Entsendung von Arbeitnehmenden ins Ausland

Bei der Entsendung von Mitarbeitenden ins Ausland stellen sich zahlreiche rechtliche Fragen: Was ist in puncto Arbeitsrecht zu beachten? Wie ist die Sozialversicherung geregelt? Wo fällt Lohnsteuer an? In diesem Beitrag geben wir einen praxisnahen Überblick über die wichtigsten Regelungen innerhalb der EU – kompakt, praxisnah und verständlich.

1. Was ist eine Entsendung?

Eine Entsendung liegt grundsätzlich dann vor, wenn eine Arbeitnehmerin/ ein Arbeitnehmer auf Weisung des deutschen Arbeitgebenden vorübergehend im Ausland arbeitet – also für eine im Voraus bestimmte Zeit außerhalb Deutschlands tätig ist.

Weitere Merkmale einer Entsendung sind:
  • Die/der entsandte Arbeitnehmende behält in ihrem/ seinem in Deutschland ansässigen Betrieb eine Funktion und übt diese nach Rückkehr wieder aus.
  • Das Arbeitsverhältnis zum arbeitgebenden Unternehmen bleibt während der gesamten Zeit bestehen – einschließlich der Weisungsgebundenheit.
  • Das Gehalt wird weiterhin vom deutschen Unternehmen gezahlt.
Nicht als Entsendung gilt:
  • Wenn die/der Arbeitnehmende im Inland eigens für die Arbeit im Ausland eingestellt wird oder,
  • Die/der Arbeitnehmende bereits im Ausland lebt und dort beschäftigt ist und von dort aus eine neue Beschäftigung aufnimmt oder,
  • Die/der Arbeitnehmende nach Beendigung des Einsatzes nicht plant nach Deutschland zurückzukehren.

2. Grundsätze von Mitarbeitendeneinsätzen in der EU

Entsendungen innerhalb der EU, dem EWR und der Schweiz unterliegen bestimmten gemeinsamen Grundsätzen - unabhängig davon, in welches Land eine Arbeitskraft entsandt wird. Dies hat zum Ziel, faire Arbeitsbedingungen und einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen sicherzustellen.

Die wichtigsten dieser EU-weit geltenden Regelungen werden in diesem Kapitel zusammengefasst. Eine Übersicht darüber, wie diese Grundsätze durch nationale Bestimmungen ergänzt werden, finden Sie in Kapitel 3 "Nationalstaatliche Regelungen".

2.1 Entsendemitteilung

Nahezu alle EU-/EWR-Staaten sowie die Schweiz verlangen eine vorherige Entsendemeldung, selbst bei kurzen Arbeitseinsätzen. Diese enthält z. B. Angaben zu:
  • Unternehmen und entsandte Personen
  • Einsatzort und -dauer
  • Art der Tätigkeit im Entsendestaat
  • ggf. Arbeitszeiten und Vergütung (zur Kontrolle der Mindeststandards)
  • Name und Anschrift des auftraggebenden Unternehmens
  • Kontaktperson vor Ort

Übersicht länderspezifischer Meldeportale:

Entsendungen im Straßenverkehrssektor sind von Kraftfahrtunternehmen mit Sitz in einem EU- oder einen EWR-Staat über das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) zu melden.
Als Entsendung im Straßenverkehrssektor gelten folgende Fälle:
  • Kabotagebeförderungen, d. h. innerstaatliche Beförderungsdienstleistungen im Ausland durch ein deutsches Unternehmen.
  • Trilaterale Beförderungen, d. h. grenzüberschreitende Beförderungsdienstleistungen durch ein deutsches Unternehmen, bei denen sich weder Anfangs- noch Endpunkt in Deutschland befindet.
Keine Entsendung liegt vor bei:
  • Bilateralen Förderungen: Beförderungen vom oder in den Niederlassungsstaat des Unternehmens - sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr - ohne weiteren Inlandsbezug.
  • Transitfahrten: Durchfahrten durch ein EU-/EWR-Land ohne Be- oder Entladung bzw. Fahrgastaufnahme oder -absetzung.
  • Beispiel: Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen befördert Ware oder Personen nach Spanien, durchfährt Frankreich ohne Fracht zu (ent)laden oder Fahrgäste auf-/abzunehmen.

Ausnahmen zur Meldepflicht

Unter bestimmten Voraussetzungen besteht keine Pflicht zur Entsendemeldung. Ob eine Ausnahme greift, hängt dabei von der Art und Dauer des Auslandseinsatzes ab.

Typischerweise meldefrei sind Einsätze, bei denen keine direkte oder indirekte vertragliche Beziehung zu einer Kundin/ einem Kunden im Ausland besteht – etwa bei der Teilnahme an Kongressen, Weiterbildungen oder firmeninternen Besprechungen.

In einigen Ländern gibt es darüber hinaus spezielle branchenspezifische Ausnahmen, z. B. das sogenannte Montageprivileg: Danach sind Einsätze zur Installation, Wartung oder Reparatur technischer Anlagen von der Meldepflicht befreit.

Da die Ausnahmeregelungen national sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, empfiehlt es sich dringend zu prüfen, welche Tätigkeiten im jeweiligen Zielland nicht meldepflichtig sind. Hinweise und weiterführende Informationen dazu finden sich in Kapitel 3 “Nationalstaatliche Regelungen”.

2.2 Anzeigepflicht reglementierter Berufe

Neben der allgemeinen Entsendemeldung kann in bestimmten Fällen eine zusätzliche Dienstleistungsanzeige für reglementierte Berufe erforderlich sein. Zu Teilen besteht sogar eine Genehmigungspflicht. Als reglementierte Berufe gelten Tätigkeiten, die im Aufnahmeland gesetzlich geschützten Zugangs- oder Ausübungsbedingungen unterliegen. Dies betrifft typischerweise Berufe in den Bereichen Gesundheitswesen, Technik und Bau, sowie ausgewählte Handwerksberufe.

Die erforderliche Anzeige muss häufig unter Vorlage eines Qualifikationsnachweises erfolgen – etwa in Form der EU-Bescheinigung.

2.3 Arbeitsrechtliche Bestimmungen

Wenn Sie Mitarbeitende ins europäische Ausland entsenden, müssen Sie grundsätzlich die dort geltenden gesetzlichen Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen einhalten – es sei denn, die deutschen Vorgaben sind vorteilhafter (Günstigkeitsprinzip).

Entsandte Arbeitnehmende können sich auf folgende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Aufnahmemitgliedstaat berufen:
  • Entlohnung einschließlich Überstundensätze
  • Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten
  • Pausenzeiten
  • Bezahlter Mindestjahresurlaub
  • Vergütung
  • Sicherheits-, Gesundheits- und Hygienevorschriften am Arbeitsplatz
  • Schutzvorschriften für Schwangere und Wöchnerinnen, Jugendliche und Kinder
  • Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot
  • Zulagen oder Kostenerstattungen zur Deckung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmende, die aus beruflichen Gründen nicht zu Hause wohnen.
Ab einer Entsendedauer von 12 Monaten – bei Vorlage einer Begründung 18 Monate - sind alle geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Entsendestaat, die gesetzlich oder tarifvertraglich gelten, zu beachten. Dies betrifft z. B. Verfahren, Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrags sowie die betriebliche Altersvorsorge.

Was Sie als arbeitgebendes Unternehmen beachten müssen: Bevor Sie Mitarbeitende ins Ausland entsenden, bedarf es oftmals einer Anpassung des Arbeitsvertrages.

Bei kurzen Entsendungen mit Dienstreisecharakter ist die Entsendung von Arbeitnehmenden ins Ausland laut Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 30.11.2022 – 5 AZR 336/21) vom Weisungsrecht der/des Arbeitgebenden umfasst – allerdings begrenzt durch eine Billigkeitskontrolle. Das bedeutet: Arbeitgebende dürfen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung einseitig bestimmen, sofern dies nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Regelung im Arbeitsvertrag eingeschränkt ist. Eine Zusatzvereinbarung ist nicht erforderlich.

