FAQ: Corona-induzierte Insolvenzrisiken

Der Corona-Virus beutelt im Moment die gesamte deutsche Wirtschaft, insbesondere aber einzelne Branchen, die aufgrund der Natur ihrer Tätigkeit besonders betroffen sind, z.B. Tourismus, Gaststätten Reiseunternehmen etc.

Dieser unternehmerische Ausnahmezustand hat natürlich - abhängig von der Situation des Unternehmens und auch der Rechtsnatur des Unternehmens – insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Auswirkungen. Ebenso hat sie Auswirkungen auf die Pflichtenstellung der Organe des Unternehmens. Der Fachanwalt für Arbeits- und Insolvenzrecht und Partner in der Kanzlei Haller & Partner Rechtsanwälte in Villingen-Schwenningen, Klaus Maier, hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Muss sich auch in dieser Ausnahmesituation dafür sorgen, dass das Unternehmen stets liquide bleibt?
Ja. Bis auf weiteres ist davon auszugehen, dass die in der Insolvenzordnung niedergelegten Insolvenzantragspflichten bis zu einer künftigen Änderung der Gesetzeslage erst einmal weitergelten.

Organe eines (grundsätzlich einer möglichen Insolvenzantragspflicht unterliegenden) Unternehmens müssen also auch in dieser Situation dauerhaft die Frage einer weiterbestehenden Zahlungsfähigkeit bzw. einer insolvenzrechtlichen Überschuldung im Sinne der §§ 17  f InsO  prüfen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte einzuleiten, das Unternehmen geordnet in eine Insolvenz zu führen.

Vorsicht! Vorrangig ist immer die Pflicht des Geschäftsführers, alle Möglichkeiten auszuloten, dies zu vermeiden und alles dazu Notwendige sobald als möglich zu unternehmen. Unterlässt das Organ (Geschäftsführer…) dieses, drohen im Einzelfall erhebliche Haftungsrisiken. Ob und inwieweit diese existieren bzw. ob existierende D&O- Versicherungen eingreifen, ist Einzelfallfrage.

Kann ich mich als Organ einer (im Grundsatz insolvenzantragspflichtigen) Gesellschaft für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung darauf berufen, dass hier eine außergewöhnliche Notsituation besteht und ich deshalb für das Unternehmen keine Insolvenzantragspflicht habe?
Bis auf weiteres nein. Die derzeit nach der Insolvenzordnung geltenden Insolvenzantragspflichten bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung gelten bis auf weiteres fort. Ob der Gesetzgeber hier Änderungen der Insolvenzordnung vornimmt bzw. welche, bleibt abzuwarten.

Ähnliches gilt für Folgestrafbarkeiten wie z.B. Insolvenzverschleppung, Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen bzw. Leistungsbezug. Hier mag im Einzelfall die Notsituation zu Verringerung des Risikos führen, eine grundsätzliche Strafbarkeit bleibt. Auch aus diesem Strafbarkeiten abgeleitete Haftungsrisiken bleiben im Grundsatz bestehen.
Frage: Ich bin als Geschäftsführer einer GmbH konkret nicht in der Lage, festzustellen, ob eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung besteht. Kann ich mich rechtlich darauf berufen oder was muss ich tun?

Es entlastet den Geschäftsführer nicht, dass er selbst nicht dazu in der Lage ist, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung festzustellen. (Hintergrund ist sehr oft, dass allein schon die Definitionen nicht bekannt sind bzw. dass die handwerklichen Mittel fehlen…)

Er muss, um sich ordnungsgemäß zu verhalten, sich dazu gegebenenfalls fremder Hilfe bedienen, d.h., eines entsprechenden Anwalts oder Steuerberaters.

Unser Unternehmen kann gerade aufgrund der Situation seine finanziellen Verpflichtungen nicht einhalten. Wir verfügen aber über ein ganz erhebliches Lager mit einem Wert, welcher die aktuellen Verpflichtungen massiv überschreitet. Muss ich mich trotzdem um eine Insolvenzantragspflicht aufgrund Zahlungsunfähigkeit kümmern?
Leider ja. Bei einer Zahlungsunfähigkeit Prüfung nach § 17 InsO sind lediglich diejenigen Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, die unmittelbar oder in sehr kurzer Zeit in liquider Form zur Verfügung stehen. Das ist Einzelfall Frage, generell ist aber davon auszugehen, dass nicht sehr kurzfristig in Liquidität umsetzbare Vermögensgegenstände nicht zu berücksichtigen sind.

Unser Unternehmen ist insolvenzantragspflichtig und ich glaube, dass wir zahlungsunfähig sind. Wie viel Zeit habe ich zur Stellung eines Insolvenzantrags? Bis die Corona-Krise hinüber ist?
Da die derzeit geltenden Gesetze zur Insolvenzantragspflicht unverändert weitergelten gilt folgendes: Ab Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit hat der Antragstellerin-Verpflichtete maximal drei Wochen, danach muss ein Antrag gestellt sein.

Vorsicht: Diese drei Wochen gelten nur in denjenigen Fällen, in denen noch Aussicht auf eine Lösung besteht. In klaren Fällen eines Vorliegens eines Insolvenzantragsgrunds (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) darf nicht solange abgewartet werden, es muss unverzüglich Antrag gestellt werden.

Welche konkreten Pflichten habe ich als Geschäftsführer eines als GmbH oder UG strukturierten Unternehmens zur Aufrechterhaltung der Liquidität des Unternehmens?
Auch in dieser Sondersituation gilt, dass der Unternehmer dauerhaft verpflichtet ist, alle im Einzelfall möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Liquidität des Unternehmens zu treffen. Eine aktuelle Übersicht möglicher Maßnahmen bietet die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg unter www.ihk-sbh.de/corona.
  • In jedem Fall gehört zu den Pflichten des Geschäftsführers, in besonderem Maß dafür Sorge zu tragen, dass das Unternehmen in dieser Situation auch für die Zukunft liquide bleibt.
  • Mögliche Einzelmaßnahmen sind beispielsweise:
  • Frühzeitige Abklärung, ob bestehende Betriebsunterbrechungsversicherungen, Betriebsausfallversicherungen oder ähnliche Versicherungen greifen, ab wann und in welcher Situation und mit welchen finanziellen Folgen zu Gunsten des Unternehmens
  • Stellung von Anträgen auf Fördermittel durch Förderbank…
  • Frühzeitige Absprache mit der jeweiligen Hausbank zur Sicherung der künftigen notwendigen Liquidität
  • Kurzfristige Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens
  • Soweit möglich, Veranlassung unterstützender Einzahlungen in die Gesellschaft durch den oder die Gesellschafter (Einlage oder Darlehen….)
  • Rechtliche Maßnahmen zwecks Vermeidung einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (siehe separate Fragestellung)
  • Beantragung von Kurzarbeitergeld
  • Minimierung der Entnahmen von Gesellschafter/Geschäftsführern oder Gesellschaftern

Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen treffen, um einen Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit zu verhindern?
Zahlungsunfähigkeit im Sinn des § 17 InsO betrifft lediglich fällige Forderungen. Forderungen die noch nicht fällig sind oder die durch Parteiabsprachen zwischen Schuldner und Gläubiger aus einer Fälligkeit herausgenommen werden, sind nicht zu berücksichtigen.

Alle Vereinbarung, durch die künftig eintretende Zahlungsfristen herausgeschoben werden bzw. die dafür sorgen, dass bisher fällige erst zu einem zukünftigen Zeitpunkt bezahlt werden müssen, minimieren das Risiko des Eintritts einer Zahlungsunfähigkeit.
Frage:  Auf welche Zahlungen muss ein Unternehmer in besonderem Maße achten, um nicht kurzfristig in eine Zahlungsunfähigkeit im Sinn des §§ 17 InsO und somit in eine Insolvenzantragspflicht hinein zu kommen?

Besonders riskant sind in dieser Situation in Bezug auf den Eintritt einer Zahlungsfähigkeit Sachverhalte, die kurzfristig zu einer fälligen Forderung in großer Höhe führen können.
Dies gilt z.B. für den Fall der Kündigung eines Darlehens der Hausbank oder eines anderen Darlehensgebers (z.B. aufgrund der Nichtzahlung laufender Darlehensraten…), da damit die volle Darlehenssumme fällig wird. Gleiches gilt für alle anderen Zahlungsvereinbarungen, die ähnliche Mechanismen für den Fall von Nichtzahlungen von Ratten oder Einzelbeträgen eingebaut haben. Dergleichen findet sich z.B. auf den Prozessvergleichen über Zahlungen.

Vor einer solchen Kündigung sind lediglich die gerade laufenden Darlehensraten bzw. Einzelzahlungen fällig und in eine Zahlungsunfähigkeit einzustellen, danach die gesamte Forderung.

Reicht es aus, wenn eine GmbH und deren Geschäftsführer einmalig das Risiko eines Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung prüfen oder fachkundig prüfen lassen?
Nein, in einer Krisensituation ist der Geschäftsführer einer GmbH… dauerhaft verpflichtet, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung immer wieder zu prüfen, insbesondere dann, wenn einzelne Sachverhalte auftreten, die die Situation deutlich verschlechtern.

Bin ich als Unternehmer berechtigt, in der Corona-Situation mit dem Argument eines sonst anstehenden Insolvenzrisikos anstehende Steuerzahlungen zurückzuhalten?
Hier gibt es keinen Automatismus zu Gunsten der Unternehmen. Allerdings bestehen im Rahmen des geltenden Steuerrechts Möglichkeiten, die frühzeitig ausgenutzt werden sollten, in Absprache mit dem jeweiligen Steuerberater. So können z.B. Einkommenssteuer- und Körperschaftssteuervorauszahlungen aufgrund anstehender Umsatzrückgänge im Einzelfall angepasst werden. Ebenso besteht grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen des geltenden Rechts Stundungsanträge zu stellen.

In Anbetracht der schnellen Vollstreckungsmöglichkeiten der Finanzämter wäre die schlechteste Variante die, einfach nicht zu zahlen.

Generell sollte solche Kommunikation über den Steuerberater oder Anwalt laufen, um nicht kontraproduktiv zu wirken.

Genügt es für den grundsätzlich insolvenzantragspflichtigen Unternehmer, sich um seine Liquidität zu kümmern, um Insolvenzantragsrisiken zu vermeiden?
Nein. Für GmbHs und andere juristische Personen gibt es nicht nur eine Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit, man muss auch die Frage einer Überschuldung im Sinne des §§ 18 InsO prüfen.

Wo durch Darlehen für die Liquidität gesorgt ist, sind diese Darlehen bei einer Überschuldung Prüfung grundsätzlich mitzuberücksichtigen, es sei denn, es gibt zusätzlich einen in hinreichender Art vereinbarten Rangrücktritt. Dies wird oft bei Gesellschafterdarlehen gemacht.

Ich bin neben einem kaufmännischen Geschäftsführer als ranghöchster Techniker einer GmbH „technischer Geschäftsführer“ des Unternehmens, mit einer Eintragung meiner Geschäftsführer-Position im Handelsregister. Muss ich mich in der jetzigen Situation um den ganzen finanziellen Kram kümmern?
Ja. Selbst dann, wenn eine klare Geschäftsverteilung zwischen kaufmännischem und technischem Geschäftsführer besteht (Vorsicht: Selbst das ist nicht immer der Fall!) , aufgrund der Sie üblicherweise mit Finanzen nichts zu tun haben, sind Sie zumindest in einer solchen Notsituation mit in der Verantwortung, sich um die Finanzen zu kümmern bzw. zu prüfen, ob Insolvenzantragsgründe bestehen. Ansonsten drohen Ihnen im Einzelfall existenzielle Haftungsrisiken. Im Zweifelsfall lassen Sie sich bitte anwaltlich beraten.