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Knappes Gut
Lange Warteschlangen an der Kasse, Auftragsverzögerungen in der Industrie, eine schleppende digitale Transformation – der Fachkräftemangel ist ein Geschäftsrisiko. Die IHK Nord Westfalen unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen beim Finden und Binden mit kostenfreien Dienstleistungen. (Von Mareike Scharmacher-Wellmann)
© IHK
Um qualifiziertes Fachpersonal einzustellen und vor allem auch zu halten, müssen Betriebe einiges bieten: Neben einem attraktiven Gehalt stehen flexible Arbeitszeitmodelle und Fortbildungsmöglichkeiten oben auf der Wunschliste junger Fachkräfte, weiß das Arbeitgeberportal kununuu.
Arbeitsmarkt = Arbeitnehmermarkt
„Die Unternehmen sind sich sehr bewusst, dass ihr Erfolg auf der Einsatzbereitschaft jedes Einzelnen basiert“, erklärt Carsten Taudt. „Benefits für Mitarbeiter gehören darum mittlerweile zum guten Ton“, ordnet er ein.
Was also bleibt darüber hinaus noch zu tun? Mitgliedsunternehmen können die kostenfreien Dienstleistungen der IHK nutzen. Trotz allem bleibt eins klar: „Wir sprechen nicht darüber, dass wir die Fachkräftelücke schließen können, sondern darüber, dass es Wege gibt, sie zu verkleinern“, betont Taudt.
„Wer außerordentliche Ergebnisse will, muss auch auf der Suche nach Talenten neue Wege gehen.”Carsten Taudt, IHK-Geschäftsbereichsleiter Bildung, Fachkräftesicherung und Recht
Ausbildung bleibe der beste Weg zur Fachkräftesicherung. Derzeit registriert die IHK 5.952 aktive Ausbildungsbetriebe. Die meisten (4.114) bieten kaufmännische Ausbildungen an. 1.087 Betriebe bilden in industriell-technischen Berufen aus, 751 in beiden Bereichen. Insgesamt sind das deutlich weniger als noch vor ein paar Jahren. Mit den sinkenden Schulabgängerzahlen bleiben zunehmend Plätze unbesetzt, weshalb gerade kleinere Ausbildungsbetriebe schnell ganz ohne Azubis dastehen.
Die IHK-Ausbildungsberatung unterstützt Unternehmen dabei, sich auf die Aufgabe als Ausbildungsbetrieb vorzubereiten. Taudt: „Wer sich als Ausbildungsbetrieb öffentlich profiliert hat, hält im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte gute Karten in den Händen.“
Zu den Jugendlichen gehen
© Canva/IHK
Zum einen beeinträchtigen immer noch die Folgen der Corona-Pandemie den Ausbildungsmarkt. „Nach wie vor finden Jugendliche und Unternehmen nicht so gut zusammen wie vor der Pandemie“, beschreibt Taudt die Situation. Viele Jugendliche wüssten einfach zu wenig über betriebliche Ausbildung und schlügen andere Wege ein. „Das muss sich ändern“, sagt Taudt.
Zum anderen merken auch die Betriebe beim Azubi-Recruiting die demografische Entwicklung. Denn die Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen ist in den vergangenen Jahren weiter geschrumpft. „Damit stehen auch weniger Nachwuchskräfte für die betriebliche Ausbildung zur Verfügung“, erläutert Taudt. Das spiegele sich in der hohen Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze wider. Taudt: „Im September 2022 gab es im IHK-Bezirk Nord Westfalen rund 1.100 offene Ausbildungsangebote.“
Aus vielen Töpfen schöpfen
Die IHK Nord Westfalen bietet Werkzeuge an, mit denen sie ihren Unternehmen die Fachkräftegewinnung im Ausland erleichtert: „UBAconnect, ein Dienst, mit dem Betriebe und ausländische Fachkräfte zusammenfinden, Unterstützung bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und bei der Integration von Flüchtlingen“, zählt Taudt auf.
Ein weiterer Schritt in Richtung Fachkräftesicherung ist die Inklusionsberatung der IHK Nord Westfalen. Inklusionsberater Uwe Gabler greift Arbeitgebern unter die Arme, die Menschen mit Behinderung – nach Unfall, Krankheit oder angeboren – einstellen oder (weiter) beschäftigen möchten. Was hier im späteren Arbeitsleben seine Fortsetzung findet, bieten die sogenannten Fachpraktikerregelungen in der Ausbildung. Die IHK verabschiedet mit ihrem Berufsbildungsausschuss regelmäßig theoriegeminderte Ausbildungen wie den Fachpraktiker im Lagerbereich, der Menschen mit schweren Lernbehinderungen eine Ausbildung in einem abgespeckten Berufsbild ermöglicht.
„Wer hier Arbeitsplätze passend zuschneidet, kann damit ein ganz neues Potenzial an Arbeitskräften erschließen.“Carsten Taudt, IHK-Bildungsexperte
Taudt rät den Unternehmen alle alten und neuen Möglichkeiten zu nutzen, mit denen sie Fachkräfte gewinnen können. Die IHK helfe dabei mit ihren Angeboten, die Taudt vor allem als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden wissen will. Der erste Schritt ist dabei die Information der Betriebe über das Vielfältige Angebot. Dazu diente schon der Fachkräftekongress, der sich neben der Fachkräftegewinnung im Ausland beispielsweise mit der Frage beschäftigte, wie Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber positionieren und wie die Unternehmenskultur dabei helfen kann.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel