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Nr. 6369492

Automatisiert in die Zukunft

von Dr. Johannes Lis, IHK
Die Möbelindustrie sieht sich aktuell mit herausfordernden ­wirtschaftlichen ­Rahmenbedingungen konfrontiert. In diesemschwierigen Umfeld behauptet sich die Pante Möbelfabrik ­Schledehausen GmbH & Co. KG, die 2024 seit 130 Jahren besteht. Ein ­Erfolgsfaktor: Die konsequente Einbindung in die „Industrie 4.0.“
BISSENDORF | Der Umsatz in der Möbelindustrie ist im ersten Halbjahr 2024 um 9,7 % gesunken. Gründe sind vor allem der stockende Wohnungsbau, die Inflation und hohe bürokratische Anforderungen. Detlef Pante kennt die Situation, trotzdem steht sein Unternehmen, die Pante Möbelfabrik Schledehausen GmbH & Co. KG, gut da: „Wir haben uns in den vergangenen Jahren spezialisiert.“ Pante liefert Möbelfertigteile und Möbelkorpusse u. a. an Küchenbauer. „Wenn es sein muss binnen 24 Stunden“, sagt Detlef Pante und betont: „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal.“
Rund 10 000 Möbelteile fertigt das Unternehmen täglich: Serienprodukte, aber auch individuelle Sonderfertigungen. Der Spagat dazwischen gelingt mit 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem hohen Grad an Automatisierung, den insbesondere auch Tochter Sarah Pante, 2023 ins Unternehmen eingestiegen, – im Blick hat: In ihrer Masterarbeit befasste sich die 26-Jährige mit der „Industrie 4.0“. Sie sagt: „Wir müssen weitere Prozesse automatisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So begegnen wir nicht nur dem Fachkräftemangel, sondern erhöhen auch die Prozesssicherheit und die Produktqualität.“
Erst kürzlich hat Pante deshalb eine halbautomatische Vorsteckanlage in einer Montagelinie in Betrieb genommen. Dieses Projekt schließt sich an die vorgelagerte vollautomatische Beleimstation, die im Vorjahrjahr installiert wurde. Autonome Palettentransportsysteme, mehrere Roboter an Bohr- und Dübelautomaten sowie die automatische Beschickung und ­Abstapelung an Bohr- und Bekantungsanlagen sind bei Pante in Betrieb.
„Die Entwicklung geht immer weiter“, berichtet Detlef Pante und schaut mit Stolz auf die 130-jährige Geschichte des Unternehmens. 1894 hatte sein Urgroßvater Heinrich Pante eine Tischlerei gegründet. Trotzdem gilt für ihn auch im Jubiläumsjahr: „Wir müssen uns ständig anpassen und hinterfragen, wie wir besser werden können.“ Beim Thema Energieversorgung hat das Unternehmen früh auf eine eigene Versorgung gesetzt: Die bei der Produktion anfallenden Späne nutzt das Unternehmen zur Wärmeversorgung des gesamten Produktions- und Lagergebäudes. Immer mehr beschäftigen Detlef Pante jetzt Stromausfälle und Spannungsabsenkungen.
„Die Maschinen sind äußerst sensibel. Schon wenige Millisekunden mit zu geringer Spannung können zu Ausfällen oder Schäden führen“, erklärt er. Hier sei die Politik gefordert und muss die Versorgungssicherheit garantieren. Den 130-jährigen Geburtstag hat das Unternehmen vor allem mit den eigenen Mitarbeitern gefeiert. „Unser Erfolg wird maßgeblich durch das Engagement der Mit­arbeiter und deren Bereitschaft zur ständigen Verbesserung ­geprägt,“ sagt Sarah Pante.

Konjunktur: Lageeinschätzung in der Industrie bleibt schlecht

42 % der Industriebetriebe in der Wirtschaftsregion Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim beurteilen die aktuelle Lage als schlecht. Das zeigt die Konjunkturumfrage zum Ende des zweiten Quartals. Nur 11 % bezeichnen dagegen die Geschäftslage als gut. Bei den Erwartungen sieht die Lage kaum besser aus: Nur 12 % erwarten eine günstigere Geschäftslage, 29 % sehen skeptisch in die Zukunft und erwarten ungünstigere Entwicklungen. Das sind zwar weniger als in den beiden Vorquartalen, wo noch über 40 % negative Erwartungen hatten, dennoch bleibt der Wert hoch.
Zum Auftragsbestand geben 56 % der Industriebetriebe an, dass er zu klein sei. Der Wert bleibt nach 54 % im Vorquartal besorgniserregend hoch. Leichte positive Tendenzen sind bei den Auslandsaufträgen erkennbar: Hier erwarten nun 27 % statt vorher 16 % eine Steigerung des Auftragseingangs. Als größte Risiken bewerten die Industriebetriebe aktuell die Inlandsnachfrage (72 %), die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (66 %) sowie die Arbeitskosten (60%).
Niedersachsenweit stellt sich die Lage ähnlich dar. Insgesamt planen 24 % der Industrieunternehmen mit sinkenden Beschäftigtenzahlen, noch höher sind Zahlen im Bereich Maschinenbau, wo 35 % eine geringere Beschäftigung prognostizieren.
Bei der energieintensiven Industrie gelten nach wie vor Energie- und Rohstoffpreise mit 77 % als größtes Risiko. In Niedersachsens Ernährungsindustrie ist es mit 63 % der Fachkräftemangel. Noch deutlicher spürt die Kunststoffindustrie den Fachkräftemangel und bewertet ihn mit 69 % als größtes Risiko.
Das von der Bundesregierung verkündete Wachstumspaket weckt Hoffnung, dass sich die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft nun verbessern könnten. Unsere IHK-Organisation meint: "Alles, was Entlastung bringt, ist dringend nötig und willkommen. Wir werben deshalb für weitere Entlastungen, um den Standort Deutschland fit zu machen. Das geht vor allem, wenn die Politik der Wirtschaft wieder mehr vertraut und nicht bis ins Kleinste alles regeln will. Ein starker Sozialstaat braucht eine starke wirtschaftliche Basis. Daran arbeiten wir gerne mit." Mehr Details
Hintergrund: Die IHK-Konjunkturumfrage zum 2. Quartal 2024 wurde vom 20. Juni 2024 bis zum 8. Juli 2024 durchgeführt. 277 Unternehmen aus dem Bereich der Industrie- und Handelskammer Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim nahmen teil. Aus der Industrie beteiligten sich 80 Unternehmen. Weitere Informationen zum gesamtwirtschaftlichen Bild.

Dietmar Hemsath Vorsitzender im IHK-Industrieausschuss

„Hohe Energiepreise, steigende Netzentgelte, Fachkräftemangel oder überbordende Bürokratie – das sind einige der Herausforderungen, vor denen die Industrie in unserer Region steht. In unserem IHK-Fachausschuss diskutieren wir diese Themenbereiche und suchen Ansatzpunkte für politische Lösungen“, sagte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des IHK-Fachausschusses Industrie, Energie und Umwelt, im Rahmen der konstituierenden Sitzung des Ausschusses bei der RWE in Lingen. Zuvor war Hemsath, Mitglied der Geschäftsführung der Georgsmarienhütte GmbH, erneut als Vorsitzender im Amt bestätigt worden. Als stellvertretende Vorsitzende wurde Sandra Jansen von der Jansen-Tore GmbH & Co. KG in Surwold für die neue Wahlperiode 2024 – 2028 gewählt. Beide Wahlen erfolgten einstimmig.
In der Sitzung stellte Heiko Eisert, bei RWE zuständig für die Standortentwicklung am Gaskraftwerk in Lingen, die Transformation des Energiestandortes vor. Er ging dabei auf den Batteriespeicher, auf Wasserstoff-Forschungsprojekte und auf die im Bau befindlichen Wasserstoff-Erzeugungsanlagen (Elektrolyseure) ein. Das Gaskraftwerk übernehme die wichtige Funktion der Netzstabilisierung. Das sei in Zeiten schwankender Einspeisungen von erneuerbaren Energien besonders wichtig. Mit den Elektrolyseuren könne die RWE künftig Windstrom aus der Nordsee zur Wasserstoffproduktion nutzen und diesen dann auch in großen Kavernen (Gasspeichern) einspeichern, so dass der Wasserstoff zukünftig als sichere Energiequelle auch unabhängig vom Wind bereitgestellt werden kann. Die Sitzung fand im RWE-Informationszentrum der Kraftwerke Lingen statt. Gastgeber war Andreas Friehe, Leiter des Kernkraftwerks Emsland. „Die RWE hat mit dem Kernkraftwerk Emsland über Jahrzehnte für eine stabile und sichere Stromproduktion am Standort Lingen gesorgt. Nach politischem Beschluss wird die Anlage nach dem Erhalt der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung zukünftig zurückgebaut werden. Aktuell befindet sich die Anlage im Nachbetrieb und es werden rückbauvorbereitende Maßnahmen durchgeführt. Gleichzeitig setzt RWE in Lingen mit dem Gaskraftwerk und der Wasserstoffproduktion weiter auf wichtige Bausteine, die zum Gelingen der Energiewende beitragen“, so Friehe.

