„Mit Imagekampagnen ist es nicht getan“

Im Jahr 1948 in Bad Essen-Barkhausen gegründet, ist die inhabergeführte AGRO-Gruppe heute einer der weltweit führenden Hersteller von Federkernen für die Matratzen- und Polstermöbelindustrie mit eigenen Drahtwerken, eigener Ersatzteilfertigung und eigenem Maschinenbau. Am Standort Bad Essen beschäftigt die Gruppe rund 600 Mitarbeiter, insgesamt sind es 900. Wir sprachen mit Sabine Grothaus, die seit 2015 Mitinhaberin ist und die Geschicke des Unternehmens gemeinsam mit ihrem Vater Wolfgang Grothaus lenkt.
Frau Grothaus, Sie sind studierte Volkswirtin und haben selbst eine Berufsausbildung zur Steuerfachangestellten absolviert. Wie engagiert sich Ihr Unternehmen, um als Ausbildungsbetrieb attraktiv zu sein?
Die Firmen der AGRO-Gruppe bieten ein vielfältiges Spektrum mit acht verschiedenen Ausbildungsberufen in drei Betrieben. Unser Schwerpunkt liegt auf dem gewerblich-technischen Bereich mit sieben Berufen, ergänzt um Industriekaufleute in der Verwaltung. Ein zentrales Element ist unsere eigene Ausbildungswerkstatt mit festen Ansprechpartnern. Hier werden im ersten Lehrjahr die Grundlagen gelegt. Aber auch nach der Integration in die Fachabteilungen laufen hier noch alle Fäden zusammen.
Und es gibt auch viele ergänzende Angebote…
Ja, denn die interne Aus- und Weiterbildung wird ergänzt durch externe Lehrgänge und ebenso durch IHK-Weiterbildungen wie den Ausbildungsbotschafter oder den Energie-Scout. Neben der Ausbildung in der Werkstatt ist uns die Praxis im Betrieb sehr wichtig. Unsere Auszubildenden werden z.B., mit erfahrenen Mitarbeitern an ihrer Seite, in Projekte integriert. Darüber hinaus bieten wir u.a. eine überdurchschnittliche Ausbildungsvergütung und weitere Benefits. Wir möchten unsere gut ausgebildeten Fachkräfte übernehmen und bieten ihnen Perspektiven. So waren beispielsweise junge Mitarbeiter nach ihrer Ausbildung schon für einige Monate an unserem Standort in den USA und haben dort Verantwortung übernommen. Ebenso fördern wir berufliche Weiterentwicklung, etwa zum Techniker.
Ihr Unternehmen präsentiert sich u.a. auf Plakaten in der Stadt Osnabrück als Ausbildungsbetrieb. Hat es bei Ihrem Ausbildungsmarketing in den vergangenen Jahren einen Wandel gegeben?
Durchaus. Noch vor einigen Jahren haben wir weder eine eigene Ausbildungswerkstatt gehabt noch die kaufmännische Ausbildung angeboten. Insgesamt haben wir in den Bereich Ausbildung in den vergangenen Jahren viel investiert. Damit einher geht auch ein verstärktes Ausbildungsmarketing. Konkret bedeutet das für uns insgesamt mehr Präsenz – vor Ort und im digitalen Bereich. Wir sind auf den Ausbildungsmessen in der Region vertreten, kooperieren mit Schulen in den umliegenden Gemeinden und werden unsere Aktivitäten in dieser Richtung künftig noch weiter ausbauen.
Was denken Sie, wie kann die duale Ausbildung für Schulabgänger insgesamt wieder attraktiver werden? Hätten Sie Wünsche an die Politik?
Bei der Steigerung der Attraktivität sind beide Seiten gefragt: die Unternehmen, die ein attraktives Paket schnüren und kommunizieren müssen – und die Politik, die die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen muss. Auch wenn das Image der dualen Ausbildung weiter gefördert werden sollte, ist es mit reinen Imagekampagnen aus meiner Sicht nicht getan.
Was wäre aus Ihrer Sicht wünschenswert?
Die duale Ausbildung muss in allen Schulformen einen Platz bekommen – mit gezielter Berufsorientierung sowie der Möglichkeit, Praktika zu absolvieren. Die Schüler – auch die am Gymnasium – müssen wissen, dass ihnen eine Ausbildung sehr gute Perspektiven eröffnet. Es besteht nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung immer noch die Möglichkeit, ein Studium zu absolvieren. Auch über den alleinigen Weg der Ausbildung und etwaiger Weiterbildung lässt sich gutes Geld verdienen. Das kann durchaus noch offensiver kommuniziert werden. Im Umkehrschluss ist ein Studium keine Garantie für einen gut bezahlten Job.
Welche Rolle haben die Berufsschulen?
Die Berufsschulen müssen modernen Unterricht mit digitalen Elementen anbieten. Da hat sich schon einiges getan – aber es geht noch mehr. Es müssen einheitliche Standards und klare Prozesse geschaffen werden, etwa für die Einbindung von Lernplattformen. Die Ausstattung muss weiter verbessert werden, was auch die Unterstützung von sozial schwächeren Familien umfasst. Wenn es um Digitalisierung geht, ist auch die Verfügbarkeit von schnellem Internet immer ein Thema. Ein wesentlicher Punkt schließlich ist und bleibt die Erreichbarkeit – von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Wir als Ausbildungsbetrieb im Osnabrücker Land sind leider aktuell mit dem ÖPNV quasi nicht zu erreichen. Das schränkt unsere Möglichkeiten gerade bei Jugendlichen unter 18 Jahren doch deutlich ein. Abschließend möchte ich sagen: Die duale Ausbildung ist in meinen Augen die Basis für die wirtschaftliche Stärke Deutschlands und fast so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal. Daher sehe ich es als wichtig an, sie intensiv zu bewerben und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.
Die Digitalisierung durchdringt immer mehr den Alltag und betriebliche Prozesse. Wie spiegelt sich das im Unternehmen wider?
Digitalisierung wird speziell auch in unserer Produktion immer wichtiger. Entsprechend haben wir z.B. in den vergangenen Jahren unsere Ausbildungsplätze zum Elektroniker für Betriebstechnik aufgestockt und bieten den Elektroniker für Automatisierungstechnik seit 2020 neu an. Digitalisierung ist ebenso ein wesentliches Thema in der beruflichen Weiterbildung; damit einhergehend durchlaufen unsere Mitarbeiter aktuell z.B. auch ein einjähriges Online-Schulungsprogramm zum Thema Cyber Security.
Was können aus Ihrer Sicht die Berufs - erfahrenen hinsichtlich der Digitalisierung von den Jüngeren lernen und umgekehrt?
Es geht immer um ein Zusammenspiel von Berufserfahrenen und Jüngeren. Die Jüngeren sind diejenigen, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind und sie ganz selbstverständlich einsetzen. Diese Offenheit und Selbstverständlichkeit ist in älteren Generationen sicherlich nicht immer gegeben. Umgekehrt verfügen die Berufserfahrenen über ein tiefes Verständnis von Produkten, Prozessen und Maschinen. Diese beiden Welten gilt es zusammenzuführen, so dass sie sich gegenseitig ergänzen. Konkret kann das Themen betreffen wie die Entwicklung neuer Maschinentechniken, ERP, Betriebsdatenerfassung oder die voranschreitende Automatisierung.
Das wirtschaftliche Ehrenamt prägt die IHK-Organisation. Einen wichtigen Beitrag leisten die 2500 ehrenamtlichen IHK-Prüfer. Sie selbst engagieren sich im IHK-Regionalausschuss Region Osnabrück...
Genau, denn der Wirtschaftsstandort Deutschland steht vor großen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Mit meinem Engagement in der IHK möchte ich aktiv daran mitarbeiten, die regionale Wirtschaft voranzubringen und im Verbund mit einem starken Netzwerk Dinge zu bewegen.