Längst wurden Glühbirnen durch energiesparende LED-Leuchtmittel ersetzt, Abfälle werden getrennt und teilweise als Rohstoffe an Recyclingspezialisten verkauft oder in die Produktionsprozesse rückgeführt. Auf diese Weise sind Kreisläufe entstanden, die nicht nur zu Einsparungen geführt haben, sondern auch zu neuen Ideen, Wettbewerbsvorteilen, ja sogar zu ergänzenden Geschäftsmodellen.
Mit nachhaltigen Wertschöpfungsketten zu neuen Geschäftsmodellen
Der HEIM Bau GmbH & Co. KG in Ulm ist es gelungen, Kreislaufwirtschaft zu perfektionieren, neue Wertschöpfungsketten zu entwickeln und daraus verschiedene Geschäftsmodelle zu machen. Das Unternehmen, aus dem Straßen- und Tiefbau kommend, wird heute in vierter Generation von Philipp Heim geführt. Nachhaltiges Wirtschaften hat er zum Unternehmensziel erklärt, wodurch völlig neue Geschäftsbereiche entstanden sind. Eine Sparte ist das Baustoffrecycling. In Ulm werden Abbruchmaterialien wie Beton, Ziegel, Fliesen, Keramik und Asphalt sortenrein gesammelt. In modernen Brech und Siebanlagen entsteht daraus Betonrecyclingmaterial, Vorsiebsand und Asphaltgranulat. Diese Sekundärbaustoffe werden wieder im Straßenbau eingesetzt, unter anderem als Frostschutz- oder Schottertragschicht und Asphalt aus Asphaltgranulat. Der Abfallstoff wird so zu neuem Wertstoff, der zum betriebswirtschaftlichen Ergebnis beiträgt.
Zum Unternehmen gehören auch Sand- und Kiesgruben. Sind die Gruben erschöpft, werden sie als Deponie für Aushubmaterial angeboten und verfüllt. Der Einsatz von Sand erfordert eine energieintensive Trocknung. Für Philipp Heim war dies der Anlass zum Einstieg in die Energieproduktion. „Wir haben als Pilotprojekt in Thüringen eine Biogasanlage errichtet, die mit Gülle, Mist und pflanzlichen Rohstoffen betrieben wird. Damit wird Strom erzeugt für die Sandtrocknung, aber auch Wärme für die Bitumentanks der Asphaltproduktion. An einem weiteren Standort in Brandenburg wird aus Speiseresten nicht nur Energie, sondern auch hochwertiger Dünger hergestellt.“ In Bezug auf das Investment und den organisatorischen Aufwand, unter anderem zum Aufbau der Entsorgungsströme für die Befüllung der Biogasanlagen, zeigt sich Heim zufrieden. „Wir haben zwar am Anfang Lehrgeld bezahlt, aber inzwischen zahlt sich die Investition aus. Wir sind froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind.
Wir haben zwar am Anfang Lehrgeld bezahlt, aber inzwischen zahlt sich die Investition aus
- Philipp Heim
Ein neuer Geschäftsbereich ist entstanden, der zu unserem wirtschaftlichen Erfolg beiträgt. Er bietet außerdem einen Wettbewerbsvorteil, nicht nur bei Kunden, sondern auch bei der Mitarbeiterakquisition. Junge Fachkräfte legen Wert auf nachhaltige Aspekte ihrer Arbeit.“ Heim nimmt das Thema Kreislaufwirtschaft als steten Anreiz für Innovationen. Masterarbeiten werden an Studierende vergeben, Mitarbeiter nehmen an internen Workshops teil, um Synergieeffekte auszuloten oder neue Ideen zu entwickeln. „Wir halten Augen und Ohren offen, um unsere Kreislaufwirtschaft noch effizienter zu gestalten. Unser Ziel ist es, zum Beispiel Abbruchstoffe so genau zu sortieren, dass wir eine hohe Reinheit erhalten. Mittels KI-Unterstützung und neuen Techniken könnte dann ein Ersatzbaustoff entstehen, der Originalbaustoffen in nichts nachsteht. Ähnliche Anwendungen prüfen wir auch beim Kunststoffrecycling an unseren Standorten in Brandenburg. Für uns ist noch lange nicht Schluss“, begeistert sich Heim.