Bürokratie und Energiekosten wiegen schwer

Über die Hälfte (53 %) der Unternehmen aus der Region ­berichten in der IHK-Energie-Umfrage, dass die Energiepreise ihrer ­Wettbewerbsfähigkeit schaden. Wir haben bei Unternehmen ­nachgefragt, wie sie die Energieversorgung bewerten.
Als die Bundesregierung 2022 die Zeitenwende ver­kündete und von übergeordnetem öffentlichen Interesse an einer zü­gigen Energiewende sprach, war das für Dr. Dirk Deppe eine ­Ermutigung: Der Grafschafter führt in 5. Generation die Deppe Backstein-Keramik GmbH in Uelsen. Den jährlichen Gasverbrauch beziffert er auf 40 Mio. kWh, den Stromverbrauch auf 3,6 Mio. kWh. Der Handlungsdruck ist also ohnehin groß, aber die politische Agenda verspricht ihm beschleunigte Genehmigungsverfahren. Zur Stromversorgung der Ziegelei plant Deppe eine Windkraftanlage. Die Realität holt den Unternehmer jedoch schnell ein: Monatelange Voruntersuchungen in Sachen Natur- und Artenschutz lassen das Vorhaben lange im Schwebezustand. Dann die ernüchternde Nachricht: Ein Fledermausgutachten fordert die Nachtabschaltung der Anlage von März bis November. Und so mischen sich in die Pläne immer mehr Frust und Enttäuschung.
Was Dr. Dirk Deppe beschreibt, zeigt auch die IHK-Umfrage zur Energieversorgung: 97 % der Unternehmen fordern, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Es ist damit die wichtigste Forderung der Unternehmen an die Politik. Zudem zeigt die Umfrage, dass wegen der hoher Energiepreise eine Verlagerung für immer mehr Unternehmen eine Rolle spielt. „Ein Drittel der In­dustriebetriebe verlagert Teile der Produktion bereits ins Ausland oder plant es. Das ist mehr als besorgniserregend“, so Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innova­tion und Energie. Für Deppe kommt eine Verlagerung nicht infrage: „Eine Ziegelei kann nicht mal eben umziehen. Wir sind auf die Nähe zum lokalen Rohstoff Ton angewiesen. Wenn die Politik energie­intensive Produktion in Deutschland halten will, dann braucht es andere Rahmenbedingungen.“
Nils Meyer-Pries, CEO bei der Fuchs Gruppe in Dissen, bewertet die wirtschaftliche Situation insgesamt als herausfordernd. Auch die Bürokratie führe zu steigenden Kosten. So entstünden in vielen Bereichen neue Anforderungen – inhaltlicher und formaler Art sowie Berichtspflichten. Steigende Energiekosten sieht er branchenübergreifend als eine Belastung. Daher habe das Unternehmen schon vor der Energiepreisentwicklung stark in die Verringerung des Energiebedarfs ­investiert: „Auch vor dem Hintergrund unserer Nachhaltigkeits­initiativen.“ Und auch wenn er nachvollziehen könne, dass sich Investitionen im Ausland aufgrund der Gesamtlage für viele Unternehmen wirtschaftlich attraktiv(er) darstellen, setzt er weiterhin auf den Standort Deutschland. „Unser internationales Geschäft ist und bleibt eine tragende Säule unseres Geschäfts. Doch der nationale Markt mit unseren nationalen Standorten ist und bleibt Treiber unserer Aktivitäten.“
Vor einigen Wochen hat der ostwestfälische Konzern Miele seine Produktionsverlagerung nach Polen öffentlich gemacht. Nicholas Delkeskamp wird diese Verlagerung konkret spüren: Er führt die Delkeskamp Verpackungswerke GmbH in Nortrup. Über 260 Tonnen Eck- und Bodenpolster aus Schaumstoff liefert er jährlich nach Gütersloh. „Wenn dort die Waschmaschinenproduktion zurückgefahren wird oder ganz wegfällt, dann fehlen die Aufträge hier“, sagt Delkeskamp. Am Ende könnte dem Unternehmer jede fünfte Tonne aus seinem Auftragsbuch fehlen. Überraschend kommt die Verlagerung für ihn nicht: „Die energie- und wirtschaftspolitische Situation in Deutschland ist nicht gut. Solche Verlagerungen sind dann konsequent. Die Politik sollte handeln, um den Industriestandort zu retten.“
Die drei Beispiele zeigen Handlungsbedarf auf: „Einerseits müssen die Netzentgelte deutlich gesenkt werden, die stark belasten. Andererseits braucht es eine Straffung der Genehmigungsverfahren. Hier ist die Politik deutlich gefordert, wenn sie den Industriestandort erhalten will – insbesondere die vielen kleinen und mittleren Betriebe. Die Energiewende gelingt nicht, wenn Planungen für Windräder mehr als fünf Jahre dauern. Noch mehr Unternehmen werden ihre Produktion verlagern, wenn die Strompreise nicht wettbewerbsfähig sind und wenn Bürokratie nicht spürbar und schnell abgebaut wird“, fordert Anke Schweda.

„Spätschicht: Industrie!“ – Einblicke in die innovative Welt der Ringoplast GmbH

Um Ressourcen- und Energieeffizienz drehte es sich bei der zweiten „Spätschicht: Industrie!“, die vom Industriellen Arbeitgeberverband (IAV) und der Industrie- und Handelskammer Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim veranstaltet wird. Vertreter aus Wirtschaft und Politik hatten die Gelegenheit, die kunststoffverarbeitende Ringoplast GmbH in Ringe zu erkunden, die jährlich über 10 Millionen Kunststoffbehälter produziert.
Die Geschäftsführer des Grafschafter Unternehmens, Klaas und Hendrik Johannink, führten die Gäste durch die Produktionsstätten und gewährten Einblicke in die Herstellung von Produkten wie Transportboxen, Blumenzwiebelkästen und Gärkörben. Einen besonderen Fokus legt das Unternehmen auf den effizienten Einsatz von Ressourcen und Energie. So verwendet Ringoplast bereits 40 % Recycling-Materialien in seiner Produktion. Produktionsprozesse wurden mit verschiedenen Maßnahmen optimiert: Durch die Nutzung der Abwärme für die Beheizung der Bürogebäude oder durch effiziente Pumpen und Antriebe spart Ringoplast Energie. Verschiedene Maßnahmen erzielten zwischen 2015 und 2022 eine relative Stromeinsparung von 21,7 %. Dennoch äußerten die beiden Geschäftsführer Sorgen hinsichtlich aktueller Herausforderungen: Trotz stabiler Strompreise seien die Netzentgelte nach wie vor eine große Belastung. Zudem erweise sich die Bürokratie als überbordend und zeitaufwendig. Genehmigungsverfahren dauerten oft zu lange und erschwerten damit die Planungssicherheit.
„Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die Industrie am Standort Deutschland zukunftsfähig bleiben kann“, betont IAV-Geschäftsführerin Sabine Stöhr beim gemeinsamen Austausch. „Die Industrie steht am Beginn vieler Wertschöpfungsketten. Sie schafft Arbeitsplätze und treibt Innovationen voran. Damit Industrie wettbewerbsfähig bleibt, braucht es stabile Rahmenbedingen für Investitionen in unserer Region und Entlastungen, vor allen bei den Netzentgelten“, fordert IHK-Geschäftsbereichsleiterin Anke Schweda.
Die „Spätschicht“ ist Teil der gemeinsamen Kampagne „Industrie ist Zukunft“, mit der die beiden Institutionen seit 2013 die wichtige Rolle der Industrie für den Wohlstand des Wirtschaftsraums in der Region verdeutlichen.


IHK-Fachausschuss Industrie, Energie und Umwelt: Energiepreissenkung und Investitionsanreize sollten für neue Bundesregierung prioritär sein

„Die Belastungen der Industrie durch hohe Energiepreise haben sich in den letzten Jahren immer weiter erhöht. Hinzu kommen geringe Planungssicherheit durch lange Genehmigungsverfahren für notwendige Investitionen. Darunter leidet unser Wirtschaftsstandort.“ Mit diesen Worten forderte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des IHK-Fachausschusses Industrie, Energie und Umwelt sowie Geschäftsführer der Georgsmarienhütte GmbH, bei der aktuellen Sitzung im Stahlwerk der Georgsmarienhütte verlässliche Anreizstrukturen für Investitionen, Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise für die Industrie. Die politischen Entscheidungsträger seien in der Pflicht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu gewährleisten. Vor dieser Herausforderung wird auch die künftige Bundesregierung stehen.
„Es braucht eine deutliche Perspektive über die Verfügbarkeit und das künftige Preisschild alternativer Energieträger wie Wasserstoff, grüner Strom oder Pflanzenkohle. Nur so ist das Ziel erreichbar, in unserem energieintensiven Werk nachhaltig und klimaneutral Stahl zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren“, betont Hennig Dickert, Director Innovation bei der gastgebenden GMH-Gruppe. Das Stahlwerk hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2039 klimaneutral zu produzieren. Auch wenn das Wasserstoffkernnetz durch die Bundesnetzagentur genehmigt, worden ist, bleibt fraglich, ob Wasserstoff mittelfristig in der notwendigen Menge und einem wettbewerbsfähigen Preis für die Industrie in der Region zur Verfügung steht. Nadelöhre werden die Anschlüsse der energieintensiven Betriebe an das Kernnetz sein. Hier sind regulatorische und finanzielle Fragen politisch zu beantworten.
„Bei wichtigen Investitionsentscheidungen brauchen die beteiligten Behörden zu lange für die Genehmigungen. Um die Industrie resilient für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu machen, müssen diese Prozesse dringend beschleunigt werden“, forderte Anke Schweda, IHK Geschäftsbereichsleiterin Innovation und Energie.
Unter dem Dach der GMH-Gruppe werden die Kompetenzen von mehr als 15 mittelständischen Produktionsunternehmen aus der Stahl-, Schmiede- und Gussindustrie mit rund 6.000 Mitarbeitern gebündelt. Mit hochmodernen Elektroöfen ist die GMH Gruppe Vorreiter für grünen Stahl und spart gegenüber traditioneller Stahlerzeugung bis zu 80 % CO2.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Industrie, Energie und Umwelt trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.
Bildunterschrift: Der IHK-Fachausschuss Industrie, Energie und Umwelt war zu Gast bei der Georgsmarienhütte GmbH. Seine Mitglieder sprachen über den Transformationsprozess für eine nachhaltige Industrie (erste Reihe v. l.): Dr. Sebastian Hock, Director bei Strategy &, Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC, Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Industrie und Energie, Dietmar Hemsath, Ausschussvorsitzender und Geschäftsführer der Georgsmarienhütte GmbH sowie Henning Dickert, Director Innovation der GMH-Gruppe.