Sollte die Entsendung von Arbeitnehmenden zeitlich über die Dauer von vier Wochen hinausgehen, sind folgende Aspekte im Arbeitsvertrag zu regeln:
  • Dauer der Entsendung
  • Verantwortungsbereich und Beschreibung der Tätigkeit
  • Arbeitszeit
  • Feiertage
  • Urlaubsanspruch
  • Zulagen, wie bspw. Mobilitäts- oder Erschwerniszulagen
  • Arbeitsentgelt (Währung und Auszahlung)
  • Ausgleich von Mehraufwendungen (wie Reise- und Umzugskosten, Unterkunft, Heimreisen)
  • Zusatzversicherungen
  • Betriebliche Altersvorsorge
  • Rückkehrbedingungen
  • ggf. Rückrufklausel
  • Geltungsdauer der Zusatzvereinbarung / des Ergänzungsvertrages
  • Kostentragung bei vorzeitiger Rückkehr
  • Für Krisenfälle: Regelungen zur Ausreise, Wiederbeschäftigung in Deutschland und Behandlung des Vergütungsanspruchs
  • Anwendbares Recht
  • einen den Anforderungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 NachwG entsprechenden offiziellen Link
Ein abgeänderter Arbeitsvertrag darf nicht einfach so ausgehändigt werden, sondern bedarf der beidseitigen Zustimmung.
Wichtig: Achten Sie darauf, den Betriebsrat bei der Planung von Auslandseinsätzen sowie personellen Maßnahmen während des Auslandseinsatzes zu beteiligen (z. B. Umgruppierung von entsandten Mitarbeitenden).

2.4 Sozialversicherung

Bei einer vorübergehenden Entsendung bzw. bei Geschäftsreisen innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz, bleiben Arbeitnehmende weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig – dies wird auch als “Ausstrahlung” bezeichnet.
Voraussetzung ist, dass:
  • ein gewöhnliches Beschäftigungsverhältnis in Deutschland besteht,
  • das Gehalt während der Auslandsentsendung weiterhin vom deutschen Unternehmen gezahlt wird,
  • der Entsendezeitraum im Voraus befristet ist (maximal 24 Monate),
  • keine Ablösung von anderen Mitarbeitenden erfolgt und
  • die Person die Staatsangehörigkeit eines EU-Staates besitzt (persönlicher Anwendungsbereich).
In allen anderen Fällen – z. B. bei dauerhafter Auslandstätigkeit oder einem Arbeitsverhältnis mit einer ausländischen Tochtergesellschaft – greift in der Regel die ausländische Sozialversicherungspflicht.

Innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz ist die bestehende Sozialversicherung durch eine A1-Bescheinigung nachzuweisen. Sie ist bei Dienstreisen oder Entsendungen stets mitzuführen und auf Verlangen der Behörden im Gastland vorzulegen.

Weitere Informationen zur A1-Bescheinigung, möglichen Ausnahmen und dem Antragsverfahren können Sie unserem Internetartikel “A1-Bescheinigungen für Geschäftsreisen und Entsendungen in Europa entnehmen.

2.5 Mitzuführende Dokumente

Bei Entsendungen in die EU, das EWR und die Schweiz sind grundsätzlich folgende Dokumente mitzuführen:
  • Kopie der Entsendemitteilung (ggf. Nachweise bei Entfall der Meldepflicht)
  • Gültiges Ausweisdokument (Personalausweis oder Reisepass)
  • A1-Bescheinigung
  • Arbeits-/Entsendevertrag, Lohnzettel, Gehalts(zahlungs)nachweise
  • Stundenzettel (mit Arbeitsbeginn und -ende, Pausen, Gesamtarbeitszeit)
  • Kopie des Dienstleistungsvertrages
  • Ggf. Befähigungsnachweis in reglementierten Berufen (z. B. EU-Bescheinigung)
  • Ggf. Arbeitsgenehmigungen für Drittstaatsangehörige
  • Im Falle der Selbstständigkeit: Nachweis über selbstständige Tätigkeit durch Gewerbeanmeldung, Handelsregisterauszüge, Nachweise über mehrere Auftraggebende
Je nach Zielland und Tätigkeit können weitere Unterlagen mitzuführen sein. Auch die Pflicht zur Aufbewahrung der Entsendedokumente ist länderspezifisch geregelt.

