Novellierung der EU-Vergaberichtlinien
Das Verfahren zur Novellierung der EU-Vergaberichtlinien ist abgeschlossen. Im Einzelnen handelt es sich um die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG und die Richtlinie über die Konzessionsvergabe. Der deutsche Gesetzgeber hat nun bis zum 17. April 2016 Zeit, die Richtlinien in deutsches Recht umzusetzen.
Durch die neuen Regeln werden die Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge einfacher und flexibler. Das kommt sowohl den öffentlichen Auftraggebern als auch den Unternehmen, insbesondere kleinen und mittelgroßen Unternehmen, zugute. Es ergeben sich folgende wesentliche Änderungen:
- Die öffentlichen Auftraggeber können künftig die Auftragsbedingungen besser aushandeln und so Leistungen erhalten, die Ihrem Bedarf besser entsprechen.
- Die Mindestfristen der Verfahren werden kürzer.
- Die für regionale und lokale Behörden geltenden Bekanntgabepflichten werden gelockert und erlauben diesen künftig, die Verfahrensfristen (zum Beispiel für die Übermittlung der Angebote) mit den teilnehmenden Unternehmen einvernehmlich abzustimmen.
- Nur der Bieter, der den Zuschlag erhält, muss sämtliche Unterlagen zum Nachweis seiner Teilnahmeberechtigung beibringen. Für die Beteiligung an der Ausschreibung reicht künftig eine ehrenwörtliche Erklärung über die Erfüllung der Teilnahmebedingungen. Dadurch reduziert sich der Umfang der zur Bieterauswahl notwendigen Unterlagen erheblich.
- Zur weiteren Verringerung des Verwaltungsaufwands bei öffentlichen Ausschreibungen muss die Bekanntgabe öffentlicher Aufträge mittelfristig auf elektronischem Wege (und nicht mehr auf Papier) erfolgen.
Öffentliche Aufträge werden künftig ein politisch-strategisches Instrument: Dank der neuen Regeln werden öffentliche Aufträge zur Verwirklichung umwelt-, sozial- und industriepolitischer Ziele beitragen. Das bedeutet:
- Die öffentlichen Auftraggeber können ihre Wahl an den günstigsten Lebenszykluskosten der Angebote ausrichten. Dabei kann etwa die CO2-Bilanz einer angebotenen Leistung den Ausschlag geben.
- Gleiches gilt für den Produktionsprozess der erworbenen Waren, Bau- oder Dienstleistungen: Die Beschäftigung benachteiligter Personengruppen und die Verwendung umweltfreundlicher Werkstoffe können für den Zuschlag entscheidend sein.
- Das neue Verfahren für den Erwerb innovativer Produkte und Dienstleistungen wird die Innovation fördern.
- Die soziale Eingliederung wird noch stärker gefördert: Öffentliche Auftraggeber können Aufträge nicht nur geschützten Werkstätten vorbehalten, sondern auch Unternehmen, die sich vorwiegend der beruflichen Integration benachteiligter Arbeitnehmer verschrieben haben, sofern diese mindestens 30 % der Belegschaft (bislang 50 %) ausmachen.
Den europäischen KMU mit ihrem erheblichen Beschäftigungs-, Wachstums- und Innovationspotenzial muss der Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtert werden.
- Deshalb erhalten die öffentlichen Auftraggeber Anreize, anstelle eines einzigen Auftrags an ein Großunternehmen mehrere Aufträge an verschiedene kleinere Unternehmen zu vergeben.
- Der als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren geforderte Mindestumsatz wird auf das Doppelte des geschätzten Auftragswertes begrenzt.
Es werden Maßnahmen zur besseren Prävention von Interessenskonflikten, Vetternwirtschaft und Korruption getroffen.
- Die EU-Länder sind künftig gehalten, Interessenkonflikte auf Grundlage einer nunmehr klaren Begriffsbestimmung wirksam zu verhindern, zu ermitteln und auszuräumen.
- Wer versucht, einen öffentlichen Auftraggeber zu beeinflussen, oder falsche Erklärungen abgibt, kann von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
- Es ist klar geregelt, in welchen Fällen ein Auftrag nach der Vergabe ohne neue Ausschreibung geändert werden kann.
- Und schließlich müssen öffentliche Auftraggeber alle Angebote verwerfen, deren außergewöhnlich niedriger Preis auf Verstöße gegen Sozial-, Arbeits- oder Umweltschutzbestimmungen zurückgeht.
Für Dienstleistungen in den Bereichen Soziales, Kultur, Gesundheit, Recht, Hotel- und Gaststättenwesen (genaue Aufstellung in den Richtlinien) gilt eine neue vereinfachte Regelung.
- Diese Regelung greift bei Aufträgen, deren Wert 750 000 Euro (gegenüber 200 000 Euro bei anderen Dienstleistungen) übersteigt.
- Die öffentlichen Auftraggeber können Angeboten den Zuschlag erteilen, die allen nach ihrem Dafürhalten entscheidenden Qualitätskriterien entsprechen, also z. B. Zugänglichkeit, Kontinuität und Beständigkeit der angebotenen Dienste.
- Außer der Pflicht zur Gleichbehandlung aller Bieter und einer angemessenen Bekanntmachung der Auftragsvergabe und des Zuschlags gelten für die betreffenden Verfahren lediglich die nationalen Vorschriften.
Die neuen EU-Vorschriften schränken die Organisation öffentlicher Dienste auf nationaler Ebene in keiner Weise ein:
- Darüber entscheiden die EU-Länder eigenständig. Eine Behörde kann also die ihr übertragenen Gemeinwohlsaufgaben entweder mit ihren eigenen Ressourcen selbst wahrnehmen oder Dritte damit beauftragen.
- Die Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen gelten nur, wenn eine Behörde sich zur Externalisierung dieser Aufgabe entschließt.
- Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen, insbesondere Gemeinden, unterliegt nicht den Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Für sie gelten nun eigene Regeln.
Weitergehende Informationen und den Wortlaut der Richtlinien finden Sie rechts im Infokasten.
(Quelle: Pressemitteilung der EU-Kommission, Stand 15.04.2014)