Energiewende in der Region

von Dr. Johannes Lis, IHK
Die Energiewende ist für die Unternehmen der Region Realität. Ob Energieversorgung, Produktionsplanung oder Investitionen: Unternehmen müssen heute entscheiden, wie ihre Zukunft aussieht. Wie Unternehmen dabei vor­gehen, lesen Sie hier.

Georg Utz Holding AG mit eigenem Transformationskonzept

Die Georg Utz Holding AG aus Schüttorf hat wichtige Schritte unternommen, um den Herausforderungen der Energiewende zu begegnen. Dazu zählt z. B. ein Transformationskonzept. Das aber lebt auch von Entscheidungen, die das Unternehmen selbst nicht beeinflussen kann. Rüdiger Köhler, Geschäftsführer der Utz Gruppe in Schüttorf, betont: „Unser Blockheizkraftwerk könnte schon heute mit 20 % Wasserstoff laufen und damit einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten.“ Doch Köhler kann heute noch nicht absehen, wann Wasserstoff zu welchem Preis verfügbar sein wird. Trotzdem will das Unternehmen investieren und etwa mit Stromspeichern dafür sorgen, dass die Energie vom eigenen Hallendach genutzt wird.
Utz betreibt dort eine 3,6 MW-Anlage. „Wir wollen unsere Energiekosten so gering wie möglich halten und alle Möglichkeiten dazu nutzen“, sagt Köhler. Dabei denkt er auch darüber nach, Produktionsprozesse anzupassen. „Vielleicht müssen wir perspektivisch dahinkommen, dass wir am Wochenende vollautomatisiert produzieren, um die Energie zu nutzen, die dann zur Verfügung steht.“

Amprion investiert in Lingen 200 Mio. Euro in Stromnetzknoten

Was Köhler und andere Unternehmen planen, braucht verlässliche Infrastruktur. Und die entsteht gerade – mit großer Dynamik etwa im Strombereich. In Lingen investiert der Übertragungsnetzbetreiber Amprion GmbH rund 200 Mio. Euro in den leistungsstärksten Stromnetzknoten Deutschlands. Zwei Phasenschiebertransformatoren im Umspannwerk Lingen-Hanekenfähr sollen ab 2025 Stromflüsse optimieren und Redispatch-Kosten vermeiden. Amprion spricht von 36 Mio. Euro, die hier jährlich eingespart werden können. Zu den Großvorhaben zählen auch Konverter in Bohmte und Lingen. Stefan Sennekamp, Projektsprecher bei Amprion, betont: „Die Anlagen sind eine notwendige Voraussetzung, um die erneuerbaren Energien ins Netz zu integrieren.“
Ab 2028 soll beispielsweise in Lingen Strom aus den Offshore-Windparks vor der Küste über die Leitungen DolWin4 und BorWin4 ins Netz eingespeist werden. Dafür baut Amprion im Lingener Industriepark gemeinsam mit Siemens Energy eine Konverterstation mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe. Ende Mai wird dort die Grundsteinlegung stattfinden.
Der neue Konverter nimmt eine Leistung von 1,8 GW Offshore-Strom auf. Das ist mehr als das, was bis 2023 durch das AKW Emsland mit 1,4 GW erzeugt wurde. Der Konverter für das Projekt BalWin1, der in Bohmte entsteht, wird 2 GW aufnehmen. Zeitnah werden die ersten Tiefbaumaßnahmen erfolgen, die Fertigstellung ist für 2030 geplant. Amprion will am Bohmter Standort auch die Abwärme des Konverters nutzbar machen und plant dazu erste Schritte.
Sennekamp sucht mit vielen Kollegen aus dem Team der Amprion-Projektkommunikation den aktiven Dialog mit Bürgern. „Vor allem in Lingen erleben wir, dass die ganze Region hinter den Projekten steht“, sagt Sennekamp. Das sei auch bei den Erdkabeltrassen nicht anders. Sennekamp berichtet von wenig Kritik: „Viele wissen, dass die Energiewende große Baumaßnahmen braucht.“

Feldhaus Klinker: "88 % des Strombedarfs aus der PV-Anlage"