Optimierte Produktionsabläufe als Basis für Ökologie und Ökonomie
Mit demselben Engagement realisiert die Vinzenz Service GmbH in Sigmaringen eine nachhaltige Produktion. Das Cateringunternehmen beschäftigt 160 Mitarbeiter und produziert pro Tag rund 2.500 Essen für Firmen, Kitas, Schulen, Sozial- und Pflegeeinrichtungen. Nachhaltiges Arbeiten ist Teil der Unternehmensphilosophie. Entsprechend ist das Unternehmen bio-zertifiziert und hat das Umweltmanagementsystem EMAS eingeführt. Dort, wo mit sensiblen und verderblichen Waren gearbeitet wird, ist der organisatorische Anspruch essenziell. Nur so können Ökologie und Ökonomie überhaupt sinnvoll miteinander verknüpft werden. „Zentraler Punkt ist unser Warenwirtschaftssystem“, berichtet Geschäftsführerin Heike Müller. „Wir achten auf kurze Wege, indem wir regional einkaufen. Die Mengenplanung erfolgt auf Basis der Vorbestellungen. Wir haben verschiedene Kundengruppen mit völlig unterschiedlichen Mengenportionierungen, die in die Berechnung einfließen. Zusätzlich bieten wir die Möglichkeit, einzelne Komponenten, wie beispielsweise etwas mehr oder weniger Spätzle oder Gemüse, zu bestellen. Das reduziert den Mengenverlust. Die Mengen müssen einfach passen, das ist bei uns Grundlage für Nachhaltigkeit und Ökonomie.“ Bleiben doch einmal Produktionsmittel übrig, wie zum Beispiel geöffnete Joghurt-Großgebinde, werden sie an den Verein Food-Sharing in Sigmaringen verschenkt. „Wir schauen bereits bei der Planung, dass möglichst wenig Abfall anfällt“, erklärt Müller. „Aber in der Lebensmittelverarbeitung sind Gemüseabfälle und Speisereste unvermeidbar. Diese werden von dem Unternehmen Re-Food entsorgt und in Biogasanlagen weiterverwendet. Ebenso verfahren wir mit Altfetten.“ Die energieintensive Produktion wird mit Öko-Strom betrieben, und eine Wärmerückgewinnungsanlage speist die Energie aus den Kühlaggregaten in die Heizung ein.
Wir haben festgestellt, dass Ökologie nicht generell mit Kosten verbunden ist, sondern oftmals Kosten spart
- Heike Müller
Energiesparende Geräte, Präsenzmelder für Licht und die Anlieferung der Lebensmittel in Mehrwegbehältern runden das ressourcenschonende Wirtschaften ab. Heike Müller sieht eine nachhaltige Unternehmensausrichtung nicht als Belastung, sondern vielmehr als Anreiz für Innovation, als Möglichkeit zur Kostenersparnis und als Wettbewerbsvorteil. „Natürlich steht am Anfang der Aufwand. Bei uns war das die Datenerfassung. Wir haben dabei aber festgestellt, dass Ökologie nicht generell mit Kosten verbunden ist, sondern oftmals Kosten spart. Sie gibt darüber hinaus Anreize für die Verbesserung von Organisationsabläufen. Mit einer nachhaltigen Ausrichtung immer ein Stückchen besser zu werden, das ist weiterhin unser Ziel. Allerdings ist Kreislaufwirtschaft bei Lebensmitteln natürlich begrenzt und müsste theoretisch mit einer Kläranlage weitergedacht werden“, meint Müller lachend.
Neben- und Abfallprodukte einer neuen Nutzung zuführen
Ein inspirierender Gedanke – und eine gute Gelegenheit, das Thema in einer Kläranlage zu Ende zu denken: „Kreislaufwirtschaft funktioniert hier nur, wenn alle mitmachen“, sagt Jonathan Fuchs, Abteilungsleiter Betrieb und Labor beim Zweckverband Klärwerk Steinhäule (ZVK-S). In diesem Verband arbeiten neben den Städten Ulm, Blaubeuren, Blaustein, Senden und Neu-Ulm auch sieben weitere Gemeinden aus dem Alb-Donau-Kreis mit. Fuchs erklärt: „Wenn Hygienetücher, Küchentücher und andere Dinge, die nicht in die Toilette gehören, von uns über einen Rechen herausgefischt werden müssen, dann muss das – laut Gesetz als Müll deklariert – teuer entsorgt und verbrannt werden. Das belastet wieder die Abwassergebühren der Verbraucher und behindert den Kreislauf.“ Der ZVK-S ist darauf ausgerichtet, Abwasser zu reinigen, in die Donau rückzuführen sowie aus dem Abwasser gewonnene Nebenprodukte und Materialien im Sinne einer Kreislaufwirtschaft einer neuen Nutzung zuzuführen. So wird der Klärschlamm in einer Monoverbrennung verwertet und die unter anderem phosphorhaltige Asche in die Düngemittelindustrie abgegeben. Die mehrstufige Klärung von Abwasser, die Belüftung der Klärbecken mit Sauerstoff sowie die Schlammbehandlung sind sehr energieintensiv. Für den ZVK-S ein Anreiz, den Energieverbrauch zu reduzieren. „Aktuell planen wir eine Hochlastfaulung. Darunter versteht man einen Prozess, in dem Mikroorganismen Bestandteile sehr schnell abbauen, was zu mehr Effizienz und Energieersparnis führt“, erläutert Fuchs. Neuen Verfahrenstechniken stehe man offen gegenüber, eine Hydrozyklonanlage