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Was KI wirklich bringt
Künstliche Intelligenz (KI) verändert nicht nur die Art zu arbeiten. Sie sorgt auch dafür, dass sich die Geschäftsfelder von Unternehmen weiterentwickeln. Doch wie zukunftsfähig ist der deutsche Mittelstand? Eine Studie des IFO-Instituts zeigt: Es herrscht Aufbruchstimmung. | Text: Marcus Schwarze
Bereits 27 Prozent der deutschen Unternehmen setzen KI ein, und weitere 17,5 Prozent planen dies. Besonders aktiv ist das verarbeitende Gewerbe, wo über die Hälfte der Unternehmen bereits auf KI setzt oder den Einsatz plant. Auch im Dienstleistungssektor (44,2 Prozent) und im Handel (37,5 Prozent) wird die KI-Nutzung immer relevanter.“
Amerikanische Vorreiter und der weltweite KI-Boom
Angestoßen haben diese Entwicklung amerikanische Unternehmen wie Open AI. Bereits Ende 2022 sorgte der Dienst ChatGPT weltweit für einen Hype. Im Fahrwasser der mächtigen Technik erschienen und erscheinen immer neue und verbesserte KI-Anwendungen, ein Ende ist nicht absehbar. Die großen US-Konzerne spielen ihre Überlegenheit vor allem im Genre der generativen KI aus: Microsoft baut KI-Funktionen in seine Office-Pakete ein. Apple bringt Mini-KIs auf seine Rechner und Smartphones. Amazon stellt seinen Produkten KI-generierte Zusammenfassungen von Käuferbewertungen voran. Google schnürt mit einer Anwendung namens Notebook LM ein KI-Paket, das jeder Studierende für Hausarbeiten nutzen kann.
Dabei ist generative KI, zu der auch Large Language Models (LLMs), gehören nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten. Textmodelle wie ChatGPT können große Materialsammlungen zusammenfassen und umschreiben, gescannte Dokumente interpretieren und in verschiedenen Rollenzuweisungen mal als Marketingfachkraft Kampagnen entwickeln oder als Redenschreiber der Chefin oder dem Chef eine solide Grundlage für den nächsten Vortrag liefern. Doch Künstliche Intelligenz kann mehr. Eine Landkarte bei KI.NRW zeigt allein für Nordrhein-Westfalen rund 1300 spezialisierte KI-Anwendungen.
Das reicht vom autonomen Roboter fürs Pferdestallausmisten über die industrielle Bildverarbeitung zur Qualitätssicherung von Schuhsohlen bis zum Voicebot im telefonischen Kundenservice. KI-Anwendungen umfassen:
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Maschinelles Sehen für die automatisierte Qualitätskontrolle in Produktionslinien
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Spracherkennung und Sprachverarbeitung zum Beispiel am Kundentelefon, um schneller als bei herkömmlichen Sprachrobotern ans Ziel zu kommen. („Wenn Sie Fragen zu unseren Produkten haben, drücken Sie die Drei“ gehört der Vergangenheit an. Kundenfragen werden in natürlicherer menschlicher Ansprache erkannt)
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Intelligente Sprachassistenten zum Zusammenfassen von Besprechungen
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Robotik und autonome Systeme in Fertigungsstraßen, bei der Lagerhaltung und Logistik
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Prognosen von Verkaufszahlen und Lagerbeständen
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Risikobewertungen für Zahlungsausfälle
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Das Erkennen von Anomalien in Netzwerkdaten zur Cybersicherheit.
- Marcus Schwarze
… ist freier Journalist und Berater Digitales in Koblenz. Für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt er regelmäßig im F.A.Z. PRO Digitalwirtschaft-Newsletter. Zudem berät er Firmen und Institutionen bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz.
Tipps für den erfolgreichen Einstieg ins Prompten
Wer sich bisher nur wenig mit Chatbots und generativen Sprachmodellen beschäftigt hat oder nach der ersten Faszination im Detail zu viele Fehler entdeckt hat, sollte einmal neu hereinkommen. Die generative KI eignet sich als kostengünstiger Einstieg und ist beispielsweise auch in der Lage, als Sparringspartner individuelle Anwendungsfelder für KI-Einsätze aufzuzeigen. Die Dienste haben in den vergangenen zwei Jahren qualitativ stark zugelegt. Für den Einstieg oder Neueinstieg sollte man sich mit fünf einfachen Regeln fürs gute „Prompten“ an die Fähigkeiten der KI heranwagen. Prompten heißt die Kulturtechnik, eine Maschine anzusprechen.
