Neue Chancen für Industrie und Wirtschaft
Im Impulspapier „Kreislaufwirtschaft als Zukunftsstrategie – Neue Wege für die energieintensive Industrie in Deutschland am Beispiel der Stahl-, Kunststoff- und Zementindustrie“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) heißt es, allein in diesen drei Grundstoffindustrien könnte rund ein Viertel der heutigen Treibhaus- gasemissionen vermieden werden, wenn Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft konsequent umgesetzt würden. Sekundäre Rohstoffe benötigen in der Regel deutlich weniger Energie, und Rohstoffimporte lassen sich durch Wiederverwendung, Reparatur und Recycling reduzieren. Unternehmen können so ihre Kostenstruktur stabilisieren und sich unabhängiger von Rohstoffpreisschwankungen machen. Hinzu kommt ein strategischer Vorteil: Wer frühzeitig auf zirkuläre Prozesse umstellt, stärkt seine Resilienz gegenüber geopolitischen Abhängigkeiten und steigenden Umweltauflagen.
Hürden auf dem Weg in den Kreislauf
Doch der Weg dorthin ist nicht leicht. Die Herausforderungen liegen weniger in einzelnen Technologien, sondern in der Systemintegration. Häufig fehlen verlässliche Daten über Materialströme und Produktzusammensetzungen – ohne diese Informationen ist hochwertiges Recycling kaum möglich. Der Produktpass soll hier zu mehr Transparenz führen und so diese Herausforderung bei Produktdesign und Reparaturfähigkeit der Produkte auflösen.
Auch rechtliche Rahmenbedingungen begünstigen vielerorts noch den Einsatz von Primärmaterialien: Normen und Ausschreibungen im Bauwesen bevorzugen beispielsweise Stahlbeton gegenüber Recyclingbeton oder schränken den Einsatz von Holz beim Hausbau ein. Technische Hürden, etwa die Verunreinigung von Stahlschrott oder die unzureichende Sortierung bei Kunststoffen, erschweren zusätzlich den Markteintritt hochwertiger Sekundärrohstoffe. Wirtschaftlich betrachtet sind recycelte Materialien oft noch teurer als Neuware, auch weil fossile Rohstoffe zu niedrigen Preisen verfügbar, zum Teil sogar subventioniert sind. Die Einführung von Kreislaufwirtschaftsverfahren ist mit hohen Investitions- und Entwicklungskosten verbunden. Gleichzeitig werden zirkuläre Geschäftsmodelle von Geldgebern oft als riskanter eingeschätzt als herkömmliche – politische und wirtschaftliche Anreize fehlen. Für kleine und mittlere Unternehmen ist eine zirkuläre Ausrichtung deshalb besonders herausfordernd.
Politik als Taktgeber – aber mit Blick auf die Praxis
Auf europäischer und nationaler Ebene entstehen aktuell regulatorische Rahmenbedingungen, die auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft unterstützen sollen. Der Circular Economy Action Plan der EU und die geplante Ökodesign- Verordnung sollen Produkte künftig langlebiger, reparierbarer und recycelbarer machen. In Deutschland setzt die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, beschlossen Ende 2024, ergänzende Impulse: Sie fordert mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten und klare Rezyklatquoten in der Industrie.
Für Unternehmen bedeutet das eine spürbare Transformation – vom Produktdesign über die Materialwahl bis zu Lieferketten und Rücknahmesystemen. Egal ob auf nationaler oder EUEbene – oftmals handelt es sich um Richtlinien, Verordnungen und Gesetze, die mit umfangreichen Dokumentationspflichten einhergehen, die in den Unternehmen Ressourcen binden, bürokratische Prozesse aufbauen und Innovation erschweren. Für die Wirtschaft ist deshalb essenziell, dass die Maßnahmen, die zum Schließen von Kreisläufen führen sollen, übersichtlich, effizient und praxistauglich sind.
Vom Umweltprojekt zur Wirtschaftsstrategie
Obwohl Regulierungen auch mit Hürden für die Unternehmen einhergehen – und durchaus zu Unmut führen – steht das Ziel, Kreisläufe zu schließen, nie in Frage. Unternehmen, Wirtschaftsverbände und die IHK-Organisation fordern durchdachte und wirtschaftliche Maßnahmen und gestalten den Weg zur Kreislaufwirtschaft aktiv mit, damit sie zu einer industriepolitischen Zukunftsstrategie werden kann, die Klimaschutz mit Wettbewerbsfähigkeit verbindet.
Christin Krauß, Kim Deiber