Clean Industrial Deal

Am 26. Februar hat die EU-Kommission den sog. Deal für eine saubere Industrie (CID – Clean Industrial Deal) vorgestellt. Der CID kündigt zahlreiche Maßnahmen an, die die Wettbewerbsfähigkeit und die Dekarbonisierung der EU zusammenführen sollen. Ziele sind die Beschleunigung von Dekarbonisierung, Reindustrialisierung und Innovation.
Der Clean Industrial Deal schließt an vergangene Mitteilungen der Kommission an, wie dem Wettbewerbsfähigkeitskompass und dem Arbeitsprogramm der Kommission für 2025. Zusammengenommen ergibt sich ein konkreteres Bild über welche Maßnahmen und in welcher zeitlichen Abfolge die Kommission die Ziele des Grünen Deals der vergangenen Legislaturperiode mit der Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit vereinbaren möchte.
Die Strategie ist unterteilt in sechs zentrale Handlungsfelder, plus sektorspezifische Maßnahmen.

Bezahlbare Energie

Das Kapitel zu bezahlbarer Energie setzt sich aus drei thematischen Handlungsfeldern zusammen: der Senkung von Energiekosten (1), Beschleunigung des Ausbaus sauberer Energien (inkl. Kernkraft) sowie europäischer Fertigung von Netto-Null-Technologien (2) und der Sicherstellung gut funktionierender Gasmärkte (3). Unter dem ersten Aspekt ist der CID stark mit dem Aktionsplan für bezahlbare Energie verknüpft, der zeitgleich veröffentlicht wurde. Konkrete Maßnahmen sind zudem ein EIB-Garantieprogramm zur Förderung von Power Purchase Agreements (PPA, Q2 2025), legislative Vorschläge zur Gasspeicherungsverordnung, die auf eine Flexibilisierung ausgerichtet werden könnten (Q1 2025), die Überarbeitung des staatlichen Beihilferahmens (Q2 2025) und Empfehlungen (Q2 2025) als auch ggf. neue Regulationsansätze (Q1 2026) für Übertragungs- und Verteilernetze und grenzübergreifende Interkonnektoren. Diese könnten den Netzausbau und Netzentgelte adressieren. Zudem sollen weiterhin Planungs- und Genehmigungsverfahren für die industrielle Dekarboniserung im Rahmen eines „Industrial Decarbonisation Accelerator Acts“ (IDA) in Q4 2025 vereinfacht werden. Des Weiteren wird der Rat aufgefordert, den bereits im Jahr 2021 vorgestellten Vorschlag zur Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie (Energy Taxation Directive, ETD) schnellstmöglich zu beschließen. Die Kommission kündigt eine Empfehlung für das laufende Jahr an, wie die Staaten Steuersätze senken können, ohne ihre Budgets übermäßig zu belasten.

Leitmärkte, Wasserstoff und Carbon Management

Die Kommission schlägt vor, Märkte für grüne Produkte zu schaffen, um die Anreize für klimaneutrale Investitionen zu erhöhen. Auf diese Weise möchte sie die Transformation der Grundstoffindustrie fördern. Explizit erwähnt werden die Stahl- und Zementindustrie. Im Rahmen des neuen Gesetzes zur Beschleunigung der industriellen Dekarbonisierung (IDA), vorgesehen für Q4 2025, sollen nichtpreisliche Kriterien wie Klimaneutralität von Produkten in die öffentliche Beschaffung eingeführt werden. In diesem Zuge wird die Kommission laut CID prüfen, nichtpreisliche Kriterien auch in einschlägige Produktvorschriften aufzunehmen. Im Rahmen des neuen Gesetzes möchte die Kommission auch ein freiwilliges Label für die Kohlenstoffintensität von Industrieprodukten entwickeln. Ziel sei außerdem die Vereinfachung und Harmonisierung von Kohlenstoffbilanzierungsmethoden. Um bei den Regeln zur Produktion von kohlenstoffarmem Wasserstoff für Klarheit zu sorgen, soll noch in Q1 2025 ein delegierter Rechtsakt veröffentlicht werden. Darüber hinaus strebt die Kommission einen dritten Aufruf unter der Wasserstoffbank in Q3 2025 und die Implementierung einer Carbon Management Strategie an.

Finanzierung (öffentliche und private Investitionen) und Steuern

Mit Ausnahme einer Garantie in Höhe von 1 Mrd. Euro aus dem bestehenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) setzt die Kommission ganz überwiegend darauf, Synergien in bestehenden Programmen und Finanzierungsinstrumenten (Innovationsfonds, EFSI, InvestEU u. a.) zu heben und zu hebeln.
In dem Paket gibt es auch einige kürzere Aussagen zur Steuerpolitik: Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedstaaten vor, Unternehmen durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in klimafreundliche Technologien (degressive Absetzung für Abnutzung oder AfA) zu unterstützen. Außerdem schlägt sie Steuergutschriften für Unternehmen vor, die in Wirtschaftszweigen tätig sind, die für den Übergang zur Klimaneutralität als wesentlich angesehen werden. Eine entsprechende Empfehlung zu steuerlichen Anreizen soll im 2. Quartal 2025 auf den Weg gebracht werden.
Sowohl das Beihilferecht als auch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) sollen überarbeitet werden. Für das vierte Quartal 2026 ist eine Initiative angekündigt, welche den Wiederverkauf von gebrauchten Waren mit den Mitteln des Mehrwertsteuerrechts fördern will.

Kreislaufwirtschaft und Zugang zu Rohstoffen

Die EU setzt verstärkt auf die Sicherung kritischer Rohstoffe und die Förderung der Kreislaufwirtschaft, um ihre Abhängigkeiten zu reduzieren. Durch eine Bündelung der Nachfrage europäischer Unternehmen im Rahmen eines EU-Zentrums für kritische Rohstoffe sollen, laut Kommission, bessere Preise und stabile Lieferketten gewährleistet werden. Zudem plant die Kommission ein Circular Economy Act für 2026, um die Wiederverwertung knapper Materialien zu beschleunigen. Das Ziel ist, bis 2030 einen Anteil von 24 Prozent an zirkulären Materialien zu erreichen und so Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit und hochwertige Arbeitsplätze zu fördern. Die Maßnahmen des Gesetzes sollen die Öko-Design Verordnung ergänzen und deren Umsetzung unterstützen.

Globale Märkte und internationale Partnerschaften

Die EU schlägt vor, sogenannte Clean Trade Investment Partnerschaften (CTIPs) einzuführen, welche herkömmliche (Frei-) Handelsabkommen ergänzen bzw. den Weg dahin ebnen sollen. Ziele und Bestandteile sind wie folgt beschrieben: CTIPs sollen die strategische Position der EU in globalen Wertschöpfungsketten stärken, Abhängigkeiten verringern und den Zugang zu Rohstoffen, sauberer Energie und Technologien verbessern. Dazu sollen sie regulatorische Zusammenarbeit verbessern sowie finanzielle Unterstützung und Investitionen bündeln, um nachhaltige Wertschöpfungsketten zu fördern und internationale Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen zu schaffen. Durch Investitionen via Global Gateway und dem “Team-Europe-Ansatz" (Zusammenarbeit EU und Mitgliedstaaten) sollen öffentliche und private Mittel kombiniert werden, um gezielt Projekte für den grünen Wandel zu realisieren. Zudem sollen einheitliche Standards und Vorschriften in den Partnerländern die Einführung sauberer Technologien, die Dekarbonisierung und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unterstützen.
Der CID sieht auch die Verbesserung des CBAMs (Carbon Border Adjustment Mechanism) vor. Der Mechanismus soll vereinfacht und überprüft werden.
Vor dem Hintergrund industrie- und handelspolitischer Spannungen mit Drittstaaten unterstreicht die Kommission den Einsatz von handelspolitischen Schutzmaßnahmen, wenn nötig. Explizite Erwähnung in der Mitteilung finden die geplante Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI-Screening Regulation) und die existierende Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (FSR-Regulation).

Skills

Der CID verweist in Sachen Kompetenzen in erster Linie auf die Union of Skills, die am 5. März vorgestellt wurden. Diese stellt die Leitinitiative der Kommission im Bereich Bildung und Fachkräftesicherung dar und soll neben anderen Bereichen auch die Industrie dabei unterstützen, über die nötigen Fachkräfte im Bereich der sauberen Technologien zu verfügen. Bedeutendste Einzelmaßnahme innerhalb der Union of Skills ist eine Skills Portability Initiative, welche die Anrechnung von Kompetenzen und Qualifikationen in anderen EU-Staaten erleichtern soll. Flankiert wird dieser horizontale Plan von sektoriellen Initiativen, für die Gelder aus Erasmus+ verwendet werden sollen. Zudem soll geprüft werden, wie im Zuge der Reform des Beihilferechts sowie bei der öffentlichen Beschaffung Anreize für die betriebliche Aus- und Weiterbildung geschaffen werden können.
Um Arbeitnehmer bei den bevorstehenden Umbrüchen in der Arbeitswelt nicht zu kurz kommen zu lassen, soll Ende 2025 in einer Quality Jobs Roadmap dargelegt werden, wie faire Arbeitsbedingungen, der Zugang zu Weiterqualifizierung sowie gerechte berufliche Übergänge ermöglicht werden können.

Sektorspezifische Maßnahmen

Neben den sechs Handlungsfeldern möchte die Kommission weitere Initiativen starten, darunter ein „Industrial Action Plan“ für die Automobilindustrie (Veröffentlichung laut CID am 5. März), ein „Action Plan“ für die Stahl- und Metallindustrie (Branchendialog beginnt am 4. März), sowie ein Paket für die Chemieindustrie (später im Jahr 2025) und ein „Sustainable Transport Investment Plan“.