Zukunft der Industrie im internationalen Standortwettbewerb: Regionale Unternehmen mit Sorgen

„Für Industrieunternehmen ist die Verfügbarkeit von Fachkräften der wichtigste Standortfaktor – gefolgt von guter Verkehrsinfrastruktur und Flächenverfügbarkeit. Für diese Betriebe ist zudem eine verlässliche Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen wichtig.“ Dies erklärte Thilo Schaefer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seinem Impulsvortrag beim zehnten Industrie-Dialog des Industriellen Arbeitgeberverbands (IAV) und der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim. Dort diskutierten rund 90 Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Verwaltung bei den Amazonen-Werken über die Zukunft der Industrie in Deutschland.
IAV-Vorstandsvorsitzender Olaf Piepenbrock betonte, dass für die regionalen Industriebetriebe vor allem eine verlässliche Planungssicherheit vordringlich sei: „Die Bundesregierung muss endlich die Warnsignale aus der Wirtschaft wahrnehmen. Die Deindustrialisierung hat beängstigende Ausmaße eingenommen und es ist höchste Zeit umzusteuern.“ Neben wettbewerbsfähigen Energiepreisen forderte er Investitionsanreize, Abbau der Bürokratie, Modernisierung der maroden Infrastruktur sowie Steuersenkungen. IHK-Vizepräsident Franz-Josef Paus warb für Technologieoffenheit: „Der Wettbewerb der besten Ideen hat Deutschland immer stark gemacht. Wir brauchen wieder mehr Technologieoffenheit.“ Er kritisierte unter anderem den Abschied vom Verbrennungsmotor.
Auch weitere Unternehmensvertreter positionierten sich. Eva Bitter, Geschäftsführerin von Argelith Bodenkeramik, kritisierte die hohen Energiepreise, die vor allem energieintensiven Betrieben zu schaffen machten. Argelith stellt keramische Industriefliesen her. Für die Brennprozesse benötigt das Unternehmen Gas. Bitter kritisierte auch bürokratische Hürden, beispielsweise für Planungen des Unternehmens für eine eigene Windkraftanlage. Gastgeber der Veranstaltung, Dr. Stephan Evers, Geschäftsführender Direktor der Amazonen-Werke, hob die Bedeutung von Fachkräften hervor. Christian Gnaß, Geschäftsführer der emco Group, ergänzte, dass gut ausgebildete Mitarbeiter entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit seien.
Der Industrie-Dialog ist Teil der Kampagne „Industrie ist Zukunft“, die seit 2013 von IAV und IHK durchgeführt wird, um die Bedeutung der Industrie hervorzuheben.
14.08.2024

„Spätschicht: Industrie!“ Barlage setzt auf Engagement und Nachwuchsförderung

„Unsere ersten drei Führungsebenen kommen alle aus dem Sport“, sagte Dieter Barlage, Geschäftsführer der Barlage GmbH in Haselünne-Flechum. Ehrenamt, Breiten- und Leistungssport spielen bei dem Hersteller von Sonderapparaten für die Personalauswahl eine besondere Rolle: Das Unternehmen unterstützt regionale Sportvereine, fördert damit seine Bekanntheit, aber schafft auch Vertrauen bei Jugendlichen und Eltern. Das erfuhren jetzt mehr als 30 Teilnehmer bei der sogenannten „Spätschicht Industrie“, zu der die IHK und der Industrielle Arbeitgeberverband (IAV) Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim eingeladen hatten.
Das inhabergeführte Unternehmen ist im Behälter- und Anlagenbau tätig. Mit internationaler Expertise produziert es beispielsweise für die Chemiebranche oder für die Schifffahrt. Die größten Sonderbehälter sind bis zu neun Meter groß, 90 Meter lang und wiegen bis zu 900 Tonnen. 1986 hatte Dieter Barlage das Unternehmen im Alter von 20 Jahren übernommen. „Schon mit 16 Jahren war ich Fußballtrainer. Da habe ich gelernt, wie man vor einer Mannschaft spricht“, so Barlage. Die Begeisterung für den Breiten- wie Spitzensport hat er mit in seine unternehmerische Tätigkeit genommen. Und unterstützt damit die Region: „Wir begeistern gern direkt in den Sportvereinen. Dazu bieten sich Sommerfeste und Grillabende an. Gemeinsam mit weiteren Industrieunternehmen informieren wir über unsere Betriebe und werben für die duale Ausbildung“, erklärte Barlage. Aktuell beschäftigt das Unternehmen 15 Auszubildende und duale Studenten, die alle sportlich aktiv oder im Ehrenamt engagiert sind. Auch die Ausbildungsplätze für 2025 sind schon vergeben. Über Nachwuchsprobleme klagt das Unternehmen nicht.
Bei Barlage ist man sich bewusst, wie wichtig der Nachwuchs für das Unternehmen ist. Im internationalen Wettbewerb muss das Unternehmen höchsten Qualitätsstandards genügen. Dazu brauche es beispielsweise qualifizierte Schweißer. „Mit Sieg und Niederlagen umzugehen, das lernt man am besten im Sport. Und es ist eine Kernkompetenz für unser Projektmanagement und für jeden unserer Arbeitsplätze“, ist Andre Schöning überzeugt, der seit 2020 als Geschäftsführer am Standort Flechum tätig ist. Sportvereine sieht Barlage als Schlüssel zur Integration ausländischer Arbeitskräfte: „Da lernt man Deutsch meist schneller als in Sprachkursen, für die oft qualifizierte Lehrkräfte fehlen“, so Barlage.
Die „Spätschicht: Industrie!“ ist Teil der Kampagne „Industrie ist Zukunft“, mit der IAV und IHK seit 2013 die Bedeutung der Industrie und ihre Leistungen hervorheben. „Wer im sportlichen oder unternehmerischen Wettbewerb erfolgreich sein will, der muss die Nase vorn haben. Diese Gemeinsamkeit bei der Leistungsbereitschaft zu nutzen, ist clever und erfolgversprechend. Die Barlage GmbH engagiert sich damit auch gleichzeitig für den Breitensport der Region. Dieter Barlage hat mit diesem integrativen Konzept neue Maßstäbe gesetzt. Das Unternehmen profitiert insbesondere bei der Nachwuchsgewinnung von dieser Strategie“, so Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Energie. „Die Barlage GmbH nutzt die Stärken der Region: Netzwerk und Zusammenhalt. Und das Unternehmen übernimmt gleichzeitig Verantwortung. Das ist eine Win-win-Situation. Das Engagement steht exemplarisch für die vielen starken Industriebetriebe, die sichere Arbeitsplätze schaffen und fest in der Region verwurzelt sind“, ergänzte Sabine Stöhr, IAV-Geschäftsführerin.

Grüner Strom als Standortvorteil: Power Purchase Agreements für Unternehmen der Region immer wichtiger 

Grüner Strom als Standortvorteil: Power Purchase Agreements für Unternehmen der Region immer wichtiger
Unternehmen aus der Wirtschaftsregion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim zeigen ein hohes Interesse am Abschluss von langfristigen Direktstromlieferverträgen, sogenannten Power Purchase Agreements (kurz PPA). Das wurde bei einer Veranstaltung der IHK in Osnabrück, an der über 60 Unternehmer teilnahmen, deutlich. Für ein PPA schließt ein Unternehmen als Stromabnehmer einen Vertrag mit einem Stromerzeuger: einer Windkraft- oder einer Photovoltaik-Anlage. Diese beliefert dann das Unternehmen entweder über das öffentliche Stromnetz oder über eine direkte Leitung.
IHK-Vollversammlungsmitglied Dietmar Hemsath von der Georgsmarienhütte GmbH stellte einen Aspekt der jüngsten IHK-Umfrage zur Energieversorgung vor: Sechs Prozent der Industrieunternehmen hatten darin angegeben, bereits PPAs umgesetzt zu haben, zwei Prozent seien gerade dabei und 19 Prozent planten PPAs. Das sind insgesamt 27 Prozent der Befragten. „Der Bedarf ist groß und die Bereitschaft vor Ort ist es auch“ so Hemsath. Er forderte die Bundesregierung auf, zeitnah Maßnahmen vorzulegen, die den Abschluss von PPAs erleichterten, beispielsweise reduzierte Netzentgelte.
Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) bietet gemeinsam mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Basisinformationen und Standardverträge für PPAs an. Dena-Fachexperte Sebastian Kögl ging in der Veranstaltung der IHK auf die Vorteile eigener Stromlieferverträge ein „PPAs sind ein gutes Instrument, mit dem Unternehmen sich langfristig und günstig mit grünem Strom versorgen können“, so Kögl. Aus seiner Sicht habe Deutschland das Potenzial, zu einem europäischen Leitmarkt für PPAs zu werden. Gleichzeitig ging Kögl auf Herausforderungen ein: Die Regulatorik, den Preis und den individuellen Strombedarf: Unternehmen würden feste Stromzusagen benötigen. PPAs würden dabei eine wichtige Rolle spielen.
Johannes Busmann von der Osnabrücker Prowind GmbH sah vor allem die Chancen von PPAs: „Wir sind eine Region mit starkem Potential an Erneuerbaren Energien. Das Potential müssen wir nutzen und damit den Unternehmen preisgünstigen Grünstrom anbieten.“ Wie das in der Praxis funktioniert, das stellten Niklas Schwichtenberg von der ElectroFleet GmbH und Jörg Hübener von der Wellergruppe Holding SE & Co. KG aus Osnabrück vor. Electrofleet realisiere auf dem Gelände der Weller-Gruppe Photovoltaikanlagen in Kombination mit Speichern, um dem Unternehmen günstigen und nachhaltigen Strom anzubieten. Die Partnerschaft sei ein Gewinn für beide Seiten, so Hübener.
Für Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Energie, bleibt das Thema PPA oben auf der Tagesordnung. „Auf der einen Seite werden wir das Thema weiter gegenüber der Politik platzieren: Die Netzentgelte sind viel zu hoch. Das macht auch PPAs in Teilen unattraktiv. Hier muss die Bundesregierung Entlastung schaffen, vor allem, wenn Stromerzeugung und Nutzung in der gleichen Region sind. Solche Konzepte entlasten das Netz. Auf der anderen Seite wollen wir unsere Mitgliedsunternehmen unterstützen. Die große Verfügbarkeit Erneuerbarer Energien ist unser Standortvorteil.“