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Weisen Sie der Maschine stets eine Rolle zu. „Du bist Marketingexperte und bekommst den Auftrag, eine Werbekampagne für ein neues Produkt zu entwickeln.“
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Liefern Sie Details. Die Maschine bringt lediglich ihr antrainiertes Weltwissen mit. Gute Antworten erfordern jedoch stets ein Spezialwissen, das ihr der Mensch mitgeben muss. Im Beispiel braucht die KI Details zum Produkt – seien es Notizen, Dokumentationen oder simple Beschreibungen aus der Fertigung.
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Prompten Sie iterativ. Die erste Antwort der KI mag schon in die richtige Richtung gehen. In einem laufenden Chat merkt sich die Maschine das zuvor Besprochene. Das kann man sich zunutze machen, indem man Schritt für Schritt Anforderungen ergänzt. „Gib mir die zehn wichtigsten Zielgruppen für unser neues Produkt. Sortiere sie nach Größen. Passe anschließend die Werbekampagne für die wichtigsten drei Zielgruppen an.“
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Nutzen Sie die KI als Sparringspartner. „Was hättest Du noch gebraucht, um die Aufgabe besser zu verstehen?“ Ebenso lässt sich der erste Prompt von der Maschine analysieren: „Schlage Verbesserungen in dem Prompt vor, damit wir die beste aller möglichen Werbekampagnen entwickeln.“
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Misstrauisch bleiben. Die Maschine macht meist weniger Fehler, wenn man ihr das Spezialwissen mitgibt und ihr vorgibt, sich darauf zu stützen. Komplett gefeit vor sogenannten Halluzinationen, Erfindungen also, ist man nicht. „Gib mir die genaue Quelle für die genannten Zielgruppen“, wäre ein Prompt zum Überprüfen. Und auch wenn man ein fertiges Marketingkonzept erstellt hat, lohnt eine Überprüfung in einem neuen Chat: „Du bist ein Konkurrent unseres neuen Produktes X. Analysiere die folgende Werbekampagne für X auf Schwachstellen und Stärken.“
Schulungen und interne Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

Die Kosten der KI sind für den Einstieg mit 20 Dollar pro Monat und Mitarbeiter überschaubar. Wer viele Mitarbeitende mit den Segnungen der KI beglücken möchte, findet zudem spezialisierte Dienste, die nach Nutzungsintensität abrechnen – das ist für Firmen oft günstiger als die Monatspauschale pro Kopf.
Eine Herausforderung ist dabei einmal mehr der Datenschutz. Weder personenbezogene Daten noch Geschäftsgeheimnisse möchte man den US-Diensten auf dem Silbertablett servieren. Dafür braucht es klare Regelungen, Vereinbarungen und Schulungen. Zunehmend etablieren sich KI-Dienste, die die Datenschutzgrundverordnung besonders herausstellen und auf Servern in Deutschland oder zumindest Europa laufen. Es ist für gut ausgestattete IT-Abteilungen oder eingekaufte Dienstleister auch kein Hexenwerk mehr, ein eigene KI im Intranet zu betreiben. Da hat man dann möglicherweise nicht die fortschrittlichste ChatGPT-Version im Hintergrund im Einsatz, aber frei verfügbare Open-Source-Programme tun es oft auch. Der ungehobene Schatz ist oft das Firmenwissen, das in den Intranets gespeichert ist – für die sinnstiftende KI-Nutzung eine wertvolle zu schützende Grundlage.
Künftige Bedeutung der KI im Mittelstand
In Zukunft wird KI auch im Mittelstand einen wesentlichen Teil der Arbeit ausmachen. Höhere Produktivität und Effizienzgewinne schlagen sich nach den Anfangsinvestitionen in verringerten Kosten nieder. Neue Produkte und Dienstleistungen entstehen. Dabei muss sich kaum jemand Sorgen um seinen Job machen: KI verändert die Jobs, und auf der Strecke bleiben allenfalls jene, die das Werkzeug nicht ergreifen und nicht an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Bei der Künstlichen Intelligenz ist es wie mit dem Internet Mitte der 1990er-Jahre: KI kommt mit Wucht und geht nicht mehr weg.
Unternehmensbeispiel Nr. 1: NFT automates GmbH, Ibbenbüren.
„Die KI wird nicht müde, die Verarbeitungsgeschwindigkeit bleibt konstant – Tag und Nacht.“ (Carlo Feldmann, leitet die NFT-Akademie)
Carina Münsterkötter ist Ausbildungsleiterin bei LMC Caravan aus Sassenberg. Sie hat in generativer KI ein nützliches Werkzeug erkannt.
Der Chatbot der Westfalen AG ist rund um die Uhr für die Kundinnen und Kunden über die Website erreichbar.
Franz-Josef Bülter ist Betriebsleiter der Ahauser Bäder und ist vom Nutzen der KI überzeugt.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel