Energiewendebarometer 2025 – Berliner Wirtschaft zwischen Fortschritt und Frustration
Die Berliner Wirtschaft steht auch im Jahr 2025 unter dem Einfluss tiefgreifender Veränderungen durch die Energiewende. Das aktuelle Energiewendebarometer zeigt ein differenziertes Bild: Während einige Unternehmen Fortschritte verzeichnen, überwiegen vielerorts Skepsis und strukturelle Hemmnisse. Ein Vergleich mit der bundesweiten Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) offenbart, dass viele Herausforderungen in Berlin Teil eines größeren Trends sind – jedoch mit regionalen Besonderheiten.
- Positive Signale – aber kein Grund zur Entwarnung
- Verwaltungsaufwand und Planungsunsicherheit hindern Transformation
- Positive Entwicklungen: Fortschritte bei Eigenversorgung und Klimazielen
- Negative Tendenzen: Standortunsicherheit und steigende Belastungen
- Was die Wirtschaft von der Politik erwartet
- Beratung bleibt gefragt
- Fazit: Berlin zeigt Erholung – aber strukturelle Herausforderungen bleiben
Mit dem Energiewendebarometer soll die Sicht der Wirtschaft auf die Defizite der Energiewende ebenso klar benannt werden wie die Fortschritte und Erfolge. Es beruht auf einer jährlichen Umfrage der IHK-Organisation zu Energiemaßnahmen der Betriebe, zur Energieversorgung, zu Auswirkungen der Energiewende auf die Unternehmen sowie zu politischen Forderungen.
Positive Signale – aber kein Grund zur Entwarnung
Die Berliner Wirtschaft zeigt sich 2025 erstmals seit Jahren optimistisch in Bezug auf die Energiewende. Das aktuelle Energiewendebarometer der IHK Berlin verzeichnet einen positiven Barometerwert (basierend auf der Frage: Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit) von +2,6 – ein bemerkenswerter Umschwung nach dem Tiefpunkt von –20,7 im Jahr 2023. Damit hebt sich Berlin deutlich vom bundesweiten Durchschnitt ab, der laut DIHK weiterhin bei –8,3 liegt.

Fast ein Drittel (31 Prozent) der Berliner Unternehmen bewertet die Energiewende mittlerweile positiv. Dennoch bleibt die Skepsis groß: 29 Prozent sehen weiterhin negative Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. Besonders die hohen Energiepreise belasten die Betriebe. 54 Prozent berichten von gestiegenen Stromkosten, 63 Prozent von höheren Wärmepreisen und 47 Prozent von gestiegenen Transportkosten. Fast die Hälfte der Betriebe gibt diese Mehrkosten an ihre Kunden weiter – ein klarer Hinweis für die anhaltende Belastung der Unternehmen durch die Energiepreisentwicklung. Diese hat zudem Auswirkungen auf Investitionspotentiale, so berichten 60 Prozent der Berliner Betriebe von Einschränkungen in allen Investitionsbereichen – von Klimaschutz über Forschung und Innovation bis hin zu den betrieblichen Kernprozessen. Investitionen in Kernprozesse und Klimaschutzmaßnahmen werden in Berlin häufig zurückgestellt – jeweils von rund 23 Prozent der Unternehmen. Der Industriesektor weist dabei die höchste Zurückstellung im Bereich Klimaschutz auf.
Verwaltungsaufwand und Planungsunsicherheit hindern Transformation
Die größten Hemmnisse bei der Transformation bleiben Bürokratie (62 Prozent), fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit der Energiepolitik (47 Prozent) sowie langsame Genehmigungsverfahren (38 Prozent). Besonders der Bausektor leidet unter einer Kombination aus Fachkräftemangel, hohen Energiepreisen und mangelnder Planbarkeit.

