18.01.2024

Sanktionsumgehungen vermeiden

Die Europäische Union hat das 11. Sanktionspaket Ende Juni veröffentlicht. Mit diesem wird ein neuer Rechtsrahmen geschaffen, um zu verhindern, dass sanktionierte Waren und Teile daraus unerlaubt nach Russland gelangen.

1. Neuer Rechtsrahmen für Sanktionsumgehungen

Mit dem 11. Sanktionspaket wurde der rechtliche Rahmen geschaffen, um gegen Sanktionsumgehungen vorzugehen. In Artikel 12f Verordnung (EU) 2023/1214 ist die neue Regelung aufgeführt, die besagt, dass die in Anhang XXXIII aufgeführten Güter und Technologien in das im Anhang XXXIII aufgeführte Drittland nicht ausgeführt werden dürfen. Auch die technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste sind im Zusammenhang mit diesen Gütern und Technologien verboten. Dies gilt ebenso für Finanzhilfen und Finanzmittel, Rechte des geistigen Eigentums und Lizenzen. 
Bei den genannten Gütern und Technologien handelt es sich um solche mit doppeltem Verwendungszweck oder Güter und Technologien, die zur Stärkung der militärischen, technologischen oder industriellen Kapazitäten Russlands bzw. zur Entwicklung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors in einer Weise beitragen könnten, die seine Fähigkeit zur Kriegsführung stärkt, und deren Ausfuhr nach Russland im Rahmen dieser Verordnung verboten ist, und bei denen ein hohes und kontinuierliches Risiko besteht, dass sie nach dem Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr aus der Union aus Drittländern nach Russland verkauft, geliefert, verbracht oder ausgeführt werden.
Der Artikel ist zurzeit noch ohne Anwendungsbereich. Die Aufnahme von Gütern, Technologien und Drittländern wird als letztes Mittel der handelsbezogenen Beschränkungen gesehen. Die Sanktionsumgehungen sollen möglichst mit Hilfe diplomatischer Verhandlungen minimiert werden.

2. Anstieg von Exporten als Indiz für Sanktionsumgehungen (Stand: 4. Juli 2023)

Die Außenhandelszahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Ausfuhr einiger Waren in andere Drittländer sprunghaft angestiegen ist, insbesondere die Ausfuhren in die Türkei und nach Kasachstan. Aber auch andere Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion wie beispielsweise Armenien zeigen gestiegene Exporte auf.
Die Türkei und Kasachstan haben bereits politisch auf mögliche Sanktionsumgehungen reagiert. Türkische Unternehmen sollen eine Liste von Waren von der Regierung erhalten haben, deren Export nach Russland verboten ist. Kasachstan hat am 1. April 2023 ein elektronisches System zur Nachverfolgung von Waren veröffentlicht, um mögliche Re-Exporte besser zu überwachen.

3. Empfehlung der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission empfiehlt den Wirtschaftsakteuren in der EU bereits angemessene Schritte zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht einzuleiten. Damit soll verhindert werden, dass die Sanktionsmaßnahmen umgangen werden durch:
  • die Ausfuhr in Drittländer, aus denen diese Waren leicht nach Russland und Belarus umgeleitet werden können; dies gilt besonders bei der Ausfuhr von sanktionierten Waren in die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU, bestehend aus Russland, Belarus, Armenien, Kasachstan sowie Kirgisistan), da innerhalb der EAWU freier Warenverkehr gilt;
  • die Einfuhr aus Drittländern, aus denen sanktionierte Waren leicht in die EU umgeleitet werden können, insbesondere wenn keine Beschränkungen für Einfuhren aus Russland und Belarus gelten; dies ist bei Waren der Fall, die aus anderen EAWU-Ländern eingeführt werden.

4. Maßnahmen

Zu den Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht gehört es beispielsweise, Bestimmungen in Einfuhr- und Ausfuhrverträge aufzunehmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass eingeführte oder ausgeführte Waren nicht unter die Beschränkungen fallen. Dies kann z. B. durch eine Erklärung geschehen, dass die Einhaltung einer solchen Bestimmung einen wesentlichen Vertragsbestandteil darstellt. 
Auch die Einholung von Endverbleibserklärungen wird empfohlen. Auf der Seite des BAFA finden sich mögliche Beispiele für Endverbleibserklärungen, die in angepasster Form an Kunden weitergeben werden können.
Eine weitere Möglichkeit ist die Aufnahme von Vertragsklauseln, mit denen der Einführer in einem Drittland verpflichtet wird, die betreffenden Waren weder nach Russland noch nach Belarus wieder auszuführen. Ebenso kann der Einführer verpflichtet werden, die betreffenden Waren auch nicht an einen dritten Geschäftspartner weiterzuverkaufen, der sich nicht dazu verpflichtet hat, die betreffenden Waren weder nach Russland noch nach Belarus auszuführen. Letzterer kann haftbar gemacht werden, falls er die Waren wieder dorthin ausführt. Für bestimmte Waren gilt sogar eine Pflicht zur Vereinbarung einer “Nicht-Russland-Klausel” (Verordnung (EU) Nr. 833/2014, Art. 12 g).

5. Pflicht zur Vereinbarung von “Nicht-für-Russland-Klauseln”

Mit der Einführung des neuen Art. 12g in der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 sollen Umgehungsgeschäfte in Bezug auf bestimmte Güter verhindern werden.
Die Vorschrift sieht vor, dass „Ausführer“ bei Drittlandsgeschäften in Bezug auf bestimmte sanktionierte Güter ab dem 20.03.2024 die Wiederausfuhr nach Russland sowie die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland „vertraglich untersagen“ müssen (Nicht-für-Russland-Klauseln).
Betroffen hiervon sind „der Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr“ (vgl. Art. 12g Abs. 1) von Gütern in ein Drittland, die in folgenden Anhängen aufgeführt sind:
  • Anhang XI
  • Anhang XX
  • Anhang XXXV
  • Neuer Anhang XL
  • Güter des Anhangs I der sog. Feuerwaffen-VO (VO (EU) 258/2021)
Ausgenommen von dieser Pflicht zur vertraglichen Untersagung möglicher Weiterlieferungen nach/zur Verwendung in Russland sind Vorgänge mit den Ländern aus Anhang VIII (USA, Japan, Vereinigtes Königreich, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz). Es gelten nach Abs. 2 Altvertragsregelungen für Verträge, die vor dem 19.12.2023 geschlossen wurden, bis spätestens zum 20.12.2024.
Zusätzlich müssen Ausführer gemäß Art. 12g Abs. 3 sicherstellen, dass die Abrede mit dem Vertragspartner im Drittland „angemessene Abhilfemaßnahmen“ für den Fall eines Verstoßes gegen das vereinbarte Wiederausfuhrverbot enthält.
Zudem müssen Ausführer nach Art. 12g Abs. 4, „sobald“ ihnen ein Verstoß gegen die zivilrechtlich vereinbarte Pflicht offenbar wird (d. h., insbesondere bei Bekanntwerden einer Weiterlieferung durch den Kunden im Drittland nach Russland), diesen an die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaates, in dem sie niedergelassen sind, melden.