Finanzierungslücke bei Start-ups
Die jüngsten Meldungen zur Start-up-Finanzierung in Deutschland geben Anlass zu leichter Zuversicht. Nach Zählung der staatlichen Förderbank KfW sowie der Wirtschaftsprüfungs-und Beratungsgesellschaft EY sind im vergangenen Jahr jeweils mehr als sieben Milliarden Euro in junge Unternehmen geflossen, was gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg darstellt. Doch der Abstand zum Rekordjahr 2021 mit mehr als 17 Milliarden Euro bleibt groß, und auch zu den Vereinigten Staaten besteht eine Finanzierungslücke. Auf diese weist das Europäischen Patentamts (EPA) in einer aktuellen Untersuchung hin.
Im September forderte der deutsche Start-up-Verband eine Verdreifachung der Wagniskapitalinvestitionen bis 2030, um die jährliche Finanzierungslücke von etwa 30 Milliarden Euro in Deutschland zu schließen. In seinem ebenfalls im September vorgelegten Strategiebericht zur EU-Wettbewerbsfähigkeit stellte der frühere italienische Regierungschef und ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi fest, dass Europa in der Technologie schwach sei. Zudem bestehe eine Finanzierungslücke bei Start-ups zu den USA.
Draghis Befund bestätigt eine Untersuchung des EPA, dem neben den 27 EU-Mitgliedstaaten auch die Schweiz, Großbritannien oder die Türkei angehören. Der EPA-Bericht zeigt, dass in Europa meist große öffentliche Programme und spezialisierte private Geldgeber Technologieinvestitionen tätigen. Im Vergleich zu den USA trete dabei eine deutliche Finanzierungslücke zutage. „Diese Finanzierungslücke verhindert, dass aus Innovationen skalierbare Start-ups werden, und treibt Unternehmen ins Ausland“, sagt EPA-Präsident António Campinos und fordert: „Um europaweit wieder nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen, müssen wir diese Lücke schließen.“
Laut EPA-Bericht führen Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowohl im Gesamtfinanzierungsvolumen als auch in der Anzahl der Transaktionen mit einer starken Investorenpräsenz im Technologiesektor. Zusammen verzeichneten diese drei Länder im Zeitraum von 2000 bis 2023 insgesamt etwa 75.800 Transaktionen in einem Gesamtvolumen von rund 392 Milliarden Euro. Mit einem investierten Kapital von 85 Milliarden Euro schafft es Deutschland vor Frankreich auf den zweiten Platz.
Laut EPA halten 88 Prozent der europäischen Investoren Unternehmen in ihren Portfolios, die Patente besitzen. Acht Prozent hätten Portfolios, in denen mehr als die Hälfte der Unternehmen Patente besitzt. Je höher die Patentquote, desto wahrscheinlicher wird ein erfolgreicher Verkauf der Start-up-Beteiligung (Exit). Unter den führenden privaten Investoren setzten 62 Prozent ihren Schwerpunkt auf die Finanzierung von Unternehmen in frühen Entwicklungsphasen, aber nur 22 Prozent spezialisierten sich auf spätere Finanzierungsphasen. Für europäische Start-ups im Technologiesektor bedeute dies einen begrenzten Kapitalzugang, wenn es um die Skalierung neuer Technologien und der Verwertung von Erfindungen in Europa gehe.
Im Gegensatz dazu stellten unter den US-Investoren private Unternehmen 98 der 100 wichtigsten Kapitalgeber, heißt es. Dabei habe sich über die Hälfte auf die Spätphasenfinanzierung spezialisiert. Das verdeutliche eine stärkere private Unterstützung der Skalierung junger Hightechfirmen in den USA.