„Nach der Sprengung der Gundremminger Kühltürme wurden 56.000 Tonnen Material aufbereitet“

Was genau macht aurivus?

Wir bringen 3D- und KI-Technologie in den Gebäuderückbau, dabei liegt unser Fokus auf Industrieanlagen und -gebäuden, insbesondere im Bereich des nuklearen Rückbaus. Mit unserer Lösung AIDA – AI for Dismantling Acceleration – verbinden wir modernste Laserscanning- Technologie mit Künstlicher Intelligenz, um den Rückbauprozess komplexer Anlagen zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. Unser Ziel ist es, durch automatisches Messen, Zählen und Wiegen sowie virtuelle Begehungen die Planung und Steuerung von Rückbauprojekten grundlegend zu verbessern. Diese präzise Datengrundlage ist essenziell für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft, da sie die Basis für die optimale Wiederverwertung von Materialien und Bauteilen schafft.

Wie funktioniert die KI-gestützte Scan-Technologie?

Unsere Technologie kombiniert drei wesentliche Komponenten: das 3D Laserscanning, Künstliche Intelligenz und eine interaktive Webplattform. Zunächst wird das Gebäude oder die Anlage mit neuester 3D-Scanning- Technologie erfasst und ein digitaler Abdruck der realen Umgebung mit Millionen von Datenpunkten erstellt. Die eigentliche Innovation ist dabei unsere KI: Sie durchsucht diese 3DPunktwolke systematisch und erkennt einzelne Gebäudeelemente und Objekte sowie deren Parameter. Sie erfasst Wände, Böden, Treppen und Türen, aber auch Rohre, Armaturen, Träger und Maschinen. Dabei ermittelt sie automatisch Art, Position und Orientierung der Objekte sowie Länge, Durchmesser, Wandfläche und Gewicht. Die aufbereiteten Daten werden den Nutzern über eine browserbasierte Webapplikation im Firmennetzwerk zur Verfügung gestellt, die mit bestehenden Datenbanken und IT-Tools verknüpft wird und so die Integration in bestehende Workflows ermöglicht.

Wie trägt das zum Kreislaufprinzip beim Gebäuderückbau bei?

Unsere Lösung schafft die Transparenz und Datenbasis: Durch die automatische Mengenund Massenbestimmung wissen Rückbauplaner präzise, welche Materialien in welcher Menge und Qualität zur Verfügung stehen. Damit liefert die KI eine Grundlage für die Entscheidung, ob Materialien wiederverwendet, recycelt oder entsorgt werden müssen.

Die gefilterten und strukturierten Daten können direkt an Planungstools und Abbausteuerungssysteme übergeben werden. Das ermöglicht eine präzise Logistikplanung für die Materialströme und stellt sicher, dass wiederverwertbare Materialien den richtigen Verwertungswegen zugeführt werden. Die Anlage besuchen und Objekte inspizieren können die Mitarbeiter durch den digitalen Zwilling vom Schreibtisch aus. Das spart Zeit, ermöglicht eine frühzeitige Identifikation wiederverwertbarer Komponenten und reduziert – im nuklearen Bereich – die Strahlenbelastung. Bei der Sprengung der Gundremminger Kühltürme im Oktober 2025 wurden beispielsweise 56.000 Tonnen Material zu Recycling-Schotter aufbereitet.

Welche spezifischen technischen und organisatorischen Herausforderungen bringt der Rückbau des Kernkraftwerks in Gundremmingen mit sich? Und wie begegnen Sie diesen?

Strahlenschutz und Arbeitssicherheit sind bei diesem Projekt zentral und lösen mehrere nachgelagerte Schwierigkeiten aus, bei denen unsere Software besonders wertvoll ist. Unsere virtuelle Begehung reduziert die physischen Vor Ort-Gänge drastisch und damit die Strahlenbelastung des Personals. Messungen, Notizen und der Zugriff auf andere Datenbanken können direkt vom Schreibtisch erfolgen. Das eingeschränkte Platzangebot im strahlenschutztechnischen Kontrollbereich bringt große logistische Herausforderungen mit sich und erfordert eine besonders präzise Steuerung der Abläufe. RWE hat gemeinsam mit Porsche Consulting den integrierten Rückbauprozess (IRP) entwickelt: ein Lean-Management-Ansatz nach dem Pull- und Just-in-Time-Prinzip. Abgebaute Materialien können vor der Nachzerlegung und Dekontamination kaum gepuffert werden, der Abtransport muss fließend und reibungslos funktionieren. Für einen konstanten Materialfluss sind genaue Mengen- und Masseninformationen essenziell – und diese kann unsere KI liefern. In der Vergangenheit haben größere Teile Wege blockiert, denn um vor der Strahlung zu schützen, können keine weiteren Ausgänge geschaffen werden. In unserer virtuellen Umgebung können Objekte vorab testweise durch das Kraftwerk bewegt und Transportwege vorab geplant werden. Mit unserer Plattform können selbst Behälter mit der Größe eines kleinen Hauses betrachtet und Gewichte durch die KI abgeschätzt werden, was statische Betrachtungen unterstützt. Auch Rohrverläufe, die durch Wände und Stockwerke führen, sind im 3D-Scan klar erkennbar – ein Abschneiden der enormen Rohre in einem Raum kann sonst zu statischen Herausforderungen in anderen Räumen führen. Der Betonrückbau ist einer der größten Aufwandstreiber am Ende des Rückbaus. Die strukturierte digitale Erfassung durch AIDA ermöglicht eine lückenlose Dokumentation aller Planungs- und Prozessschritte sowie Messergebnisse. Diese Dokumentation ist entscheidend für Reports an Gutachter und Behörden.

Die Anforderungen an unsere Software sind hoch: hochtechnologische KIObjekterkennung, browserbasierte Verfügbarkeit im geschützten Firmennetzwerk, nahtlose Integration mit alten Datenbanken und bestehenden Planungstools, intuitive Bedienbarkeit für verschiedene Fachbereiche und umfassende Dokumentationsfunktionen. Diese Kombination aus technologischer Innovation und praktischer Anwendbarkeit macht AIDA zu eine wichtigen Werkzeug für die Kreislaufwirtschaft im nuklearen Rückbau.
Interview: Kim Deiber, Asli Süslü
IHK Ulm
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