2.6 Lohnsteuerliche Besonderheiten

Fraglich ist, ob Arbeitnehmende, die für ihren Arbeitgebenden im Ausland tätig werden, ihr Einkommen weiterhin im Inland oder im jeweiligen Zielland zu versteuern haben.

Maßgeblichkeit des Wohnsitzes

Wer in Deutschland wohnt oder sich hier gewöhnlich aufhält, muss sein Arbeitseinkommen in Deutschland versteuern. So regelt es § 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das heißt: Wer trotz einer Entsendung ins Ausland seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält – zum Beispiel, weil er oder sie die Wohnung weiterhin nutzt oder regelmäßig zurückkehrt – bleibt in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Selbst wenn die Wohnung für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten untervermietet wird, gilt der Wohnsitz weiterhin als beibehalten. Wird die Wohnung jedoch dauerhaft aufgegeben - etwa durch Kündigung oder Verkauf - entfällt die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.

Bei verheirateten Personen gilt: Solange die Eheleute nicht dauerhaft getrennt leben, wird davon ausgegangen, dass der gemeinsame Wohnsitz dort ist, wo die Familie lebt.

Doppelbesteuerungsabkommen

Grundsätzlich unterliegen auch im Ausland erzielte Einkünfte der deutschen Einkommensteuer – Stichwort Welteinkommensprinzip. Gleichzeitig kann auch der ausländische Staat ein Besteuerungsrecht für die vor Ort ausgeübte Tätigkeit geltend machen. Um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden, hat Deutschland mit vielen Staaten sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen, welche verschiedene Anrechnungsmethoden vorsehen können.

Für Arbeitnehmende gilt dabei meistens: Besteuert wird im Staat, in dem die Arbeit tatsächlich ausgeübt wird. In Deutschland werden diese Einkünfte dann – je nach Abkommen – entweder freigestellt oder die im Ausland gezahlte Steuer wird angerechnet:
  • Freistellungsmethode: Die ausländischen Einkünfte werden in Deutschland nicht besteuert, wirken sich aber auf den Steuersatz aus, der für andere Einkünfte (z. B. Kapitalerträge oder Vermietung) gilt.
  • Anrechnungsmethode: Die Einkünfte werden sowohl im Ausland als auch in Deutschland versteuert. Allerdings wird die im Ausland gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet.
Wenn kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, kann die im Ausland gezahlte Steuer unter bestimmten Bedingungen ebenfalls auf die deutsche Steuer angerechnet werden. Das ist aber nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung möglich – nicht beim Lohnsteuerabzug. Betroffene müssen dafür eine Steuererklärung abgeben und die Anrechnung beantragen.

183-Tage-Regelung

Eine zentrale Ausnahmeregelung zum Grundsatz der Besteuerung durch den Tätigkeitsstaat in vielen Doppelbesteuerungsabkommen ist die sogenannte 183-Tage-Regelung. Sie besagt: Einkünfte aus einer Tätigkeit im Ausland bleiben in Deutschland steuerpflichtig, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
  1. Die/der Arbeitnehmende hält sich im Tätigkeitsstaat nicht länger als 183 Tage in einem Zeitraum von 12 Monaten auf.
  2. Das arbeitgebende Unternehmen ist nicht im Tätigkeitsstaat ansässig.
  3. Der Arbeitslohn wird nicht von einer Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat getragen.
Die 183 Tage beziehen sich auf die tatsächlichen Tage der körperlichen Anwesenheit im Ausland – nicht auf die Dauer des Arbeitsvertrags oder die Zahl der Arbeitstage.

3. Nützliche Links und Anlaufstellen

4. Nationalstaatliche Regelungen: Übersicht nach Ländern