Innovationen benötigen Kreativität und Akzeptanz

„Spätschicht: Industrie!“ von IHK und IAV bei Reinert-Ritz in Nordhorn
„Wichtig ist mir, in jeder Idee und Neuerung ein Potential zur Verbesserung des Kundennutzens zu erkennen. Dafür ist es elementar, kreative Mitarbeiter und neue Denkweisen zu entwickeln, um vertrauensvoll am Kunden und präzise in der Umsetzung zu arbeiten“, erklärte Malte Ritz, Geschäftsführer der Reinert-Ritz GmbH in Nordhorn, zum Auftakt der 24. „Spätschicht: Industrie!“, zu der die IHK und der Industrielle Arbeitgeberverband (IAV) Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim gemeinsam in das familiengeführte Unternehmen eingeladen hatten.
Diese Innovationskultur sei der Erfolgsfaktor für das kontinuierliche Wachstum des Unternehmens: „Innovationen von morgen entstehen auch durch Irrtümer von heute. Das braucht eine Kultur für Kreativität und Akzeptanz für Verbesserungsvorschläge, in der wir auch aus Fehlern lernen und uns ständig weiterentwickeln“, verdeutlichte Malte Ritz und gab mehrere Beispiele für so entstandene Produktentwicklungen. Gerade für Spezialanwendungen sei das Unternehmen international geschätzt. Große Herausforderungen für die Industrie bestünden vor allem darin, dass immer mehr Marge für Digitalisierung und Softwarelösungen erwirtschaftet werden müsse. Auch überbordende bürokratische Vorgaben, wie beispielsweise bei der Normierung, würden Innovationen ausbremsen, so Ritz.
Das 1970 zunächst als Ingenieurbüro gegründete und 1992 ins Gewerbegebiet Klausheide-Ost übergesiedelte familiengeführte Unternehmen mit Hauptsitz und Produktionsstandort in Nordhorn entwickelt, produziert und vertreibt unter Hitze form- und schweißbare Teile für den Kunststoffrohrleitungsbau in dritter Generation. Die Formteile werden in Druckrohrsystemen in der Gasversorgung, für die Wasserver- und -entsorgung sowie in Anlagen der chemischen Industrie eingesetzt. Die Lieferungen erfolgen weltweit, wobei den ausländischen Märkten eine große Bedeutung zukommt. Der Materialbezug, insbesondere von Kunststoffen und Zukaufteilen, erfolgt im Wesentlichen von verschiedenen in der Europäischen Union ansässigen Lieferanten.
Die „Spätschicht: Industrie!“ ist Teil der Kampagne „Industrie ist Zukunft“, mit der IAV und IHK seit 2013 die Bedeutung der Industrie und ihre Leistungen hervorheben. „Unsere ,Spätschichten‘ zeigen, dass Industrieunternehmen hochwertige Arbeitsplätze schaffen und überdurchschnittliches Einkommen sichern. Die Gastgeber bieten Gelegenheit zum Blick hinter die Kulissen, deren Produkte oftmals unbekannt sind, aber täglich hohen Nutzen stiften“, betonten IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Energie, Anke Schweda, und die stellvertretende IAV-Hauptgeschäftsführerin Sabine Stöhr. Die nächste „Spätschicht Industrie“ findet am 13. Juni 2023 bei den Westland Gummiwerken GmbH& Co. KG in Melle statt.

Wettbewerbsfähige Strompreise sicherstellen IHK-Fachausschuss Industrie und Umwelt tagt bei der KME

„Seit mehr als einem halben Jahr diskutiert die Bundesregierung ohne Erfolg über notwendige Maßnahmen für den Erhalt der energieintensiven Industrie. Deutsche Unternehmen zahlen einen vielfach höheren Strompreis als Wettbewerber in Frankreich, China oder den USA. Der Ausbau von Energieangebot und -infrastruktur muss daher dringend beschleunigt und ein wettbewerbsfähiger Preis dauerhaft sichergestellt werden.“ Dies erklärte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des IHK-Fachausschusses für Industrie und Umwelt, in der Sitzung bei der KME Germany GmbH in Osnabrück.
Während die Wirtschaft auf eine Entscheidung immer länger warte, gehe die Produktion in Deutschland spürbar zurück. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft droht durch die Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland dauerhaften Schaden zu nehmen. Die Unternehmen aller Branchen brauchen finanzielle Spielräume für Investitionen und um die politisch eingeleitete Transformation zur Klimaneutralität umzusetzen. Es bedarf daher dringend einer Entlastung aller Unternehmen.
Das Ende Juni 2023 entwickelte Konzept der DIHK „StromPartnerschaft“ stellt einen Fahrplan dar, wie dieses Ziel nachhaltig erreicht werden kann“, erklärte Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin für Innovation und Energie.
Die aktuellen Schwierigkeiten eines energieintensiven Unternehmens verdeutlichte Markus Sahner, Werkleiter der KME Germany GmbH. Das Unternehmen stellt mit rund 800 Mitarbeitern Halbzeuge und Fertigerzeugnisse aus Kupfer und Kupferlegierungen her. Dafür benötigt es große Mengen Erdgas und Strom zum Schmelzen, Raffinieren, Gießen, Glühen und Walzen von Kupfer. Die nationalen Energiekosten seien daher entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Osnabrück. Der Erhalt des Standortes sei auch gesamtgesellschaftlich wichtig, denn: „Kupfer ist für das Gelingen der Energiewende und für unsere technologische Zukunft, z. B. in der Raumfahrt oder dem Mobilfunk, ein entscheidender Werkstoff. Für die Produktion eines Elektroautos z. B. wird rund dreimal so viel Kupfer benötigt als bei einem Verbrenner“, erklärte Sahner.
Die Belastung des Unternehmens bezifferte Wolfgang zur Stadt, Head of General Procurement, KME Germany GmbH: „Der Energieeinsatz, um eine Tonne Kupfer zu schmelzen, ist überall gleich. Aktuell liegen die Marktpreise in Deutschland für Strom rund 52 und für Erdgas sogar 94 Prozent über dem Preis von vor zwei Jahren. Dies führt allein bei uns zu jährlichen Kostenmehrbelastungen in zweistelliger Millionenhöhe.“ Zudem fehle es an Planungssicherheit. Je nach angelegter Definition werde KME – trotz einem Gesamtenergiebedarf von mehr als 500.000 MWh pro Jahr – nicht als energieintensiv eingestuft, weil wegen der hohen Kupferpreise der Energieanteil am Umsatz zu gering ausfalle. Insofern seien Entlastungen dringend erforderlich.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Industrie und Umwelt trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.

Funktionierende Lieferketten sind lebenswichtig für die regionale Wirtschaft

„Spätschicht: Industrie!“ von IHK und IAV bei Koch International
Störungen in den internationalen Lieferketten stehen seit der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine besonders im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Diese gab es allerdings schon vorher. Denn unabhängig von den Krisen hat der Arbeitskräftemangel immer wieder zu Produktions- und Lieferengpässen geführt. Eine der ersten davon betroffenen Branchen war die Logistik. „Sichere Lieferketten wird es nur geben, wenn wir über Lösungen für den Arbeitskräftemangel, insbesondere das Fahrerproblem, in der Logistik sprechen und das Thema gemeinsam mit den Verladern und der Politik angehen. Es braucht dringend mehr Arbeitskräfte mit Fahrerlaubnis. Dafür sind veränderte Zugangsvoraussetzungen, etwa Ausbildung und Sozialstandards für internationale Fahrer, zu schaffen“, erklärte Uwe Fieselmann, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Koch International, auf der „Spätschicht: Industrie!“, zu der das Unternehmen jetzt nach Osnabrück eingeladen hatte.
Die Pandemie und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hätten die Verwerfungen in den Lieferketten dann noch verschärft. Insbesondere die Anforderungen der See- und Luftfracht seien um ein Vielfaches gestiegen, so der Logistikexperte. Die Verfügbarkeit und Pünktlichkeit von Flugzeugen und Schiffen sei ungewiss geworden. Die Koordination erfordere deutlich mehr Aufwand. Daher könne man heute nicht mehr davon ausgehen, dass Waren und Verkehrsmittel zu einem bestimmten Zeitpunkt am gewünschten Ort seien.
„Das Management von Waren- und Informationsflüssen und der Transport von Gütern und ihre Lagerung erfüllen sehr wichtige Wirtschaftsfunktionen für unsere Region. Diese Versorgung ist für Industrie und Gewerbe und damit für das tägliche Auskommen der Gesellschaft mit Gütern und Waren lebenswichtig. Hocheffiziente und innovative Logistik steigert darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Außenhandel“, beschrieb Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, die Bedeutung der Branche. Voraussetzung für dieses Zusammenspiel sei eine leistungsfähige Infrastruktur auf Straße, Schiene, zu Wasser und in der Luft. Diese Infrastrukturen zu erhalten und zu verbessern, sei Aufgabe der Politik, um Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze zu erhalten, so Schweda weiter.
Einblicke in die komplexen Prozesse eines internationalen Logistikunternehmens erhielten die rund 30 Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik bei dem anschließenden Rundgang durch das Unternehmen. Technologisch ist das Logistikzentrum von Koch International hochmodern. So bewegt die 370 Meter lange Unterflurkette des Umschlaglagers vollautomatisch und zielgenau bis zu 650 Paletten pro Stunde. Eingebaute Messbögen und Waagen liefern exakte Angaben zu Gewicht und Volumen der Ware. Beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer auch von der Lagertechnik mit kombinierten Breitgang- und Schmalganglager.
„Mit dieser außergewöhnlichen Spätschicht ist uns gelungen, die Leistungen der Unternehmen stärker in den Blickpunkt wichtiger Multiplikatoren zu rücken“, hob Bernadette Grabowski, Referentin für Presse-, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit beim IAV hervor.
Die „Spätschicht“ ist Teil der Kampagne „Industrie ist Zukunft“, mit der der Industrielle Arbeitgeberverband (IAV) und die IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim seit 2013 die wichtige Rolle der Industrie in der Region verdeutlichen. Im September wird im Rahmen der Kampagne „Industrie ist Zukunft“ wieder der Industrie-Dialog mit dem Titel „Transformation in der Industrie: Digitalisierung, Ressourceneffizienz und Green-Deal“, stattfinden. Gastgeber wird am 20. September 2022 die Neuenhauser Gruppe SE & Co. KGaA in der Grafschaft Bentheim sein.