Positive Entwicklungen: Fortschritte bei Eigenversorgung und Klimazielen
Die Berliner Wirtschaft zeigt zunehmend Eigeninitiative bei der Energiewende. 21 Prozent der Unternehmen haben bereits eigene erneuerbare Energiequellen aufgebaut, weitere 17 Prozent planen entsprechende Maßnahmen. Auch die Energieeffizienz steht hoch im Kurs: 76 Prozent der Betriebe haben entsprechende Projekte umgesetzt oder befinden sich in der Umsetzung – ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Vorjahr. In der Wärmeversorgung setzen viele Unternehmen auf CO₂-arme Technologien und erneuerbare Energien. Die Nutzung von Wasserstoff bleibt jedoch gering. Hinsichtlich Klimaneutralität, haben sich 84 Prozent der Unternehmen das Ziel gesetzt bis spätestens 2045 dies zu erreichen, 12 Prozent haben es bereits erreicht. Zudem erschließen 29 Prozent neue Geschäftsfelder und internationale Absatzmärkte, und 43 Prozent stellen ihre Lieferketten auf klimafreundliche Vorprodukte um.
Negative Tendenzen: Standortunsicherheit und steigende Belastungen
Trotz wachsender Eigeninitiative bleibt die Sorge um den Wirtschaftsstandort präsent. 13 Prozent der Berliner Unternehmen planen oder realisieren Einschränkungen der Produktion im Inland oder Verlagerungen ins Ausland als Reaktion auf Veränderungen in der Energiewirtschaft und -politik - im Bausektor planen dies sogar 20 Prozent. Bundesweit ist der Trend noch ausgeprägter: Vier von zehn Industriebetrieben denken über eine Standortverlagerung nach.
Gleichzeitig zeigt sich die Versorgungssicherheit stabil – 80 Prozent der Unternehmen berichten von zuverlässiger Stromversorgung. Dennoch nimmt die Zahl kurzer Ausfälle zu, sodass 47 Prozent bereits Maßnahmen zur Absicherung getroffen haben.
Was die Wirtschaft von der Politik erwartet
Die Berliner Wirtschaft fordert von der Politik vor allem bessere Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktstromlieferverträge (75 Prozent), eine Senkung der Strompreisabgaben (68 Prozent) sowie den zügigen Ausbau der Netzinfrastruktur (62 Prozent). Auch der Emissionshandel und grüne Leitmärkte zur Förderung klimafreundlicher Technologien finden bei rund 45 Prozent Zustimmung. Die Zustimmung zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung ist deutlich gesunken, und die Unternehmen sind in ihrer Haltung dazu gespalten.

Beratung bleibt gefragt
Trotz bekannter Unterstützungsstellen wie dem SolarZentrum Berlin, der Koordinierungsstelle für Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Klimaschutz im Betrieb oder der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO bleibt der Beratungsbedarf weiterhin hoch. Besonders gefragt sind Unterstützung bei der Identifizierung von Einsparpotenzialen, Beratung zu Fördermitteln und energieeffizienten Technologien.
Fazit: Berlin zeigt Erholung – aber strukturelle Herausforderungen bleiben
Die Berliner Wirtschaft zeigt sich widerstandsfähiger als der Bundesdurchschnitt. Der positive Barometerwert ist ein Hoffnungsschimmer, doch strukturelle Probleme wie Bürokratie, Energiepreise und Planungsunsicherheit bleiben bestehen. Nur mit klaren politischen Signalen und praxisnahen, innovationsfreundlichen sowie verlässlichen Rahmenbedingungen kann die Energiewende wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden – in Berlin und darüber hinaus.
An der Umfrage haben 202 Unternehmen teilgenommen. Die Antworten kommen zu zwei Drittel aus der Dienstleistungsbranche (67 Prozent), gefolgt von Handelsunternehmen (19 Prozent), Industrie (7 Prozent) und der Bauwirtschaft (7 Prozent). Die Befragung fand vom 10. bis zum 30. Juni 2025 statt.