EU-Medizinprodukteverordnung: Nachbesserungen gefordert

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) appelliert an die EU-Gesundheitsminister, sich bei ihren Beratungen am 9. Dezember 2022 auf dringend erforderliche Anpassungen der EU-Medizinprodukteverordnung zu verständigen. Im Rahmen des Treffens der EU-Gesundheitsminister wurden drei legislative Maßnahmen angekündigt, um die bekannten Probleme der MDR zu lösen.  
Die EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) ist seit Mai 2021 für Hersteller von Medizinprodukten verbindlich und hat zu hohen Hürden bei der Marktzulassung medizinischer Produkte geführt. Auch wenn der neue Rechtsrahmen richtige und wichtige Ziele verfolgt: In der Praxis stellt er Unternehmen vor große Herausforderungen. 
Die DIHK benennt die größten Hemmnisse und appelliert damit erneut an die EU-Kommission:

Problemlage: Kein Bestandsschutz, Engpass Benannte Stelle, Mehraufwand

  • Kein Bestandsschutz für etablierte Produkte
So bietet die MDR keinen Bestandsschutz für bereits auf dem Markt befindliche Medizinprodukte. das bedeutet, dass auch Produkte, die bereits seit Jahren auf dem Markt sind und sich in der Versorgung bewährt haben, nach den Anforderungen zertifiziert werden müssen – und zwar bis spätestens Mai 2024. Dieser Zeitplan ist aber nicht einzuhalten –allein schon aus Mangel an für die Genehmigung zuständigen Benannten Stellen.
  • Engpassfaktor Benannte Stelle
Es werden Lösungen insbesondere für kleiner Unternehmen benötigt, die trotz großer Bemühungen keine der Benannten Stellen fänden, die für die Bewertung von Medizinprodukten zuständig sind. Die Politik müsse neben der wichtigen Sicherung des Patientenwohls den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der mittelständischen Industrie stärker in den Blick nehmen. Dies gelte besonders für den Marktzugang von Start-Ups sowie kleinere und mittlere Unternehmen, beispielsweise aus dem Bereich der digitalen Gesundheitswirtschaft.  
Zwar sind die Kapazitäten der Benannten Stellen etwa auf den Niveau von früher. Das reiche jedoch bei Weitem nicht aus. Denn es sind erheblich mehr Medizinprodukte auf eine Bewertung durch eine Benannte Stelle angewiesen. Die Zertifizierungen mit Verfahrensdauer von 12 bis 24 Monate sind zudem deutlich umfangreicher als zuvor. 
Aufgrund von Kapazitätsproblemen bekämen viele Betriebe auf absehbare Zeit auch keine Terminzusagen für Produktprüfungen oder fänden überhaupt keine Benannten Stelle für ihre Produkte. 
  • Mehrkosten, Mehraufwand und Umsetzungsprobleme
Unternehmen sind mit deutlich mehr Bürokratie und erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert, die insbesondere die Entwicklung und Vermarktung von Nischenprodukten unrentabel machen können. Zudem machen die zusätzlichen Belastungen gerade den kleineren und mittleren Betrieben mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen zu schaffen. Hinzu kommen die praktischen Probleme: Für die Überführung von Bestandsprodukten in die MDR fehlen vielfach Ärzte für die erforderlichen klinischen Prüfungen. 

DIHK-Forderungen und -Vorschläge

  1. Eine pragmatische Lösung wäre unter anderem eine Überarbeitung der bestehenden Übergangsbestimmungen, um allen Akteuren mehr Zeit zur Auflösung der bestehenden Engpässe zu verschaffen.
  2. Denkbar wären nach Risikoklassen gestaffelte Fristen.  
  3. Um die unnötige Vernichtung bereits produzierter Waren zu verhindern, sei die Abschaffung von Abverkaufsfristen notwendig. 
  4. Es bräuchte zudem eine Sonderregelung für Nischenprodukte (Vergleich Orphan Drugs bei Arzneimitteln). 
  5. Pragmatische Bewertungsansätze für bewährte Bestandsprodukte.

Ankündigungen der EU-Gesundheitsminister vom 09.12.2022

Im Rahmen des Treffens der EU-Gesundheitsminister am 09.12.2022 kündigte Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit, drei legislative Maßnahmen an, um die bekannten Probleme der MDR zu lösen: 
  1. Der Übergangszeitraum der Verordnung wird verlängert. Es soll gestaffelte Fristen geben – für Hochrisikoprodukte bis 2027 und für Medizinprodukte mit mittlerem bis geringem Risiko bis 2028. Falls erforderlich, könnte eine Verlängerung des Übergangszeitraums mit einer Verlängerung der Gültigkeitsdauer von Bescheinigungen kombiniert werden, die gemäß der alten Richtlinien ausgestellt wurden. 
  2. Die Verlängerung unterliegen “bestimmten Bedingungen”. Diese Erweiterung soll vermutlich nur für Produkte gelten, die kein unannehmbares Gesundheits- und Sicherheitsrisiko darstellen, keine wesentlichen Änderungen in Design oder Zweckbestimmung erfahren haben und für die die Hersteller bereits erforderliche Schritte bezüglich der Einleitung des Zertifizierungsprozesses gemäß MDR unternommen haben (z. B. Anpassung des Qualitätsmanagements an die MDR). 
  3. Streichung der Abverkaufsfrist im Mai 2025