Was bedeutet Recycling in der Baubranche?
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich unsere Branche mit dem Baustoffrecycling. Aus dem Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V., kurz ISTE, heraus wurde gemeinsam mit dem Umweltministerium Baden- Württemberg im Jahr 2024 das Qualitätssicherungssystem RC-Baustoffe (kurz QRB) gegründet, dem mittlerweile rund 200 Recyclinganlagen angehören. Der QRB ist bundesweit die erste staatlich anerkannte Güteüberwachungsorganisation unter der neuen Bundesregelung, der Ersatzbaustoffverordnung. Fast 95 Prozent des jährlich anfallenden Bauschutts werden zu rund 13 Millionen Tonnen Recyclingbaustoffen aufbereitet, die baden-württembergweit etwa 13 Prozent des gesamten jährlichen Gesteinskörnungsbedarfs abdecken. Damit trägt unsere Branche zur Ressourceneffizienz bei und schont so die Primärrohstoff-Lagerstätten.
Welche Materialien können besonders gut recycelt werden, und welche Unterschiede gibt es zum Beispiel zwischen Bauschuttrecycling und dem Recycling von Bauaushub?
Reiner Betonbruch lässt sich am besten zu Recyclingbaustoffen der besten Materialklasse RC-1 aufbereiten. Bunte Baustoffgemische mit Anteilen von Ziegel, Keramik oder Mörtel müssen mit größerem Aufwand selektiert, sortiert und aufbereitet werden. In der Regel eignen sich aber auch diese Materialien für die Recyclingbaustoffgemische der Materialklassen RC-1 und RC-2. Bodenaushub wird aktuell vorwiegend in Abgrabungen verwertet. Steinbrüche und Kiesgruben benötigen diese Bodenaushubmaterialien zur Wiederverfüllung und Reliefgestaltung, um so ihren genehmigungsrechtlichen Rekultivierungsverpflichtungen nachzukommen. Bodenmaterialien werden aber auch aufbereitet und als recyceltes Bodenmaterial eingesetzt, zum Beispiel in technischen Bauwerken wie Lärmschutzwällen. Bei Bodenmaterialien mit mindesten 70 Prozent Gesteinsanteil können über eine Nassklassierung auch Kiese und Sande zurückgewonnen werden. Diese Möglichkeiten sind aber mengenmäßig und regional begrenzt.
Wie schätzen Sie die kurz- und langfristigen Entwicklungen im Bereich Recycling ein?
Aufgrund einiger Fehlstellungen in der neuen Ersatzbaustoffverordnung gehen die Recyclingquoten derzeit leider eher zurück. Die Kinderkrankheiten dieser neuen bundeseinheitlichen Regelungen müssen mit einer schnellen Novelle dringend beseitigt oder ausgebessert werden. Wenn diese Korrekturen zügig umgesetzt werden, gehen wir davon aus, dass wir die hohen Verwertungsquoten von fast 95 Prozent auch künftig halten können. Diese Zahlen stammen vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau sowie vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg und unterstreichen damit die Leistungen unserer Branche zur Ressourceneffizienz. Festhalten muss man allerdings auch, dass bei einer Verwertungsquote von fast 95 Prozent keine signifikanten Erhöhungen mehr möglich sind. Vielmehr geht es darum, diese guten Quoten nun langfristig durch gute Regelwerke zu sichern.
Gibt es tatsächlich Regelungen, die den Einsatz von Recyclingmaterial beschränken?
Ja, wie erwähnt gibt es in der neuen Ersatzbaustoffverordnung und in einigen Begleitregelungen schwerwiegende Fehlstellungen. Diese wurden in einer nun abgeschlossenen Evaluierung der Verordnung durch das Umweltbundesamt erkannt. Ein Bericht an die Bundesregierung soll folgen. Das Bundesumweltministerium kündigt eine „schnelle Novelle“ der Ersatzbaustoffverordnung für das erste Quartal 2026 an.
Was ist aus Ihrer Sicht beim Recycling besonders herausfordernd?
Wie gesagt: Jetzt müssen dringend die Fehlstellungen der Verordnungen beseitigt werden, sonst wird es künftig noch schwerer sein, die Recyclingprodukte zu vermarkten. Zukünftige Herausforderungen werden sicherlich ansteigende Sulfatanteile im Baubestand sein. So könnten die Sulfatfestsetzungen eventuell dazu führen, dass sich die Materialklassen von RC-1 in Richtung RC-2 verschlechtern und sich damit die Verwertungsmöglichkeiten weiter einschränken. Eine weitere große Herausforderung sind die bald anfallenden Baustoffe wie Carbonbeton und Verbundbaustoffe, die schwer zu trennen sind. Hier wird sich unsere Branche noch etwas einfallen lassen müssen. Weitere Herausforderungen liegen in den Genehmigungen: Die Genehmigungsverfahren müssen entbürokratisiert, vereinfacht und vor allem beschleunigt werden.
Wie groß ist die Bereitschaft von Auftraggebern, Recyclingmaterial zu verbauen?
Auch hier gibt es noch sehr viel Verbesserungsbedarf. Die mangelnde Akzeptanz des Recyclingmaterials bei den Kunden und die fehlende produktneutrale Ausschreibung mancher Ingenieurbüros ist nach wie vor eines unserer großen Probleme. Gerade von der öffentlichen Hand fordern wir deshalb eine produktneutrale Ausschreibung und damit eine Vorbildfunktion für alle Kunden. Leider werden immer wieder Recyclingbaustoffe bester Qualität explizit aus Ausschreibungen ausgeschlossen. Wir arbeiten gemeinsam mit dem Umweltministerium daran, dem entgegenzuwirken. Und dennoch sind wir optimistisch, mit entsprechenden Änderungen in der Ersatzbaustoffverordnung, mit der Akzeptanz des Recyclingmaterials bei den Kunden und mit produktneutralen Ausschreibungen die erreichten, sehr guten Verwertungsquoten auch künftig und vor allem langfristig halten zu können. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.
Interview: Stefan Kesenheimer, Gudrun Hölz