Energiewende braucht Turbo im Planungs- und Genehmigungsrecht Energieexperte zu Gast im Industrie- und Umweltausschuss

„Für eine klimaneutrale Industrie braucht es einen schnellen und massiven Ausbau von Energieangebot und -infrastruktur. Dafür müssen von der Wirtschaft in diesem Jahrzehnt im großen Umfang Gebäude, Industrieanlagen oder Energieleitungen neu gebaut, erweitert oder modernisiert werden. Ohne einen Turbo im Planungs- und Genehmigungsrecht, der diese Vorhaben beschleunigt und vereinfacht, wird es nicht funktionieren“, betonte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des IHK-Fachausschusses für Industrie und Umwelt, bei der Sitzung in Osnabrück.
„Das Energiesystem der Zukunft wird zunehmend elektrisch sein. In der Industrie werden zudem große Mengen grünen Wasserstoffs benötigt, die überwiegend importiert werden müssen. Wasserstoff ist für viele Industrieprozesse alternativlos. Zunächst werden die Preise dafür aber hoch sein. Andere Bereiche – wie der Verkehr – kommen als Abnehmer erst dazu, wenn die Preise deutlich günstiger werden. Daher müssen wir jetzt mit dem Hochskalieren beginnen“, so Prof. Dr. Andreas Löschel, Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, der als Gast im IHK-Fachausschuss vortrug. Er sprach sich für die Beibehaltung eines marktwirtschaftlichen Strommarktes aus. Für den notwendigen günstigen grünen Strom seien mehr Erneuerbare und der rasche Ausbau des europäischen Stromnetzes unerlässlich. Bisherige Diskussionen um die Beschleunigung der Energiewende seien jedoch ernüchternd. „Der Umbau der Energieversorgung braucht mehr Tempo und weniger Bürokratie. Um keine falschen Erwartungen zu wecken: Er wird teuer und es gibt keine einfache Lösung. Wir müssen die Nachfrage flexibilisieren und die Resilienz erhöhen, in dem wir bereit sind, Marktmechanismen zuzulassen“, so der Energieexperte.
In der anschließenden Diskussion machten die Ausschussmitglieder deutlich, dass der Bürokratieabbau und der Hochlauf von Wasserstoff für den industriellen Maßstab die drängendsten Probleme seien, die politisch flankiert werden müssten. „89 Prozent der Industrieunternehmen investieren bereits in den eigenen Ausbau von Erneuerbaren Energien oder planen dies in Zukunft. Das ist ein wichtiger Baustein zum Gelingen der Transformation. Dafür sind die politischen Rahmenbedingungen jetzt schnell und klug zu setzen“, forderte Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin für Standortentwicklung, Innovation und Energie, mit Blick auf die aktuelle IHK-Umfrage zur Energieversorgung. „Über allem steht, dass so schnell wie möglich wieder Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen hergestellt wird. Mehrkosten für unsere Industrie müssen verhindert bzw. abgebaut werden. Hierfür sollten insbesondere die Strom- und Energiesteuern auf die EU-Mindestsätze gesenkt werden“, forderte Schweda weiter. Außerdem sei es für die in ihrer Existenz bedrohten kleinen und mittleren Unternehmen aller Branchen kurzfristig wichtig, dass die ‚Wirtschaftshilfe KMU Niedersachsen‘ schnell und unbürokratisch ankomme.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Industrie und Umwelt trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.

Regionale Industrie braucht stabile Energiepreise

„Die Wirtschaft braucht schnelle und unkomplizierte Entscheidungen, um die Energiekrise zu überstehen. Die Vorschläge der Gaskommission ist immerhin für die industriellen Gasverbraucher unserer Region ein erstes wichtiges Signal zur Stabilisierung der Energiekosten. Darüber hinaus braucht es eine deutliche Angebotserweiterung aller Energieträger. Nur so können Preise dauerhaft gesenkt und Importabhängigkeiten reduziert werden“, erklärte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des Fachausschusses für Industrie und Umwelt der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim bei der Sitzung bei der Spieß Kunststoffe GmbH in Melle. Die Industrie werde laut Kommissionsvorschlag ab Januar mit einem reinen Beschaffungspreis von 7 ct/kWh für 70 Prozent des Verbrauchs arbeiten können. „Damit gibt es nach den extremen Energiepreissteigerungen der vergangenen Monate eine gewisse Planungssicherheit, um Produktionsstilllegungen und Geschäftsaufgaben zu verhindern.
Mit der Gaspreisbremse wird den Unternehmen eine klare Perspektive in der Energiekrise gegeben. „Der festgesetzte Preis für die Industrie liegt aber deutlich über dem langjährigen Durchschnitt, sodass wir uns an ein „New Normal“ gewöhnen müssen. Das bedeutet auf absehbare Zeit Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu anderen Weltregionen, die günstigen Zugang zu Energieträgern wie etwa LNG haben“, erläuterte Dr. Ulrike Beland, Referatsleiterin Ökonomische Fragen der Energie- und Klimapolitik beim DIHK in Berlin.
Die Deindustrialisierung werde durch die Energiekrise zunehmend Realität. Alarmierend sei, dass 36 % der Industrieunternehmen über ein erhöhtes Insolvenzrisiko berichten und 20 % bereits ihre Produktion einschränken. „Dass darüber hinaus jedes fünfte Industrieunternehmen der Region die Verlagerung von Kapazität ins Ausland erwägt, ist ein besorgniserregender Indikator für Deindustrialisierung“, ergänzte Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin für Standortentwicklung, Innovation und Umwelt, aus einer aktuellen IHK-Umfrage. Dramatisch sei, dass die extremen Preissteigerungen die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite treffen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit ganzer Wirtschaftszweige gefährden, nicht zuletzt auch über die gestörten Lieferketten. Damit es nicht zu Unternehmensschließungen aufgrund der Einstellung der Energiebelieferung durch den Versorger kommt, muss die Bundesregierung nun schnell das Recht auf Ersatzversorgung ausweiten.
Wie Unternehmen aus der Region weg vom Gas in eine sichere, klimaneutrale und konkurrenzfähige Energieversorgung gelangen können, stellte Prof. Dr.-Ing Anne Schierenbeck von der Hochschule Osnabrück vor: „Die Strategie, nicht nur für die energieintensive Industrie, besteht aus dem Dreiklang: Einsatz Erneuerbare-Energien, Verbesserung von Material- und Energieeffizienz und Integration der Kreislaufwirtschaft entlang der Wertschöpfungskette.“ Wesentlich verändert habe sich gegenüber den letzten Jahren, dass durch die gestiegenen Energiepreise aktuell fast alle Energieeffizienzmaßnahmen wirtschaftlich sind. Herausforderung seien jedoch die Genehmigungsdauern und die Verfügbarkeit der benötigten Komponenten. Als Empfehlung aus einer aktuellen Untersuchung ergibt sich für die Unternehmen, so Schierenbeck, die Erzeugung von Niedertemperaturwärme durch Wärmepumpen, Eigenerzeugung durch Photovoltaik und die Bereitstellung von Hochtemperatur durch eine Mischung verschiedener Technologien wie Biomasse und Power-to-Heat. In fünf bis zehn Jahren werde hier auch grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Industrie und Umwelt trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.

Zukunft der Industrie: Wettbewerbsfähigkeit erhalten! Achter Industriedialog von IAV und IHK fand in Neuenhaus statt

Digitalisierung, Ressourceneffizienz, Green Deal - beim achten Industriedialog des Industriellen Arbeitgeberverbands (IAV) und der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim richteten mehr als 60 Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik ihren Blick auf die Transformation in der Industrie und deren Auswirkungen auf den regionalen Wirtschaftsstandort. Passend zum Thema gewährte die Neuenhauser Gruppe SE & Co. KGaA einen Blick in die Fertigung von fortschrittlichen und ressourcenschonenden Maschinen und Komponenten.
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"Die Industrie in unserer Region ist erfolgreicher als andere Wirtschaftsregionen. Im Jahr 2021 lag der Umsatz der regionalen Industrie bei 30 Milliarden Euro. Dies ist ein Anteil von 15 Prozent am Gesamtumsatz der Industrie in Niedersachsen", hob IHK-Vizepräsident Hendrik Kampmann hervor. Allerdings ist dieser Erfolg der Industrie bedroht und die Unternehmen sind alarmiert. "Für 87 Prozent unserer Industrieunternehmen sind die extrem steigenden Energie- und Rohstoffpreise das Geschäftsrisiko Nummer eins", beschrieb Kampmann die aktuelle Situation und forderte daher ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft sowie die Harmonisierung bei den ambitionierten Klimazielen, welche in Deutschland deutlich über dem europäischen Niveau liegen.
IAV-Vorsitzender Olaf Piepenbrock mahnte zu den Herausforderungen der Industrie: "Als eine exportabhängige Volkswirtschaft droht Deutschland durch die pandemiebedingten erheblich gestörten Lieferketten sowie durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine eine Rezession bei gleichzeitig hoher Inflation. Dieses bedeutet einen enormen Wohlstandsverlust. Die drastisch gestiegenen Preise für Öl, Gas und Strom stellen die Unternehmen und die Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Setzt sich der Preisanstieg fort, drohen der deutschen Wirtschaft düstere Aussichten." Piepenbrock mahnte zudem an, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankommen müsse. Derzeit gäbe es in Deutschland unzählige Photovoltaik-Anlagen, die zwar fertig auf Freiflächen oder Dächern stünden, aber monatelang nicht an das Netz gehen könnten, weil eine Zertifizierung fehle. "Dass wir uns in der derzeitigen Situation zusätzlich den Luxus leisten, sichere Kernenergie im Energiemix für eine mittelfristige Überbrückung außer Betracht zu lassen, ist verantwortungslos und der grünen Ideologie geschuldet. Wir müssen angesichts der politischen Situation und des nahenden Winters jetzt alle verfügbaren Ressourcen in unsere Energieversorgung einbeziehen und auch akzeptieren, dass die Gasverstromung in absehbarer Zeit eine wertvolle Ressourcenverschwendung ist", so der IAV-Vorsitzende.
"Für die Zukunft des industriellen Mittelstands müssen jetzt dringend alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit bei den Energiepreisen herzustellen und einen Bürokratieabbau herbeizuführen. Daran entscheidet sich die Zukunft der Industrie in der Wirtschaftsregion", appellierten IHK-Vizepräsident Hendrik Kampmann und IAV-Vorsitzender Olaf Piepenbrock.
Lutz Wolf, Vorstandsvorsitzender der Neuenhauser Gruppe SE & Co. KGaA, forderte schnellen Bürokratieabbau: "Übertriebene Vorschriften verhindern unternehmerisches Engagement, ersticken gute Ideen und binden unnötig Ressourcen. Gerade in dieser herausfordernden Zeit brauchen wir mehr pragmatisches Denken und Handeln."
Im Dialog mit regionalen Wirtschaftsvertretern wurde deutlich, dass konsequente Digitalisierung und Steigerung der Ressourceneffizienz Chancen bieten, die aufziehende Wirtschaftskrise in Deutschland zu bewältigen. Deutschland ist Weltmarktführer für Umwelttechnologien. Dieses Pfund muss jetzt genutzt werden, um die Energiewende und den Green Deal konstruktiv zu gestalten. Das Credo: Industrie ist und möchte Teil der Lösung sein.
Der Industriedialog ist Teil der Kampagne "Industrie ist Zukunft" mit der IAV und IHK seit 2013 die wichtige Rolle der Industrie für den Wohlstand des Wirtschaftsraums Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim verdeutlichen. Mit der Kampagne werden die Unternehmen bei der Bewältigung der Herausforderungen am Standort unterstützt.

Clean Industrial Deal

Am 26. Februar hat die EU-Kommission den sog. Deal für eine saubere Industrie (CID – Clean Industrial Deal) vorgestellt. Der CID kündigt zahlreiche Maßnahmen an, die die Wettbewerbsfähigkeit und die Dekarbonisierung der EU zusammenführen sollen. Ziele sind die Beschleunigung von Dekarbonisierung, Reindustrialisierung und Innovation.
Der Clean Industrial Deal schließt an vergangene Mitteilungen der Kommission an, wie dem Wettbewerbsfähigkeitskompass und dem Arbeitsprogramm der Kommission für 2025. Zusammengenommen ergibt sich ein konkreteres Bild über welche Maßnahmen und in welcher zeitlichen Abfolge die Kommission die Ziele des Grünen Deals der vergangenen Legislaturperiode mit der Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit vereinbaren möchte.
Die Strategie ist unterteilt in sechs zentrale Handlungsfelder, plus sektorspezifische Maßnahmen.

Bezahlbare Energie

Das Kapitel zu bezahlbarer Energie setzt sich aus drei thematischen Handlungsfeldern zusammen: der Senkung von Energiekosten (1), Beschleunigung des Ausbaus sauberer Energien (inkl. Kernkraft) sowie europäischer Fertigung von Netto-Null-Technologien (2) und der Sicherstellung gut funktionierender Gasmärkte (3). Unter dem ersten Aspekt ist der CID stark mit dem Aktionsplan für bezahlbare Energie verknüpft, der zeitgleich veröffentlicht wurde. Konkrete Maßnahmen sind zudem ein EIB-Garantieprogramm zur Förderung von Power Purchase Agreements (PPA, Q2 2025), legislative Vorschläge zur Gasspeicherungsverordnung, die auf eine Flexibilisierung ausgerichtet werden könnten (Q1 2025), die Überarbeitung des staatlichen Beihilferahmens (Q2 2025) und Empfehlungen (Q2 2025) als auch ggf. neue Regulationsansätze (Q1 2026) für Übertragungs- und Verteilernetze und grenzübergreifende Interkonnektoren. Diese könnten den Netzausbau und Netzentgelte adressieren. Zudem sollen weiterhin Planungs- und Genehmigungsverfahren für die industrielle Dekarboniserung im Rahmen eines „Industrial Decarbonisation Accelerator Acts“ (IDA) in Q4 2025 vereinfacht werden. Des Weiteren wird der Rat aufgefordert, den bereits im Jahr 2021 vorgestellten Vorschlag zur Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie (Energy Taxation Directive, ETD) schnellstmöglich zu beschließen. Die Kommission kündigt eine Empfehlung für das laufende Jahr an, wie die Staaten Steuersätze senken können, ohne ihre Budgets übermäßig zu belasten.

Leitmärkte, Wasserstoff und Carbon Management

Die Kommission schlägt vor, Märkte für grüne Produkte zu schaffen, um die Anreize für klimaneutrale Investitionen zu erhöhen. Auf diese Weise möchte sie die Transformation der Grundstoffindustrie fördern. Explizit erwähnt werden die Stahl- und Zementindustrie. Im Rahmen des neuen Gesetzes zur Beschleunigung der industriellen Dekarbonisierung (IDA), vorgesehen für Q4 2025, sollen nichtpreisliche Kriterien wie Klimaneutralität von Produkten in die öffentliche Beschaffung eingeführt werden. In diesem Zuge wird die Kommission laut CID prüfen, nichtpreisliche Kriterien auch in einschlägige Produktvorschriften aufzunehmen. Im Rahmen des neuen Gesetzes möchte die Kommission auch ein freiwilliges Label für die Kohlenstoffintensität von Industrieprodukten entwickeln. Ziel sei außerdem die Vereinfachung und Harmonisierung von Kohlenstoffbilanzierungsmethoden. Um bei den Regeln zur Produktion von kohlenstoffarmem Wasserstoff für Klarheit zu sorgen, soll noch in Q1 2025 ein delegierter Rechtsakt veröffentlicht werden. Darüber hinaus strebt die Kommission einen dritten Aufruf unter der Wasserstoffbank in Q3 2025 und die Implementierung einer Carbon Management Strategie an.

Finanzierung (öffentliche und private Investitionen) und Steuern

Mit Ausnahme einer Garantie in Höhe von 1 Mrd. Euro aus dem bestehenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) setzt die Kommission ganz überwiegend darauf, Synergien in bestehenden Programmen und Finanzierungsinstrumenten (Innovationsfonds, EFSI, InvestEU u. a.) zu heben und zu hebeln.
In dem Paket gibt es auch einige kürzere Aussagen zur Steuerpolitik: Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedstaaten vor, Unternehmen durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in klimafreundliche Technologien (degressive Absetzung für Abnutzung oder AfA) zu unterstützen. Außerdem schlägt sie Steuergutschriften für Unternehmen vor, die in Wirtschaftszweigen tätig sind, die für den Übergang zur Klimaneutralität als wesentlich angesehen werden. Eine entsprechende Empfehlung zu steuerlichen Anreizen soll im 2. Quartal 2025 auf den Weg gebracht werden.
Sowohl das Beihilferecht als auch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) sollen überarbeitet werden. Für das vierte Quartal 2026 ist eine Initiative angekündigt, welche den Wiederverkauf von gebrauchten Waren mit den Mitteln des Mehrwertsteuerrechts fördern will.

Kreislaufwirtschaft und Zugang zu Rohstoffen

Die EU setzt verstärkt auf die Sicherung kritischer Rohstoffe und die Förderung der Kreislaufwirtschaft, um ihre Abhängigkeiten zu reduzieren. Durch eine Bündelung der Nachfrage europäischer Unternehmen im Rahmen eines EU-Zentrums für kritische Rohstoffe sollen, laut Kommission, bessere Preise und stabile Lieferketten gewährleistet werden. Zudem plant die Kommission ein Circular Economy Act für 2026, um die Wiederverwertung knapper Materialien zu beschleunigen. Das Ziel ist, bis 2030 einen Anteil von 24 Prozent an zirkulären Materialien zu erreichen und so Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit und hochwertige Arbeitsplätze zu fördern. Die Maßnahmen des Gesetzes sollen die Öko-Design Verordnung ergänzen und deren Umsetzung unterstützen.

Globale Märkte und internationale Partnerschaften

Die EU schlägt vor, sogenannte Clean Trade Investment Partnerschaften (CTIPs) einzuführen, welche herkömmliche (Frei-) Handelsabkommen ergänzen bzw. den Weg dahin ebnen sollen. Ziele und Bestandteile sind wie folgt beschrieben: CTIPs sollen die strategische Position der EU in globalen Wertschöpfungsketten stärken, Abhängigkeiten verringern und den Zugang zu Rohstoffen, sauberer Energie und Technologien verbessern. Dazu sollen sie regulatorische Zusammenarbeit verbessern sowie finanzielle Unterstützung und Investitionen bündeln, um nachhaltige Wertschöpfungsketten zu fördern und internationale Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen zu schaffen. Durch Investitionen via Global Gateway und dem “Team-Europe-Ansatz" (Zusammenarbeit EU und Mitgliedstaaten) sollen öffentliche und private Mittel kombiniert werden, um gezielt Projekte für den grünen Wandel zu realisieren. Zudem sollen einheitliche Standards und Vorschriften in den Partnerländern die Einführung sauberer Technologien, die Dekarbonisierung und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unterstützen.
Der CID sieht auch die Verbesserung des CBAMs (Carbon Border Adjustment Mechanism) vor. Der Mechanismus soll vereinfacht und überprüft werden.
Vor dem Hintergrund industrie- und handelspolitischer Spannungen mit Drittstaaten unterstreicht die Kommission den Einsatz von handelspolitischen Schutzmaßnahmen, wenn nötig. Explizite Erwähnung in der Mitteilung finden die geplante Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI-Screening Regulation) und die existierende Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (FSR-Regulation).

