Corona

Arbeitsrechtliche Fragen rund um das Coronavirus

Stand: November 2022
Die Corona-Pandemie wirft noch immer eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Fragen auf, die wir Ihnen hier beantworten wollen.
Update: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wurde zum 1. Oktober 2022 neu gefasst und gilt bis einschließlich 7. April 2023. In Baden-Württemberg wurde die Corona-Verordnung Absonderung mit Wirkung zum 16. November 2022 deutlich geändert. Informationen zu diesen Änderungen finden Sie im Text. 

Welche Schutzmaßnahmen müssen Arbeitgeber aktuell treffen? 

Arbeitgeber sind nach wie vor verpflichtet, auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung (§§ 5, 6 Arbeitsschutzgesetz) Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz in einem betrieblichen Hygienekonzept festzulegen und bei Bedarf zu aktualisieren. Dies sollte möglichst unter Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des betreuenden Betriebsarztes erfolgen. Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nummer 7 Betriebsverfassungsgesetz zu beachten. 
Das betriebliche Hygienekonzept ist den Beschäftigten in geeigneter Weise zugänglich zu machen. 
Nach § 2 Absatz 2 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung müssen Arbeitgeber eigenverantwortlich prüfen und entscheiden, ob und welche der nachstehend aufgeführten Schutzmaßahmen, die sich bewährt haben, erforderlich sind: 
  1. die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen, 
  2. die Sicherstellung der Handhygiene
  3. die Einhaltung der Hust- und Niesetikette
  4. das infektionsschutzgerechte Lüften von Innenräumen, 
  5. die Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten (z.B. Einteilung der Belegschaft in möglichst kleine Teams, die dauerhaft zusammenarbeiten bei gleichzeitiger Vermeidung von Kontakten zu Mitgliedern anderer Arbeitsgruppen, Vermeidung oder Begrenzung der gleichzeitigen Nutzung von Innenräumen durch mehrere Personen, Videokonferenzen statt Präsenztreffen, versetzte Zeiten für Arbeitsbeginn und -ende sowie für Pausen),
  6. das Angebot gegenüber Beschäftigten, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen, 
  7. das Angebot an Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zuhause arbeiten, sich regelmäßig kostenfrei auf COVID 19 zu testen.
Kriterien für die Prüfpflicht können beispielsweise sein: 
  • Kontakthäufigkeiten und -dauern 
  • Belegungsdichte der Räume und Abstände zwischen Personen 
  • Art und Intensität der Kontakte 
  • Lüftungssituation 
  • regionales sowie branchenspezifisches Infektionsrisiko 
Die folgende Maßnahmen schreibt die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verbindlich vor: 
  • Maskenpflicht (medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken) bei Unterschreiten des Mindestabstands von 1,5 Metern oder bei tätigkeitsbedingten Körperkontakten sowie bei gleichzeitigem Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen, sofern die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass technische und organisatorische Schutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nicht ausreichen, 
  • Arbeitgeber hat den Beschäftigten zu ermöglichen, sich ggf. auch während der Arbeitszeit gegen COVID 19 zu impfen
  • Arbeitgeber hat die Betriebsärzte und die überbetrieblichen Dienste von Betriebsärzte, die Schutzimpfungen durchführen, organisatorisch und personell zu unterstützen
  • Arbeitgeber muss im Rahmen der Unterweisung über die Risiken einer COVID-19-Erkrankung aufklären und über die Möglichkeiten einer Schutzimpfung informieren
Weitere Hinweise für die praktische Umsetzung enthalten insbesondere: 

Ist der Arbeitgeber verpflichtet Homeoffice anzubieten?

Nach aktueller Gesetzeslage haben Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch darauf, im Homeoffice zu arbeiten, und Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, Homeoffice anzubieten. 
Etwas anderes kann sich aus einer vertraglichen Regelung im Arbeitsvertrag oder aus einer Kollektivvereinbarung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) ergeben. 
Nach der bis zum 7. April 2023 geltenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung hat der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob er Beschäftigten anbietet, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, sofern keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Eine generelle Verpflichtung, arbeitgeberseitig Homeoffice anzubieten oder ein solches Angebot arbeitnehmerseitig anzunehmen, besteht aber nicht. 
Welche Rahmenbedingungen beim Homeoffice in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsschutz, Unfallversicherung, Steuern und Kosten sowie Datenschutz gelten, erfahren Sie im Artikel Homeoffice und mobiles Arbeiten der IHK Kassel-Marburg

Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus arbeitsunfähig erkrankt?

Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus tatsächlich erkrankt, gelten die gesetzlichen Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber unverzüglich über seine Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unterrichten. Sofern nichts anderes vereinbart ist, muss der Arbeitnehmer spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen bzw. die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen. 
Nach § 3 EFZG hat der Arbeitnehmer, dem aufgrund einer Krankheit die Erbringung seiner vertraglichen Arbeitsleistung nicht möglich ist, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für grundsätzlich bis zu sechs Wochen.
Dieser Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Fraglich und derzeit umstritten ist, ob der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung bei einer Covid-19-Infektion eines Mitarbeiters, der eine ihm angebotene Corona-Schutzimpfung abgelehnt hat, verweigern kann. Umstritten ist insbesondere, ob die Wertungen zu den Entschädigungszahlungen im Quarantänefall nach § 56 Absatz 1 IfSG analog für das Verschulden im Rahmen des § 3 EFZG herangezogen werden können.
Dies wird man nicht ohne Weiteres annehmen können. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss der Arbeitnehmer für das Vorliegen eines Verschuldens „in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise“ verstoßen haben. An dieses „Verschulden gegen sich selbst“ werden demnach sehr hohe Anforderungen gestellt. Zudem ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Tatsachen trägt, die den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließen. Es bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte in dieser Frage entscheiden werden.

Was gilt bei einer Infektion ohne krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit? 

Update November 2022: Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat die Isolationsregeln für COVID-19-Infizierte ab 16. November 2022 aufgehoben. Wer künftig in Baden-Württemberg positiv auf das Corona-Virus getestet wird, muss sich ab dem 16. November 2022 nicht mehr wie bisher verpflichtend für mindestens fünf Tage in häusliche Isolation begeben. Die neuen Regelungen sehen bei positiv getesteten Personen vielmehr grundsätzlich eine Maskenpflicht außerhalb der eigenen Wohnung vor. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der Internetseite der Landesregierung
Arbeitsrechtlich bedeutet dies, dass infizierte Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Arbeitsleitung im Betrieb herangezogen werden können, soweit sie nicht erkrankt sind. 
Mit Blick auf den Arbeitsschutz sollte der Arbeitgeber für diesen Fall Schutzmaßnahmen im betrieblichen Hygienekonzept festlegen (z.B. Homeoffice, sofern möglich, Anweisung der Arbeitnehmer, bei eigener Kenntnis von einer eigenen Infektion im Betrieb eine Maske zu tragen und sich von Arbeitskollegen möglichst fernzuhalten). 
Der Arbeitgeber könnte auch darauf verzichten, infizierte Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung heranzuziehen. Ist der Arbeitnehmer aber arbeitswillig und bietet er seine Arbeitsleistung an, könnte es in diesem Fall aber ggf. zu einer Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ohne Arbeitsleistung kommen. 
Wer aufgrund einer COVID-19-Infektion in Isolation musste und während dieser Zeit nicht arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung nach § 56 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Update November 2022: Mittlerweile hat Baden-Württemberg jedoch die Isolationspflicht aufgehoben, so dass für alle Arbeitnehmer, die sich ab dem 16. November 2022 mit dem Corona-Virus infizieren, kein Entschädigungsanspruch mehr besteht. Weitere Informationen hierzu finden Sie in den FAQ der Landesregierung zu Entschädigungen wegen Absonderung und Kinderbetreuung.

Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Betreuung des Kindes?

