Entsendung deutscher Arbeitnehmer nach Frankreich
Für eine rechtssichere Entsendung von Mitarbeitenden nach Frankreich ist es entscheidend, verschiedene (lokale) Vorschriften zu beachten. Erfahren Sie, welche Anforderungen zu erfüllen sind!
1. Entsendemitteilung: Wer, wann und wie?
1.1 Mitarbeitende
Unternehmen, die Mitarbeitende zur vorübergehenden Ausführung von Arbeiten nach Frankreich entsenden (maximal 24 Monate), sind verpflichtet, dies vor Beginn des Einsatzes zu melden. Dies erfolgt bei der Arbeitsinspektion (Inspection du Travail) über das Internetportal SIPSI des französischen Staates.
Neben der Meldung des Einsatzes über SIPSI ist zudem eine Vertretungsperson vor Ort für die Dauer der Entsendung zu benennen. Diese stellt die Verbindung zwischen der Arbeitsinspektion, der Polizei sowie der Zoll-, Steuer- und Sozialbehörden her. Die vertretende Person hält für mögliche behördliche Kontrollen die Unterlagen vor. Sie muss in der Lage sein, sich in französischer Sprache auszudrücken. Übernommen werden kann die Rolle durch:
- die/den Geschäftsführende(n) oder Mitarbeitende am Einsatzort (bei Nachweis über französische Adresse oder entsprechende Hotelanschrift)
- die Kundin/ den Kunden
- das beauftragende Unternehmen
- externe Dienstleistende z. B. die AHK Frankreich
Gewerbliche Auftraggebende sind verpflichtet die SIPSI-Eingangs-/ Empfangsbestätigung vom Entsendeunternehmen anzufordern.
Von der Pflicht zur Entsendemitteilung befreit sind: Entsendungen im eigenen Auftrag, d. h. Einsätze bei denen weder direkt noch indirekt ein Vertragsverhältnis zu einer Kundin/einem Kunden in Frankreich besteht (z. B. Messebesuche). Für Zeitarbeitsfirmen gelten diese Erleichterungen jedoch nicht. Weitere Ausnahmetatbestände finden sich in Art. 1 im Dekret vom 4. Juni 2019.
1.2 Selbstständige
Selbstständige Personen müssen Auslandseinsätze nicht bei der Arbeitsinspektion (Inspection du Travail) melden. Auch Geschäftsführende sind von der Meldepflicht befreit, sofern diese nicht den Status einer/eines Arbeitnehmenden haben.
Im Fall einer Kontrolle müssen Sie auf Verlangen belegen können, dass sie tatsächlich selbstständig tätig sind – etwa durch:
- Gewerbeanmeldung oder Handelsregisterauszug
- IHK/HWK-Mitgliedsbescheinigung
- Nachweise über mehrere Auftraggebende
- Verträge, Rechnungen, Geschäftsführenden-Verträge etc.
2. Meldung reglementierter Berufe
Neben der allgemeinen Entsendemeldung kann in bestimmten Fällen eine zusätzliche Dienstleistungsanzeige für reglementierte Berufe erforderlich sein. Zu Teilen besteht sogar eine Genehmigungspflicht. Beides erfolgt unter Vorlage eines Qualifikationsnachweises – etwa in Form einer EU-Bescheinigung.
Eine Liste mit reglementierten Berufen findet sich auf der Webseite der französischen Behörde INPI.
3. Minimale Lohn- und Arbeitsbedingungen
Unternehmen, die Arbeitnehmende nach Frankreich entsenden, müssen sicherstellen, dass die gesetzlichen Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen des Entsendestaates eingehalten werden, sofern die Bedingungen im Herkunftsland nicht bereits besser sind (Günstigkeitsprinzip). Dazu gehören:
- Entlohnung einschließlich Überstundensätze
- Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten, gesetzliche Feiertage
- Pausenzeiten
- Bezahlter Mindestjahresurlaub und Sonderurlaub
- Sicherheits-, Gesundheits- und Hygienevorschriften am Arbeitsplatz und Vorschriften bzgl. der ärztlichen Aufsicht
- individuelle und kollektive Freiheit (insbesondere Streikrecht)
- Schutzvorschriften für Schwangere und Wöchnerinnen, Jugendliche und Kinder
- Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot
- Erstattung von beruflichen Aufwendungen
Eine Übersicht der arbeitsrechtlichen Vorschriften finden Sie auf der Webseite des französischen Arbeitsministeriums.
Wichtig: Für viele Branchen existieren verbindliche Tarifverträge, dessen Vorschriften vorrangig anzuwenden sind. Ob Ihre Tätigkeit durch einen Tarifvertrag geregelt ist, können Sie interaktiv auf der Webseite der französischen Verwaltung prüfen.
Bei einer Entsendung von mehr als zwölf Monaten müssen alle Regeln des französischen Rechts beachtet werden, nicht nur die Regeln des "harten Kerns". Das bedeutet, dass ab dem 13. Monat sämtliche gesetzlich und tarifvertraglich festgelegte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmende gelten.
4. Besonderheiten für Subunternehmen
Selbstständige Subunternehmen müssen ihre Auslandseinsätze selbst melden. Allerdings kann das auftraggebende Unternehmen in Haftung genommen werden (Stichwort Solidarhaftung), wenn das Subunternehmen seinen Entsendepflichten nicht nachkommt. Es empfiehlt sich entsprechende Nachweise vom Subunternehmen einzufordern.
