"Vom Ehrenamt profitieren beide Seiten"

von Dr. Beate Bößl, IHK (der Artikel erschien zuerst im ihk-magazin 12/2019, S. 16)
Die  A. Rawie GmbH & Co. KG aus Osnabrück ist ein Spezialist fürs Ausbremsen: Mit Prellböcken und Gleissicherungssystemen sorgt das Unternehmen weltweit für die Sicherheit an Bahnhöfen. Abseits der Produktion ist Stillstand jedoch ein Fremdwort. „In Bewegung zu bleiben heißt für mich, sich in einer von Stahl geprägten Welt ständig weiterzuentwickeln“, sagt Carla Editha Högermann. Die 34-Jährige steht seit 2014 an der Firmenspitze und ist ehrenamtlich Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren Osnabrück der IHK  (WJ).
Carla Editha Högermann machte eine Ausbildung zur Bankkauffrau, sammelte Berufserfahrung und absolvierte den Studiengang Business Administration (B.A.) im Abendstudium. Als sie im Jahr 2011 in das Unternehmen kam, kannte sie Rawie bereits gut: Ihre Mutter Renate Högermann hatte zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsführung. Als sie im Jahr 2013 verstarb, wechselte die Tochter in die Führungsposition.
Frau Högermann, die Wurzeln Ihres Unternehmens führen ins Jahr 1855. Rudolf Bernhard Rawie gründete damals einen Schlosserei-Betrieb in der Osnabrücker Altstadt. Daraus entstand ein Unternehmen mit heute 65 Mitarbeitern und 40 Auslandsvertretungen. Welcher Weg führte Ihr Unternehmen an die Spitze?
Der Sohn von Rudolf Bernhard Rawie, Franz Rawie, erfand Anfang des 19. Jahrhunderts ein Produkt, das damals wie heute weltweit Gleis-Enden sichert. Durch unsere langjährige Erfahrung in einem Nischenmarkt sind wir in der Welt bekannt. Als gesunder Mittelständler sind wir flexibel, können gemeinsam mit unseren Kunden Lösungen entwickeln und Projekte innerhalb weniger Monate umsetzen. Das hat sich im Schrankensektor herumgesprochen. So entwickeln wir heute nicht nur Vertikal- und Horizontalschranken sondern auch Schranken mit einer Hub-/Drehvorrichtung, die beide Bewegungsabläufe in sich vereinen. Solch ein Produkt gab es am Markt bisher nicht.
Die Stadt hat gerade die Kampagne „Ich komm zum Glück aus Osnabrück“ erneuert (S. 44). Wir als IHK lieben es zu wissen, wo ein wirtschaftliches Stück vom Glück zu finden ist. Verraten Sie uns gern einmal, wo Ihre Rawie-Technik im Einsatz ist.
Unsere Prellböcke findet man in den entferntesten Ländern überall dort, wo auf Schienenverkehr gesetzt wird. Die blaue Aufschrift „Rawie Osnabrück“ findet man an zahlreichen Schranken in Osnabrück, wie z.B. an der OsnabrückHalle. Aber auch diverse Firmen, Banken und Supermärkte nutzen unsere Technik. Wer unsere Schranken einmal entdeckt hat, dem begegnen sie immer wieder. Unsere Prellböcke findet man eher bei der Ein- und Ausfahrt am Osnabrücker Hauptbahnhof, aber eben auch in Frankfurt, Kalifornien und Saudi-Arabien.
Ihre berufliche Tätigkeit erfordert eine weltweite Vernetzung. Zugleich sind Sie seit 2019 Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren, einem Netzwerk für Unternehmer und junge Führungskräfte unter 40 Jahren. Welchen Stellenwert hat es für Sie, regional vernetzt zu sein?
Das regionale Netzwerk ist für mich unheimlich wichtig. So habe ich als junge Führungskraft Kontakte zu Gleichgesinnten, mit denen ich mich austauschen kann. Wir lernen voneinander und miteinander und unterstützen uns bei jeder Gelegenheit. Gleichzeitig bieten die Wirtschaftsjunioren aber auch ein internationales Netzwerk. Unser Dachverband Junior Chamber International (JCI) bietet den Wirtschaftsjunioren Kontakte auf der ganzen Welt.
In einem Verein einen aktiven Part zu übernehmen, erfordert Zeit und Motivation. Wie vereinbaren Sie das mit Ihrem Beruf?
Mein Beruf gibt mir die Möglichkeit, meinen Arbeitsalltag zu gestalten. Die Firma hat immer Vorrang, aber wenn ich freie Zeitfenster habe, baue ich die Wirtschaftsjunioren dort ein. Die Arbeit macht mir unheimlich viel Spaß und motiviert mich immer wieder für meine täglichen Aufgaben. So erledige ich Mails und Telefonate vom Schreibtisch aus. Da wir alle Unternehmer und Führungskräfte sind, liegen unsere Veranstaltungen in den Abendstunden und sind so leichter in den Arbeitsalltag einzubauen.
Unsere IHK wird das Jahr 2020 unter das Thema #GemeinsamEhrenamtStärken stellen. Damit soll die Aufmerksamkeit auf wirtschaftliche Ehrenämter gelegt werden. Diese sind neben den sozialen Ehrenämtern weniger bekannt ...
... was ja unheimlich schade ist! Natürlich ist es toll, sich sozial zu engagieren. Wenn wir bei den Wirtschaftsjunioren in Zusammenarbeit mit der OsnaBRÜCKE e.V. mit sozial benachteiligten Menschen – häufig mit Kindern – zusammenarbeiten und diese zum Lachen bringen oder anderweitig positiv beeinflussen, geht einem das Herz auf. Ebenso wertvoll ist es jedoch, wenn einen die ehrenamtlichen Tätigkeiten auch beruflich voranbringen. Zum einen lernt man selbst nie aus und entwickelt sich weiter, zum anderen unterstützt man Menschen und gibt ihnen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Somit ist es wie bei den sozialen Ehrenämtern, beide Seiten profitieren.
Die Wirtschaftsjunioren setzen sich auf vielfache Weise dafür ein, gesellschaftlich etwas zu bewegen. Mögen Sie uns ein Erlebnis berichten, das Sie im Jahr 2019 besonders berührt hat?
Da gibt es viele Erlebnisse. Was mich immer sehr berührt, ist der „Tag zum Vergessen“. Hier bringen wir Kinder der Krebsberatungsstelle Osnabrück an einem Tag in den Ferien in die Zenit Boulderhalle. Einer der Inhaber ist ebenfalls Wirtschaftsjunior und öffnet an diesem Tag die Halle früher als sonst, sodass die Kinder ausgelassen spielen und das Klettern erlernen können. Ein weiterer Wirtschaftsjunior bringt als DJ die Kinder an die Turntables und sorgt für musikalische Unterstützung. Über eine örtliche Fleischerei erhalten wir Würstchen und Salate und können die Kinder verpflegen. Wenn sie am Ende dieses Tages verschwitzt und glücklich nach Hause gehen, weiß man, wofür man seine Zeit aufgewendet hat.
Das Jahr 2020 rückt in greifbare Nähe. Gibt es schon WJ-Termine, auf die Sie sich besonders freuen?
Weil noch nicht alle Termine stehen, habe ich noch keine Auswahl getroffen. Da ich aber nach dem One-Year-To-Lead-Prinzip in 2020 meinen Posten als Kreissprecherin an meinen Nachfolger abgebe, kann ich mir wieder etwas mehr Zeit für die vielen tollen Veranstaltungen und Momente nehmen. Darauf freue ich mich.
Mit Blick auf unsere IHK-Ehrenamtskampagne, die im kommenden Jahr weiter Fahrt aufnehmen wird: Seien Sie doch so freundlich, und ergänzen Sie uns diesen Satz: „#GemeinsamEhrenamtStärken, das heißt für mich …
… Wissen und Fähigkeiten bündeln, vernetzen und dort anwenden, wo sie gebraucht werden!“