Muss der Arbeitnehmer das Kind betreuen, weil das Kind etwa am Corona-Virus erkrankt ist oder weil der Kindergarten oder die Schule aufgrund behördlicher Maßnahmen gesperrt ist, könnte er einen Anspruch auf bezahlte Freistellung haben. 
Ein solcher Anspruch könnte sich zunächst aus § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben. Diese Vorschrift regelt einen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer für eine “verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit” seine Arbeitsleistung unverschuldet aus Gründen nicht erbringen kann, die in seiner Person liegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn er zur Pflege seines erkrankten Kindes oder zur Betreuung des Kindes im Falle einer Kita- oder Schulschließung zu Hause bleiben muss, weil eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben ist. Dieser Vergütungsanspruch ist aber zeitlich beschränkt. Die Rechtsprechung geht in der Regel von einem Zeitraum von wenigen Tagen aus (ca. fünf Tage).  Dauert die Verhinderung länger, entfällt der Vergütungsanspruch nach § 616 BGB insgesamt. Die Regelung könnte zudem  von vornhinein durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelung eingeschränkt oder vollständig ausgeschlossen sein. 
Ist die zeitliche Beschränkung des § 616 BGB überschritten oder die Regelung vertraglich ausgeschlossen, können gesetzlich versicherte, berufstätige Eltern nach  § 45 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V)  Kinderkrankengeld in Höhe von 90 Prozent ihres Nettoverdienstes bei ihrer jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse beanspruchen. Die Dauer der bezahlten Freistellung hängt davon ab, ob sich die Eltern das Sorgerecht teilen oder alleinerziehend sind. Im Jahr 2022 und 2023 besteht der Anspruch pro Elternteil und je Kind für längstens 30 Tage bzw. 60 Tage für Alleinerziehende; bei mehreren Kindern für maximal 65 Arbeitstage pro Elternteil bzw. 130 Arbeitstage bei Alleinerziehenden. 
Die  Voraussetzungen für das Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V sind: 
  • Es besteht gegen den Arbeitgeber kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (etwa aus § 616 BGB).
  • Der betreffende Elternteil ist gesetzlich krankenversichert mit Krankengeldanspruch und das erkrankte Kind ist ebenfalls gesetzlich versichert (privat versicherte Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld). 
  • Die Pflegebedürftigkeit des Kindes wird durch ärztliches Attest bestätigt. 
  • Das erkrankte Kind ist jünger als 12 Jahre oder – wenn es älter ist – behindert und hilfsbedürftig. 
  • Es besteht keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit für das erkrankte Kind, d.h., die Eltern müssen zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen. 
Bis einschließlich 7. April 2023 können Eltern nach der Sonderregelung des § 45 Absatz 2a SGV V auch dann Kinderkrankengeld beanspruchen, wenn ihr Kind nicht krank ist, aber  andere Fälle von Betreuungsengpässen bestehen und eine Betreuung zu Hause erforderlich ist: Wenn die Einrichtung zur Betreuung des Kindes (Kindertageseinrichtung, Hort oder Kindertagespflegestelle), die Schule oder die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen pandemiebedingt behördlich geschlossen ist, eingeschränkten Zugang hat oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt wurde. Dies gilt auch, wenn einem Kind aufgrund eines Schnelltestergebnisses der Besuch der Einrichtung oder Schule untersagt ist oder das Kind die Einrichtung auf Empfehlung von behördlicher Seite nicht besucht. 
Weitere Informationen hierzu finden Sie in den FAQ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu Kinderkrankentagen und zum Kinderkrankengeld, auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, in den  FAQ der Landesregierung zu Entschädigungen wegen Absonderung und Kinderbetreuung sowie bei den  zuständigen Krankenkassen

Darf der Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit den Urlaub kürzen?

Zu der Frage, wie sich Kurzarbeit „Null“ und anteilige Kurzarbeit auf den Urlaubsanspruch auswirkt, gibt es aktuelle arbeitsgerichtliche Entscheidungen.
Kurzarbeit Null:
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 12.03.2021 (Az. 6 Sa 824/20) entschieden, dass die klagende Arbeitnehmerin für den Zeitraum von drei Monaten, an denen sie wegen Kurzarbeit „Null“ durchgehend nicht gearbeitet hat, keine Urlaubsansprüche nach § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben hat. Der Jahresurlaub stünde ihr daher nur anteilig im gekürzten Umfang zu, so das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Folgt man dieser Rechtsprechung, verkürzt sich also für jeden vollen Monat der Kurzarbeit „Null“ der Urlaubsanspruch um 1/12 kraft Gesetzes, ohne dass es hierfür einer entsprechenden Vereinbarung bedarf.
Update 30.11.2021: Dieser Fall lag dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zur höchstrichterlichen Klärung vor, welches nunmehr mit Urteil vom 30.11.2021 (Az.: 9 AZR 225/21) dem Arbeitgeber Recht gab. Noch sind die Entscheidungsgründe dieses Urteils nicht veröffentlicht. Der Pressemitteilung des BAG ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber den Jahresurlaub anteilig kürzen kann, wenn einzelne Arbeitstage aufgrund von Kurzarbeit vollständig ausfallen.
In einer weiteren Sache entschied das BAG, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist (Urteil vom 30.11.2021, Az. 9 AZR 234/21).
Anteilige Kurzarbeit:
Wenn in einem Unternehmen keine Kurzarbeit "Null", sondern nur anteilig Kurzarbeit, etwa Kurzarbeit an einzelnen Tagen, angeordnet ist, darf der Arbeitgeber nach jüngster Entscheidung des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 08.06.2021 (Az. 3 Ca 108/21) den Jahresurlaub der Beschäftigten nicht anteilig kürzen.

Wer beantwortet mir Fragen zur Kurzarbeit und zum Kurzarbeitergeld?

Wo finde ich weitere Informationen?

Hinweis: Die Informationen und Auskünfte der IHK Region Stuttgart sind ein Service für ihre Mitgliedsunternehmen. Sie erhalten nur erste Hinweise und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Sie können eine Beratung im Einzelfall (z.B. durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Unternehmensberater etc.) nicht ersetzen.