5. Besonderheiten im Baugewerbe
5.1 Berufsidentifikationskarte
Unternehmen, die im Hoch- und Tiefbau, Ausbau und Innenausbau tätig sind und Mitarbeitende nach Frankreich entsenden, sind verpflichtet, eine Berufsidentifikationskarte („Carte d’identification professionelle BTP“) zu beantragen. Eine Liste der betroffenen Tätigkeiten findet sich im Art. R.8291-1 des französischen Arbeitsgesetzes.
Die BTP-Karte ist personenbezogen und muss vor der Entsendung sowohl für Angestellte als auch für Zeitarbeitnehmende beantragt werden. Die Berufsidentifikationskarte enthält personenbezogene Informationen zu der/dem Arbeitgebenden, den Arbeitnehmenden, der Staatsangehörigkeit, der Adresse der Baustelle, der Dauer der Bautätigkeit etc.
Die Karte muss zum Arbeitsort mitgeführt werden, um bei Kontrollen vorgelegt werden zu können.
Die Beantragung einer Berufsidentifikationskarte erfolgt über die Online-Plattform Carte BTP. Die Gültigkeitsdauer der BTP-Karte, die ab dem 1. April 2024 bestellt wurden, wurde auf 5 Jahre verlängert.
5.2 Mitgliedschaft in einer Urlaubs- und „Unwetter"-Kasse
Arbeitgebende der Hoch- und Tiefbaubranche und der Show-Branche müssen zwingend Mitglied in den Urlaubskassen in Frankreich sein und hier Beiträge für ihre Arbeitnehmenden zahlen. Im Hoch- und Tiefbau müssen Arbeitgebende zudem Beiträge für die Entschädigung von Arbeitnehmenden im Falle von Unwettern zahlen.
Hinweis: Urlaubskassen wurden auch für Arbeitnehmende von Straßentransportunternehmen und für Arbeitnehmende an Häfen eingeführt.
Urlaubskassen ermöglichen, die Verwaltung und die Zahlung des Urlaubsentgelts für Arbeitnehmende. Die Urlaubskasse tritt an die Stelle der/ des Arbeitgebenden zur Zahlung von Entschädigungen, deren Finanzierung durch die Beiträge der beitragspflichtigen Arbeitgebenden gesichert ist.
Von dieser Pflicht ausgenommen sind Unternehmen, die beweisen können, dass sie bereits Mitglied einer Kasse oder eines vergleichbaren Systems in ihrem Herkunftsland sind.
Weitere Informationen befinden sich auf der Webseite des französischen Arbeitsministeriums.
6. Sozialversicherung
Darüber hinaus wird für entsandte Mitarbeitende eine A1-Bescheinigung benötigt. Diese gilt als Nachweis dafür, dass Arbeitnehmende weiterhin in der deutschen Sozialversicherung verbleiben. Die A1-Bescheinigung muss beim jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger online beantragt werden. Weitere Details können Sie unserem Internetartikel „A1-Bescheinigungen für Geschäftsreisen und Entsendungen“ entnehmen.
7. Nützliche Links
- Webseite des französischen Arbeitsministeriums
- AHK Frankreich
- EIC Trier IHK/HWK Europa- und Innovationscentre GmbH
- Außenwirtschaftsportal Bayern
8. IHK-Checkliste: Alles auf einen Blick
1. Vorabmaßnahmen
- Meldung der Entsendung im SIPSI-Portal
- dazu: Vertretungsperson benennen
- ggf. Dienstleistungsanzeige oder Genehmigung bei reglementierten Berufen
- dafür: EU-Bescheinigung bei der IHK anfordern
- A1-Bescheinigung im SV-Meldeportal beantragen
- Für abhängig Beschäftigte: minimale Lohn- und Arbeitsbedingungen in Frankreich gewähren
- Bei Einsatz von Subunternehmen: Nachweise über ordnungsgemäße Entsendung einfordern, um Solidarhaftung zu vermeiden
- Im Baubereich: BTP-Karte beantragen
2. Während des Einsatzes
Bei Kontrollen müssen folgende Unterlagen in französischer Sprache vorgelegt bzw. zeitnah auf Anforderung der Kontrollbehörden übersetzt und vorgelegt werden:
- Ausweisdokumente
- SIPSI-Empfangs-/Eingangsbestätigung bzw. Nachweise bei Entfall der Meldepflicht
- ggf. Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Nicht-EU-Staatsangehörige
- Kopie des Auftrages (darin: anwendbares Recht)
- Arbeitsvertrag oder jeder sonstige Nachweis über den Einstellungsort der/des Arbeitnehmenden + anwendbares Recht
- Entsendungen < 1 Monat: Nachweis über die Beachtung der vorgeschriebenen Mindestvergütung
- Entsendungen > 1 Monat: Lohnabrechnung jeder/jedes Arbeitnehmenden. Daraus ersichtlich werden muss:
- Mindestgehalt sowie ggf. Überstundenzuschläge
- Arbeitszeitraum und -zeiten, auf die sich die Lohnabrechnung bezieht (zum Normalsatz und mit Zuschlägen - ausgezahlte Stunden müssen gesondert aufgeführt werden)
- Entgelte für Urlaubs- und Feiertage
- ggf. anwendbarer Tarifvertrag
- Nachweis über die tatsächliche Auszahlung der Vergütung
- Nachweis der medizinischen Eignung des/ der Mitarbeitenden (bzw. vergleichbare arbeitsmedizinische Untersuchung im Herkunftsland)
- Stundennachweis (Arbeitsbeginn und -ende, Pausenzeiten, tägliche Gesamtarbeitszeit)
- A1-Bescheinigung (für Drittstaaten: Nachweis über Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten)
- Auf Anfrage: Umsatzaufstellung des ausgeführten Vertrags im Niederlassungsstaat und Frankreich
- Im Baugewerbe: Carte BTP