Ein Unternehmen, das den Weg schon weiter gegangen ist, ist die Klinkerwerk B. Feldhaus GmbH & Co. KG aus Bad Laer. Betriebsleiter Alexander Schröder berichtet, dass das Unternehmen schon PV-Anlagen mit über 10 MWp Leistung installiert hat.
Die Anlage wird damit zu den größten Aufdach-Systemen in der Region, vermutlich deutlich darüber hinaus, gehören. Für die nächsten Schritte wurde nun ein Bauleitverfahren auf den Weg gebracht. Denn für das Ziegelwerk sind die enormen Gaskosten ein Problem. Hier will das Unternehmen in den nächsten Jahren eigenen Wasserstoff mit grünem Strom produzieren. Schröder beschreibt den Weg so: „Beim Thema Energie gibt es für uns keinen direkten Weg auf den Gipfel. Wir bewegen uns sozusagen in Serpentinen hoch – Schritt für Schritt.“ 2024 produzierte die PV-Anlage 88 % des gesamten Strombedarfs von Feldhaus.
Der nächste Meilenstein sind Stromspeicher in einer Größenordnung zwischen 3 und 5 MWh. Dass ein Speicher kommt, steht fest, die Dimensionierung ist noch nicht konkret, die Umsetzung soll 2026 erfolgen. Schröder betont: „Wir sind technikbegeistert – aber es braucht die richtigen Rahmenbedingungen.“ Dabei spricht er vor allem die Regulatorik an: Genehmigungsverfahren, aber auch Regelungen wie die Störfallverordnung, die für Elektrolyseure einer bestimmten Größenordnung greifen.

Emsland erstellte Bedarfsanalyse

Knapp 80 Unternehmen haben sich im Emsland an einer Bedarfsanalyse der H2-Region beteiligt und ihre Wasserstoffpläne skizziert. Der Landkreis Emsland hat diesen Bedarf aufgegriffen. Schon ab 2027 soll die Wasserstoff-Pipeline „Nordsee-Ruhr-Link“ durch das Emsland laufen. Die Region möchte dann nicht nur Zuschauer sein. „Unsere Unternehmen sollen von der Wasserstoffproduktion und vom Kernnetz profitieren,“ sagt Michael Steffens, Dezernent und zuständig für die Kreisentwicklung. Der Landkreis wird deshalb an zwölf Stellen im Landkreis sogenannte T-Stücke gemeinsam mit den örtlichen Gemeinden vorfinanzieren, die einen späteren Anschluss von Verteilnetzen oder Verbrauchern ermöglichen.
Was jetzt im Antragsverfahren und vor Befüllen der Leitung mit Kosten von um die 150 000 Euro pro Anschluss zu machen ist, würde im Vollbetrieb deutlich komplexer und teurer, so das Kalkül. „Besser jetzt investieren als den Anschluss zu verpassen“, so Steffens. Gleichzeitig ermutigt er Unternehmer, sich mit ihrem Bedarf zu melden, damit auch die Verteilnetzstrukturen optimal aufgestellt werden können.

Stadtwerke Schüttorf-Emsbüren planen mehrere Windparks

Die Stadtwerke Schüttorf-Emsbüren wollen jetzt intensiver daran arbeiten, Unternehmen und Erzeuger zusammenzubringen. Ziel ist die klimafreundliche Energieversorgung des Wirtschaftsstandortes. Dabei richtet man den Fokus sowohl auf das große Gewerbegebiet am Autobahnkreuz A30 / A31. Stadtwerke-Geschäftsführer Hartmut Klokkers berichtet: „Wir sind in der Planung von mehreren Windparks in der näheren Umgebung. Diese Chance müssen wir nutzen.“ Der Plan sieht vor, die Anlagen mit einer Betreibergesellschaft aus Stadtwerken, Flächeneigentümern, Unternehmen und Bürgern zu betreiben. Dabei könnten die durch die Vermarktung erzeugten Erträge die Strombezugskosten der Unternehmen senken oder – bei entsprechendem Bedarf einzelner großen Unternehmen Direktleitungen gebaut werden.
„Die Unternehmen brauchen wettbewerbsfähige Energiepreise. Immer wichtiger wird aber das Thema Klimaneutralität“, so Klokkers. Die von den Stadtwerken geplante Energiekooperation könnte diese Perspektiven nun zusammenbringen. Das ergab auch eine Studie, die das Versorgungsunternehmen mit Unterstützung der beiden Landkreise sowie dem „Wirtschaftsstandort Schüttorf e. V.“ (WiSeV) erstellt hat. Klokkers will das ­Potenzial der Region nutzen. Bei Windenergie, aber auch beim Thema Wasserstoff: Wenn Ende 2027 die Kernnetzleitung durch d­as Gewerbegebiet am Autobahnkreuz in Emsbüren gebaut wird, dann spätestens müsse bei entsprechendem verbindlichem Bedarf der Unternehmen die Planung des Verteilnetzes Fahrt aufnehmen. Dafür, so Klokkers, müsse aber die Bundesregierung die Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag schnell umsetzen: Die Regulatorik für Wasserstoffverteilnetze endlich aufsetzen und damit eine entsprechende Planungssicherheit schaffen.

IHK-Ausblick

Die Beispiele zeigen: Die IHK-Region ist mittendrin in der Transformation. Projekte wie in Lingen, Schüttorf oder Bad Laer zeigen, wo die Energiewende steht. Es fehlt nicht an Technik und nicht am unternehmerischen Willen. Aber es braucht Tempo, Verlässlichkeit – und politische Unterstützung. Dann wird aus der Herausforderung eine echte Chance.
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