Was KI wirklich bringt

„Einfach machen und loslaufen!“

Lernende Chatbots können Unternehmen von vielen Standardanfragen per Telefon oder E-Mail entlasten und die Erreichbarkeit ausweiten. Die Westfalen AG sammelt erste Erfahrungen und ist damit für die Kundschaft der Zukunft bereit. | Text: Ingrid Haarbeck
„Wo soll der Flüssiggastank stehen? Wieviel Quadratmeter sollen damit beheizt werden? Wollen Sie den Tank mieten oder kaufen?“ – Das sind nur die ersten Fragen, die der Chatbot der Westfalen AG in Münster Interessenten auf der Flüssiggas-Website stellt. Schritt für Schritt fragt der Bot alles ab, was Westfalen-Mitarbeiter wissen müssen, um ein konkretes Angebot erstellen zu können.
„All diese Dinge könnte die Kundin oder der Kunde natürlich auch in ein Online-Anfrageformular eintragen oder dem Innendienst-Team telefonisch mitteilen“, erläutert Christina Deiters, Digital Marketing Managerin bei Westfalen. „Aber mit dem Chatbot sind wir rund um die Uhr für die Kundinnen und Kunden erreichbar, das ist ein großer Vorteil.“ Dieser Vorteil ist vom ersten Tag an spürbar. Steigende Nutzerzahlen deuten darauf hin, dass das Angebot in die richtige Richtung geht. Mittelfristig erhofft sich Deiters auch eine erhöhte Lead-Generierung, also konkrete Produkt-Anfragen durch den Chatbot. Hierzu werden die Nutzungsstatistiken fortlaufend ausgewertet.
„Wenige Monate nach dem Start nutzen viele Besucher unserer Flüssiggas-Seiten den Chatbot. Der große Vorteil ist, dass diese Anfragen bereits alle notwendigen Angaben enthalten. Bei den herkömmlichen Anfragen per E-Mail oder Telefon muss oft noch einmal nachgefragt werden. Das bedeutet Zeitverlust für die Kunden und Kundinnen – und auch für unser Team.“
Als Deiters vor anderthalb Jahren mit der Recherche zu dem Thema begann, war tatsächlich noch bei keinem einzigen Flüssiggas-Wettbewerber ein Website-Chatbot zu finden. Der Impuls für dieses neue Kommunikationstool kam zwar aus dem Marketing, aber viele Fachbereiche des Unternehmens hatten gleich unzählige Ideen dafür, wo ein Chatbot im Web hilfreich sein könnte.
Zunächst musste aber geklärt werden, ob und wie die Westfalen AG mit KI auf der Website arbeitet, welche rechtlichen Aspekte gelten und welche Anwendungen priorisiert werden. In diesen initialen Prozess sei viel Zeit und Energie geflossen, erinnert sich Deiters. Die eigentliche Konfiguration und Pflege der Chatbots dagegen sei unkompliziert.
Die Westfalen AG arbeitet mit dem münsterschen Chatbot-Anbieter Loyjoy zusammen – wobei die physische Nähe zwar ein Plus, aber nicht ausschlaggebend war. Viele andere Chatbots seien für die Bedürfnisse der Westfalen AG überdimensioniert gewesen oder hätten über zu viele kostspielige Zusatzfunktionen verfügt. „Loyjoy dagegen ist ein flexibles Unternehmen, das das Produkt entsprechend den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden weiterentwickelt“, erläutert Deiters. Westfalen startete zunächst mit „einfacheren“ Chatbots – hat nun aber noch viele Möglichkeiten zur Erweiterung: Bei Anbindung an das Warenwirtschaftssystem könnte der Chatbot theoretisch auch gleich die Verfügbarkeit der Ware und den Preis anzeigen sowie eine Bestellung auslösen. Deiters und ihre Kollegen haben sich aber zum Start bewusst für überschaubarere Anwendungen entschieden, die technisch weniger aufwendig sind. Hier ging es vor allem darum, nicht an Tempo zu verlieren.
Der Flüssiggas-Chatbot ist nicht der einzige bei der Westfalen AG. Im Betrieb ist auch ein Ladehilfe-Chatbot, auf den ein QR-Code an den Elektroladesäulen des Konzerns verweist. Er liefert Ladenden zu jeder Tageszeit Antworten zu allen Fragen rund um den Ladevorgang, den Bezahlprozess oder zu den weiteren Ladestationen im Tankstellennetz der Westfalen-Gruppe.
Kurz vor der Einführung ist aktuell ein dritter Chatbot: Dieser wird sowohl auf der Website im Bereich Gase als auch im Gase-Onlineshop der Westfalen AG eingebunden. Hier können Kundinnen Produkte auf ihren speziellen Bedarf zuschneiden. „Damit sprechen wir erstmals auch gezielt gewerbliche Kunden an“, so Deiters.
Die Chatbots sparen letztlich nicht nur bei allen Beteiligten Zeit, sondern verbessern auch die bisherigen Informationsangebote: „Wenn klassische Online-Anfrageformulare abgebrochen wurden, wussten wir bisher nicht, warum. Im Chatbot hingegen können zwischendurch jederzeit Fragen gestellt und beantwortet werden, ohne dass der Chat dafür beendet werden müsste.“ Aus diesen gestellten Fragen lässt sich auch ablesen, welche Informationen auf der Website verbessert werden können.
Langfristig geht aus Sicht von Christina Deiters nichts an der Weiterentwicklung der Chatbots vorbei, denn jüngere Zielgruppen bevorzugen diese Art der Kommunikation häufig gegenüber von Telefonaten. „Wir bleiben daher konsequent auf unserem KI-Kurs“, unterstreicht Deiters und empfiehlt allen, die Interesse am Thema haben, den pragmatischen Ansatz: „Nicht theoretisch verzetteln, sondern einfach machen und loslaufen! Wer da Angst hat, verpasst viele Chancen.“