Fast jedes dritte auslandsaktive Industrieunternehmen (30 Prozent) in Baden-Württemberg will in den nächsten zwölf Monaten Investitionen im Inland zugunsten von Auslandsinvestitionen zurückstellen. Doch wie genau sehen die Budgetpläne aus, was sind die Motive für Auslandsinvestitionen und in welche Zielregionen fließen die Mittel? Die Ergebnisse der Sonderauswertung der IHK-Konjunkturumfrage geben Aufschluss über die strategische Ausrichtung und Investitionsstrategie der Südwestbetriebe im internationalen Kontext.
Die meisten baden-württembergischen Industrieunternehmen scheinen sich im Ausland in einer Konsolidierungsphase zu befinden. Statt ihre Investitionen auszuweiten oder zu senken, konzentrieren sich mehr Betriebe darauf, ihre laufenden Ausgaben konstant zu halten. So gibt der Großteil der auslandsaktiven Firmen (53 Prozent) an, ihr Budget für 2025 auf gleichem Niveau zu belassen. Etwas mehr als ein Drittel (34 Prozent) plant eine Erhöhung, während 13 Prozent eine Kürzung vorsehen.
Kundennähe als treibendes Investitionsmotiv
Das Ziel, neue Märkte zu erschließen, hat bei den international tätigen Industrieunternehmen in diesem Jahr ein Stück weit an Priorität verloren. Zwar setzt laut der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage jeder vierte Betrieb (25,5 Prozent) bei seinen Auslandsinvestitionen auf die Erschließung neuer Märkte, im Vorjahr war dies aber noch für jedes dritte Unternehmen (33,8 Prozent) der Hauptgrund.
Stattdessen treten andere Investitionsmotive stärker in den Vordergrund. Viele Südwestbetriebe legen großen Wert darauf, näher am Kunden zu sein und ihre Vertriebsstruktur zu optimieren. Für 36,2 Prozent der im Ausland investierenden Unternehmen ist der Ausbau von Vertrieb und Kundenservice ein entscheidender Faktor.
Die kosteneffiziente Produktion ist ebenfalls ein relevantes Kriterium. Für 30,1 Prozent der Befragten ist die Möglichkeit, die Produktionskosten durch den Einsatz billiger Rohstoffe und Arbeitskräfte zu senken, ein wichtiger Anreiz für Investitionen außerhalb des Heimatmarktes.
Vor dem Hintergrund zunehmender politischer Spannungen wurde die Reaktion auf Handelshemmnisse als ein weiteres Motiv in die diesjährige Befragung aufgenommen. Acht Prozent der befragten Firmen nannten die Bewältigung von Handelsbarrieren als Grund für ihre Auslandsinvestitionen.
Nordamerika als attraktivstes Investitionsziel
Die Südwestbetriebe investieren im Durchschnitt in drei bis vier Regionen weltweit, wobei die Investitionspläne und -prioritäten je nach Standort variieren:
In Nordamerika zeichnet sich eine äußerst positive Entwicklung der Investitionsbereitschaft ab. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) plant, ihre Ausgaben in dieser Region zu erhöhen – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr (2024: 46 Prozent). Weitere 41 Prozent beabsichtigen, ihr Budget konstant zu halten, während acht Prozent Kürzungen vorsehen. Die Nähe zu Kunden und Vertriebspartnern (39 Prozent) sowie die Erschließung der Märkte (38 Prozent) sind die wichtigsten Gründe für Investitionen.
In Süd- und Mittelamerika bleiben die Investitionstätigkeiten weitgehend unverändert. Die Mehrheit der Firmen (65 Prozent) möchte ihr Investitionsniveau beibehalten, 26 Prozent wollen es aufstocken und neun Prozent reduzieren. Rund 45 Prozent der Industrieunternehmen investieren aus Kunden- oder Absatzgründen und 27 Prozent geben die Markterschließung als Motiv an.
In der Eurozone beabsichtigt mehr als die Hälfte der Befragten (58 Prozent), ihre Ausgaben unverändert zu lassen. Ein Fünftel (20 Prozent) plant, sein Investitionsbudget zu erhöhen, 22 Prozent wollen es verringern. Der Schwerpunkt der Auslandsinvestitionen liegt dort vor allem auf der kostensenkenden Produktion (44 Prozent) und der Nähe zu Kunden und Vertriebspartnern (38 Prozent).
In der übrigen Europäischen Union (Nicht-Euro-Länder einschließlich der Schweiz und Norwegen) ist die Investitionsbereitschaft etwas zurückhaltender als in der Eurozone. Rund 17 Prozent der Unternehmen haben vor, ihre Mittel aufzustocken, während 26 Prozent eine Reduzierung beabsichtigen. 58 Prozent gaben an, ihr Investitionsvolumen beibehalten zu wollen. Die Unternehmen möchten vor allem in Vertrieb und Kundendienst investieren (36 Prozent).
In Asien planen 41 Prozent der baden-württembergischen Industriebetriebe ihre Investitionen zu erhöhen. Die Hälfte der Firmen hat die Absicht, ihre Investitionsausgaben konstant zu halten, während 9 Prozent ihre Ausgaben kürzen wollen. Im vergangenen Jahr lag der Schwerpunkt der Investitionen hauptsächlich auf der Markterschließung. Jetzt liegt der Fokus auf Vertrieb und Kundendienst (32 Prozent) sowie auf der Produktion zur Kosteneinsparung (28 Prozent).
Für China werden 32 Prozent der Unternehmen ihr Investitionsbudget ausweiten und 15 Prozent es verkleinern. Die Mehrheit der Unternehmensvertreter (53 Prozent) entscheidet sich für eine konstante Investitionsstrategie. Die wichtigsten Investitionsschwerpunkte in China sind die Produktion für die Markterschließung (37 Prozent) und die Produktion zwecks Kosteneinsparungen (29 Prozent).
In der Region Afrika, Naher und Mittlerer Osten ist der Investitionsindikator weiter angestiegen. Mehr Unternehmen als im letzten Jahr wollen ihre Investitionsausgaben steigern. So planen 32 Prozent der Südwestbetriebe, ihre Investitionen zu erhöhen (2024: 23 Prozent), während rund neun Prozent das Gegenteil vorhaben. 60 Prozent wollen ihre Ausgaben auf dem gleichen Niveau halten. Die Hauptmotive für die Investitionen sind vor allem Vertrieb und Kundendienst (37 Prozent) sowie die Markterschließung (30 Prozent). Interessant ist, dass rund 26 Prozent der Befragten angeben, dass sie aufgrund von Handelshemmnissen investieren.
Methodische Erläuterungen
Die Sonderauswertung der Auslandsinvestitionen basiert auf der IHK-Konjunkturumfrage, die zu Beginn des Jahres im Januar 2025 durchgeführt wurde. Neben der Einschätzung der konjunkturellen Lage und der Erwartungen wurden die Industrieunternehmen zusätzlich auch zu ihren Auslandsinvestitionen befragt. Die Ergebnisse dieser Sonderauswertung beziehen sich daher ausschließlich auf die baden-württembergischen Industrieunternehmen (ohne Baugewerbe). An der Zusatzbefragung haben insgesamt 1336 Industriebetriebe teilgenommen, von denen 311 detaillierte Angaben zu ihren Auslandsinvestitionen gemacht haben.