Skills

Der CID verweist in Sachen Kompetenzen in erster Linie auf die Union of Skills, die am 5. März vorgestellt wurden. Diese stellt die Leitinitiative der Kommission im Bereich Bildung und Fachkräftesicherung dar und soll neben anderen Bereichen auch die Industrie dabei unterstützen, über die nötigen Fachkräfte im Bereich der sauberen Technologien zu verfügen. Bedeutendste Einzelmaßnahme innerhalb der Union of Skills ist eine Skills Portability Initiative, welche die Anrechnung von Kompetenzen und Qualifikationen in anderen EU-Staaten erleichtern soll. Flankiert wird dieser horizontale Plan von sektoriellen Initiativen, für die Gelder aus Erasmus+ verwendet werden sollen. Zudem soll geprüft werden, wie im Zuge der Reform des Beihilferechts sowie bei der öffentlichen Beschaffung Anreize für die betriebliche Aus- und Weiterbildung geschaffen werden können.
Um Arbeitnehmer bei den bevorstehenden Umbrüchen in der Arbeitswelt nicht zu kurz kommen zu lassen, soll Ende 2025 in einer Quality Jobs Roadmap dargelegt werden, wie faire Arbeitsbedingungen, der Zugang zu Weiterqualifizierung sowie gerechte berufliche Übergänge ermöglicht werden können.

Sektorspezifische Maßnahmen

Neben den sechs Handlungsfeldern möchte die Kommission weitere Initiativen starten, darunter ein „Industrial Action Plan“ für die Automobilindustrie (Veröffentlichung laut CID am 5. März), ein „Action Plan“ für die Stahl- und Metallindustrie (Branchendialog beginnt am 4. März), sowie ein Paket für die Chemieindustrie (später im Jahr 2025) und ein „Sustainable Transport Investment Plan“.

Förderprogramm: Disruptive Ansätze zur industriellen Nutzung von CO2

Das Förderprogramm

Ziel der Fördermaßnahme ist es, neuartige Ansätze für die Umwandlung von CO2 aus industriellen Punktquellen oder der Atmosphäre untersuchen zu lassen, die entweder bereits bekannte Drop-in Lösungen wesentlich effizienter machen oder völlig neue Produkte und Märkte anvisieren.
Diese Ansätze sollen so weit wie möglich für einen industriellen Einsatz vorbereitet werden. Daher ist eine Förderung bis zum Einsatz in einer Demonstrationsanlage möglich.
Mögliche Produkte, Prozesse oder Fragestellungen umfassen:
  • Kunststoffe und deren Monomere
  • Fein- und Plattformchemikalien
  • Synthesegas, weitere Olefine, Kraftstoffe, Harnstoff;
  • Mineralisierungsprodukte
  • die Identifikation, Analyse und Optimierung neuer Katalysatoren (photo-, photo-elektro-, organokatalysiert) oder Katalysator-Systeme
  • neue Verfahren zur CO2-Nutzung durch alternative Energiebereitstellung mittels Laser, Plasma oder der Sonne, elektrochemische Verfahren, solarthermische Verfahren und weitere
  • neuartige Ansätze, die Direct Air Capture- (DAC) und CCU-Anlagen koppeln wollen
  • Hebung von Synergien zwischen CCU-Ansätzen und der Kohlenstoffbereitstellung durch Recycling
  • Vorschläge für eine besonders flächensparende, integrierte Herstellung von Chemikalien

Wer ist antragsberechtigt?

Antragsberechtigt sind Einzelvorhaben oder Verbünde, bestehend aus Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Großunternehmen, kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), Gebietskörperschaften oder Nichtregierungsorganisationen. Die Antragstellung durch KMU und Start-ups wird ausdrücklich begrüßt.
Die Zuwendungen werden im Wege der Projektförderung als nicht rückzahlbarer Zuschüsse (für eine Laufzeit von bis zu drei Jahren) gewährt.
In der ersten Verfahrensstufe ist dem Projektträger Jülich (PtJ) bis spätestens zum Stichtag 30. April 2025 zunächst eine maximal zwölfseitige Projektskizze durch die vorgesehene Projekt- beziehungsweise Verbundkoordination über das elektronische Antragssystem „easy-Online“ zu erstellen und vorzulegen. Die formalen und inhaltlichen Anforderungen an eine Projektskizze und die Kriterien, nach denen sie bewertet werden, sind in der Richtlinie beschrieben.

Bekanntmachung vom 24. Jan 2025

IHK veröffentlicht Liste der größten Arbeitgeber im IHK-Bezirk

Die IHK hat die größten Arbeitgeber aus Industrie, Handel, Verkehr und Dienstleistung in der Wirtschaftsregion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim ermittelt. „Mit der Veröffentlichung möchten wir die Öffentlichkeit auf die große Anzahl von beschäftigungsstarken Unternehmen in unserer Region aufmerksam machen. Diese Unternehmen sind nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Sie bieten gleichzeitig vielen tausend Familien eine wirtschaftliche Grundlage“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf.
Die Liste enthält gewerbliche Unternehmen, die mindestens 500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im IHK-Bezirk haben. (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 703 KB)Das sind derzeit 62 Unternehmen, die in Summe rund 75.000 Mitarbeiter beschäftigen. Hohe Beschäftigtenzahlen finden sich vor allem im Dienstleistungssektor mit den Bereichen Gesundheits-, Sozial-, Finanz- und Kreditwesen, im Fahrzeug- und Maschinenbau, in der Metallverarbeitung, im Logistik-/Transportgewerbe sowie in der Herstellung von Lebensmitteln, Papier und Kunststoffprodukten.
Wie schon in der letzten IHK-Zusammenstellung im Jahr 2021 kommen zwei der drei mitarbeiterstärksten Unternehmen in der Liste aus der Gesundheitswirtschaft: die Niels-Stensen-Kliniken und das Klinikum Osnabrück. Größter industrieller Arbeitgeber ist die Krone Gruppe (Spelle/Werlte, Fahrzeug-/Maschinenbau).

Statement von IHK-Geschäftsbereichsleiterin Anke Schweda zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes

Zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes erklärt IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Energie, Anke Schweda:
Statement von Anke Schweda, Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Energie, zur Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetztes:
„Die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist ein richtiger und lange überfälliger Schritt, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Endlich können Industrieunternehmen Anträge digital einreichen. Außerdem werden die Fristen für den Beginn der Genehmigungsverfahren künftig verbindlicher geregelt. Leider setzt der Gesetzgeber wichtige Maßnahmen aus dem Beschleunigungspakt zwischen Bund und Ländern wie eine Stichtagsregelung erneut nur für Windenergie und Elektrolyseure um. In der Wirtschaftsregion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim planen Unternehmen allerdings nicht nur Windpark- oder Elektrolyseur-Anlagen, sondern auch PV-Parks oder Industrieanlagen. Um auch diesen Vorhaben einen Schub zu geben, sind aber mehr Maßnahmen nötig. Sinnvoll wären beispielsweise einklagbare Stichtage für alle Industrieanlagen oder eine Genehmigungsfiktion: Wenn Anträge innerhalb einer bestimmten Frist nicht abschließend von Behörden bearbeitet werden, gelten sie als genehmigt. Das würde viel mehr Tempo in viele Verfahren bringen.“
Hintergrund:
Der Deutsche Bundestag hat den Änderungsantrag der Regierungskoalition zur Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes beschlossen. Dazu gehört unter anderem eine Stichtagsregelung. Sollten sich innerhalb eines Verfahrens Gesetze und Regelungen ändern, hat das für laufende Verfahren im Bereich Windenergieanlagen keine nachteiligen Auswirkungen. Die Änderungen sehen auch vor, dass Erörterungstermine unter bestimmten Umständen nicht verpflichtend sind. Der Bundesrat muss dem Gesetz im Nachgang zustimmen.
Bereits 2023 hatten Bund und Länder im sogenannten Beschleunigungspakt zahlreiche Maßnahmen beschlossen, mit denen sie das beschworene "Deutschland-Tempo" erreichen wollen. Die aktuelle Novelle gehört dazu. Die IHK-Organisation beobachtet den Umsetzungsgrad der aus Sicht der Wirtschaft wichtigsten gesetzlichen Maßnahmen mit dem DIHK-Beschleunigungsmonitor. Er ist hier aufrufbar: https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/wirtschaftspolitik/dihk-beschleunigungsmonitor

