsens. Im Aufschwung kann man daher erst recht ein Beschäftigungsplus erwarten. Die monatliche Arbeitsmarktstatistik bestärkt unsere Zuversicht.
Welche konkreten Ziele hat sich die IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim gesteckt, um diese Entwicklung zu forcieren?
Ein Wachstumshemmnis ist der regionale Mangel an hoch qualifizierten Fachkräften. Wo gut ausgebildete Spezialisten und Nachwuchsführungskräfte fehlen, ist die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Wir möchten die Kommunen beim Regionalmarketing unterstützen, um mehr Fachkräfte für die Region zu gewinnen. Den Unternehmen bieten wir Konzepte an, um ungenutztes Arbeitskräftepotenzial zu erschließen. Dazu zählen Maßnahmen für mehr Familienfreundlichkeit und die stärkere Einbindung älterer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben. Auch die Familienstiftung des Landkreises sowie der Ausbau des Hochschulstandortes Lingen sind wichtige Signale.
Welche Wünsche in Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur haben Sie an die Politik?
Ganz oben an steht der Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals für Großmotorschiffe. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Fertigstellung des Eurohafens Emsland-Mitte zwischen Haren und Meppen. Die Europastraße 233 hat als Verkehrsachse europäische Bedeutung. Der vierspurige Ausbau zwischen der A 31 bei Meppen und der A 1 bei Cloppenburg ist deshalb dringend erforderlich. Auf der Agenda bleiben natürlich die Verbesserung der Schienenanbindung an das Oberzentrum Osnabrück und die Landeshauptstadt Hannover sowie der Ausbau der eingleisigen Schienenstrecke bei Dörpen. Die regionale Wirtschaft wartet auf die Startbahnverlängerung des Flughafens Münster/Osnabrück. Es ist zu begrüßen, dass der Landkreis als Gesellschafter beim FMO eingestiegen ist.