sei bereits umgesetzt. Diese Anlage könne Partikel aus dem Belebtschlamm nach Größe aussortieren und trennen. Das optimiere die biologische Abwasserreinigung und reduziere den Energieverbrauch. Die Überlegungen gehen noch ein Stück weiter. Das Abwasser enthält nach der Faulschlammentwässerung eine hohe Konzentration von Ammoniumstickstoff. Das Ziel sei es, diesen zurückzugewinnen. „Wir sehen Kreislaufwirtschaft als steten Anreiz, neue Techniken zu nutzen. Das führt nach dem ersten Investment zu Kostenersparnis und Stabilisierung von Gebühren“, so Fuchs. „Wir orientieren uns an dem, was wir alles erreichen können und nicht nur an dem, was man erreichen muss. Wir gehen auch darüber hinaus. Ich würde mir aber wünschen, dass Kreislaufwirtschaft in Bezug auf Abwasser verstärkt mit Stadt- und Kommunalplanung, Industrie, Energieversorgung und Gewässerschutz kombiniert wird. Es kann von den verschiedenen Bereichen vieles vorbereitet werden, damit die Kläranlagen entlastet werden und wir tatsächlich eine durchgängige Kreislaufwirtschaft realisieren können.“
Mit „Öko-Design“ einen nachhaltigen Produktlebenszyklus vorbereiten
Neue Techniken und ressourcenschonende Materialien sind auch bei der ZIM Aircraft Seating GmbH in Immenstaad Ansatzpunkt für mehr Nachhaltigkeit. Das Unternehmen ist weltweit führend in der Entwicklung, Konstruktion und Herstellung von Flugzeugsitzen mit Schwerpunkt im Premium-Economy Segment. Nachhaltiges Wirtschaften ist Teil der Unternehmensphilosophie und wird durch das Umweltmanagementsystem EMAS unterstützt. Besonders in der Produktion wird Kreislaufwirtschaft in bestem Sinne kultiviert, was bereits beim „Öko-Design“ der Sitze beginnt. Auf der Website des Unternehmens ist zu lesen: ZIM Leichtbau ist nachhaltig. Ein Kilo weniger Fluggewicht spart auf 1.000 Meilen circa 30 Liter Kerosin. „Rund 3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen kommen aus der Luftfahrt“, berichtet Geschäftsführer Raffael Rogg. „Mit der CO2-Bepreisung steigen die Kosten für Kerosin immer weiter. Airlines sind deshalb stark daran interessiert, durch Gewichtsreduktion Betriebskosten zu sparen. Für uns bedeutet das, Sitze mit innovativen Materialien und Techniken immer leichter zu machen.“ So arbeite man gerade an einer Entwicklung, die die Kunststoff-Rückenschale der Sitze durch mehrlagig verpresste Holzschichten ersetzt. Für die Polsterung aus Schaumstoff wird eine Alternative aus Stoff mit Netzstruktur, vergleichbar einem Trampolin, erarbeitet. Auf diese Weise kommen nicht nur leichtere, sondern auch nachhaltigere Materialien zum Einsatz, die nach der finalen Verwendung problemlos recycelt oder entsorgt werden können. Sie führen außerdem zu mehr Bequemlichkeit und bieten den Passagieren mehr Platz und Privatsphäre. ZIM geht sogar noch einen Schritt weiter und macht Kreislaufwirtschaft zu einem Geschäftsmodell. Meist verbleiben die Sitze nur acht bis zehn Jahre in einem Flugzeug und werden dann von den Airlines ausgetauscht.
Wir überdenken bereits im Vorfeld einer Entwicklung alle Phasen des Produktlebenszyklus eines Sitzes
- Raffael Rogg
ZIM nimmt diese Sitze kostenfrei zurück, überarbeitet sie, passt Bezüge sowie einzelne Module an die Wünsche kleinerer Fluggesellschaften an und verkauft sie an diese weiter. „Dieser Zweitmarkt ist relativ groß, und auf diese Weise recycelte Sitze sind begehrt“, erzählt Rogg. „Die Sitze gehen an Airlines, die runderneuerte Sitze bevorzugen. So erhält jeder Sitz ein zweites, manchmal auch ein drittes Leben.“ Ein Sitz muss erst dann entsorgt werden, wenn er veraltet ist, das heißt, zu schwer im Vergleich zur nächsten Generation gebrauchter Sitze. „Wir überdenken bereits im Vorfeld einer Entwicklung alle Phasen des Produktlebenszyklus eines Sitzes“, erläutert Rogg. „Es werden Monomaterialien und ein modularer Aufbau bevorzugt sowie einfache Verbindungstechniken, wie Schrauben statt Kleben, um die spätere Demontage und Materialtrennung zu erleichtern. Die nachhaltige Produktion macht zwar den einzelnen Sitz in der Anschaffung teurer, für die Airlines sind aber unter dem Strich Betriebskosten und CO2-Austoß eines Flugzeugs relevanter. Unsere nachhaltige Denkweise verhilft also unseren Kunden zu Einsparungen und ist gleichzeitig ein Beitrag zur globalen CO2-Reduzierung. Für ZIM verschafft sie einen Wettbewerbsvorteil und trägt durch den Aufbau einer weiteren Wertschöpfungskette zu einem besseren Betriebsergebnis bei.“
Dipl.-Wirt.-Ing. Birgit Mann ist Wirtschaftsingenieur Kommunikationstechnik und Inhaberin der Team-Entlastung PR, Blaubeuren