09.07.2024

Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verabschiedet

Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht zugestimmt. Dazu werden neben dem BImSchG auch die 9. BImSchV (Verordnung über das Genehmigungsverfahren) angepasst werden. Die Änderungen werden am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
Die Länder stimmten auch einer vom Umweltausschuss eingebrachten Entschließung zu. Darin fordern sie vom Bund 500 Millionen Euro für zusätzliches Personal in Umweltverwaltungen und loben die für Windenergiemaßnahmen umgesetzten Beschleunigungsmaßnahmen. Dagegen befürchten die Länder, dass „es im Zuge der praktischen Umsetzung der Regelungen zu Auslegungsfragen, Rechtsunsicherheiten, Klageverfahren und damit zumindest zwischenzeitlich verlängerten Genehmigungs- und Umsetzungszeiträumen kommen könnte. Auch Investitionsrisiken und nachträgliche Anordnungen für die Antragsteller sind denkbar.“ Außerdem soll die Novelle bis Herbst 2026 evaluiert werden.
Zahlreiche Bestimmungen zu Genehmigungsverfahren werden erweitert oder konkretisiert. Zentrale Erleichterungen wie die Entscheidungsfrist für Genehmigungsbehörden, ein fakultativer Erörterungstermin oder die Einschränkung der aufschiebenden Wirkung bleiben allerdings auf bestimmte Anlagen beschränkt.
Die wichtigsten Inhalte der Novelle zusammengefasst sind:
Genehmigungsverfahren für alle Anlagenarten
Schutzgut Klima
Das Schutzgut Klimaschutz wird in den Gesetzeszweck (§ 1 BImSchG) aufgenommen werden. Laut Gesetzesbegründung sollen dadurch „auf Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassene Verordnungen auch Regelungen zum Schutz des Klimas enthalten können“.
Vorzeitiger Baubeginn(§ 8a BImSchG)
Bei Änderungsgenehmigungen und Anlagen auf bereits bestehenden Standorten kann die sog. Prognoseentscheidung nach Absatz 1 Satz 1 entfallen. Der Satz drei stellt allerdings wiederum materielle Anforderungen an die beantragte Maßnahme, mit der vorzeitig begonnen werden soll. Da sich die Prognose auf das gesamte Vorhaben bezieht, kann das vorzeitige Maßnahmen erleichtern.
Genehmigungsverfahren (§ 10 BImSchG)
Künftig kann die Behörde einen elektronischen Antrag (Absatz 1) verlangen und das zu verwendende Format vorgeben. Ist ein Zugang für die elektronische Antragstellung eröffnet, ist dieser zu nutzen. Weiterhin kann die Behörde allerdings Unterlagen in Papierform verlangen. Dies allerdings künftig nur, „soweit eine Bearbeitung anders nicht möglich ist.“
Das Auslegen des Antrags und von Antragsunterlagen (Absatz 3) erfolgt künftig „auf einer Internetseite der zuständigen Behörde“. Dem kann jedoch widersprochen werden, wenn der Antragsteller „die Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder wichtiger Sicherheitsbelange befürchtet“.
Bei der Behördenbeteiligung (Absatz 5) müssen eingegangene Stellungnahmen beteiligter Behörde (bspw. Naturschutz-, Bau- oder Gesundheitsämter) künftig unverzüglich an den Antragssteller weitegegeben werden (Satz 2 neu). Beabsichtigt eine beteiligte Behörde keine Zustimmung, hat sie dem Antragssteller die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben (Satz 7). Wie schon bisher muss die Genehmigungsbehörde davon ausgehen, dass sich eine Behörde nicht äußern will, wenn sie innerhalb von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben hat (Satz 3). Außer bei Erneuerbarer-Energien-Anlagen oder Elektrolyseuren mit erneuerbaren Energien können beteiligte Behörden künftig einmalig um Verlängerung dieser Frist um bis zu einem Monat bitten. Für Genehmigungsanträge zu allen Anlagenarten kann die Genehmigungsbehörde stattdessen künftig Sachverständigengutachten auf Kosten der zu beteiligenden Behörde erstellen lassen oder selbst Stellung nehmen (Satz 5). Diese Stellungnahmen sollen als Grundlage die geltende Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Endes der Behördenbeteiligung annehmen. Genehmigungsbehörden müssen zudem ihre Aufsichtsbehörde über jede Überschreitung von Fristen informieren.
Der Erörterungstermin (Absatz 6) kann künftig in Form einer Onlinekonsultation oder durch eine Video- oder Telefonkonferenz erfolgen.
Die Frist zur Entscheidung über einen Genehmigungsantrag (7 Monate für förmliche Verfahren; § 10 Absatz 6a BImSchG) soll künftig nur „einmalig um bis zu“ 3 Monate verlängert werden können. Weitere Verlängerungen sollen nur bei Zustimmung des Antragsstellers zulässig sein. Außerdem muss ihm dies begründet werden. Auch hier ist die Aufsichtsbehörde über jede Fristüberschreitung zu informieren.
Nebenbestimmungen (§ 12 BImSchG)
Nebenbestimmungen sollen künftig leichter geändert werden, wenn der Anlagenbetreiber „andere gleichwertige Maßnahmen vorschlägt, die keiner Genehmigungspflicht“ unterliegen.
Projektmanager (§ 2b 9. BImSchV)
Die bereits heute häufig genutzte Möglichkeit zur Beauftragung eines Projektmanagers soll nun auch gesetzlich festgehalten werden. Dies soll nur auf Antrag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers und auf dessen Kosten möglich sein. Die Verordnung nennt nun eine Reihe von Aufgaben der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten, die dem Projektmanager erlaubt sind.
Prüfung der Vollständigkeit (§ 7 9. BImSchV)
Künftig wird gesetzlich klargestellt, dass die Genehmigungsfrist (7 bzw. 3 Monate) mit Eingang der vollständigen Antragsunterlagen oder mit nach Eingang der erstmal nachgeforderten Unterlagen beginnt. Auch die Vollständigkeit der Unterlagen wird konkretisiert: Sie sind vollständig, wenn sie „in einer Weise prüffähig sind, dass sie sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten, und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag unter Berücksichtigung dieser Vorgaben näher zu prüfen. Fachliche Einwände und Nachfragen stehen der Vollständigkeit nicht entgegen, sofern die betreffende Unterlage eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht.“ Künftig soll die Genehmigungsbehörde den Antragssteller über die Vollständigkeit der Unterlagen mit Datum der Vollständigkeit informieren. Das war bisher nicht die Regel.
Wegfall des Erörterungstermins (§ 16 9. BImSchV)
Die Gründe, weshalb ein Erörterungstermin entfällt, werden um einen weiteren Punkt ergänzt, wenn: „der Vorhabenträger die Durchführung eines Erörterungstermins nicht beantragt und die Genehmigungsbehörde nicht im Einzelfall die Durchführung für geboten hält.“ Der Termin soll spätestens vier Wochen nach Ablauf der Einwendungsfrist stattfinden.
Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Anlagen und grüne Wasserstoff-Elektrolyseure
Genehmigungsverfahren § 10 Absatz 5 BImSchG
Nur für Erneuerbare-Energien-Anlagen oder grüne Wasserstoff-Elektrolyseure müssen Genehmigungsbehörde im Fall des Ausbleibens von Stellungnahmen beteiligter Behörden selbst entschieden (Satz 4). Diese Entscheidung muss auf Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Fristablaufs der Behördenbeteiligung erfolgen. Bisher war diese Regelung auf Erneuerbare-Energien-Anlagen beschränkt, sie wird nun auf Verfahren für Wasserstoffelektrolyseure mit erneuerbaren Energien ausgeweitet.
Repowering (§ 16b BImSchG)
Der Anwendungsbereich der Regelungen zur Erleichterung des Repowerings (§ 16b BImSchG) wird vom 2- auf die 5-fache Gesamthöhe der Neuanlage erhöht. Hier wird u.a. nur eine Deltaprüfung zu den bestehenden Anlagen durchgeführt. In Absatz 7 und 8 werden Typenänderungen stark erleichtert. Zudem können Anträge auch ohne Zustimmung des bisherigen Betreibers gestellt werden.
Erörterungstermin (§ 16 Absatz 1 9. BImSchV)
Der Erörterungstermin soll bei bestimmten Genehmigungsverfahren künftig nur noch auf Antrag des Antragsstellers durchgeführt werden. Dies gilt für: Errichtung oder Änderung von Windenergieanlagen an Land, von Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und von Anlagen zur Speicherung, die im unmittelbar räumlichen Zusammenhang mit Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien stehen.
In § 63 Absatz 2 BImSchG wird der Eilrechtsschutz gestärkt. Für Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gilt eine einheitliche Frist von einem Monat ab Zustellung der Zulassung.

Den Industriestandort Europa stärken

Der Rat "Wettbewerbsfähigkeit" der EU befasste sich in seiner Sitzung am 24. Mai unter anderem mit dem Thema Industriepolitik. Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), nahm dies zum Anlass, auf eine rasche Konkretisierung des "New European Competitiveness Deal" zu drängen.
"Der globale Standortwettbewerb um industrielle Wertschöpfung hat sich zuletzt erheblich verschärft", stellte Treier klar. Neben der digitalen und grünen Transformation seien aus europäischer Sicht hierfür unter anderem die sehr hohen Energiepreise, die Engpässe in den Lieferketten und zunehmende Subventionen in wichtigen weltweiten Produktionsstätten verantwortlich.
"Europa muss sehen, dass es hier nicht den Anschluss verliert", warnte der DIHK-Außenwirtschaftschef. "Für unsere Unternehmen läuten bereits die Alarmglocken: Zwei Drittel der befragten Industriebetriebe gaben im letzten IHK-Unternehmensbarometer an, die EU habe in den letzten fünf Jahren an Standortattraktivität verloren."
Essenzielle Verbesserung der Standortfaktoren vonnöten
Die im April ausgesprochene Forderung der EU-Regierungschefs nach einem Deal für Wettbewerbsfähigkeit müsse daher schnell mit konkreten Maßnahmen ausbuchstabiert werden, mahnte Treier. "Dabei gilt: Eine horizontale Standortpolitik mit den möglichst besten heimischen Standortfaktoren ist die beste Industriepolitik – für ein rundum wettbewerbsfähiges und resilientes Europa."
Essenziell seien aus Sicht der Wirtschaft vor allem ein kohärenter regulatorischer Rahmen, ein leichterer und schnellerer Zugang zu Finanzmitteln, effiziente Genehmigungsverfahren, gut ausgebildete Fachkräfte, Freiraum für erfolgreiche Innovationen, eine ambitionierte Handelspolitik und vor allem weniger Bürokratie sowie erschwingliche Energiepreise. "Nur wenn wir diese Standortfaktoren für alle Unternehmen und Branchen verbessern, können wir Europa langfristig als Industriestandort erhalten und stärken."
Quelle: DIHK, 24.05.2024