Notfallplan Gas: Was kommt auf Unternehmen zu?

23. Juni 2022: Alarmstufe ausgerufen

Am 23. Juni hat die Bundesregierung die Alarmstufe des "Notfallplans Gas" in Kraft gesetzt. Nach der Ende März ausgerufenen Frühwarnstufe ist dies die zweite von drei Krisenstufen dieses Plans, der die Bundesrepublik Deutschland auf eine mögliche erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung vorbereiten soll. Was bedeutet das für die Unternehmen hierzulande, und welche Schritte können folgen?
Noch vor Kurzem war der Notfallplan Gas nur wenigen ein Begriff. Angesichts der seit dem 14. Juni gekürzten Gaslieferungen aus Russland und des weiterhin hohen Preiseniveaus am Gasmarkt hat die Bundesregierung jedoch nun bereits die zweite Alarmstufe ausgerufen. Aktuell sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, die Lage aber angespannt, so das Bundeswirtschaftsministerium.
Der Notfallplan Gas bietet in den drei Krisenstufen einen Maßnahmenpool unterschiedlicher Eingriffstiefe. Die beiden ersten Stufen, die Frühwarn- und die Alarmstufe, setzen auf eigenverantwortliche Maßnahmen der zuständigen Marktakteure gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Konkretisiert wird der Notfallplan Gas durch den Leitfaden Krisenvorsorge Gas. Hier finden sich vor allem die prozessualen Abläufe und die damit verbundenen Informationspflichten und Kommunikationswege für eine koordinierte Umsetzung der Maßnahmen.

Notfallplan Gas sorgt für Koordination der Gasversorgung

In der Frühwarn- und Alarmstufe geht es in erster Linie um die kontinuierliche Analyse und Bewertung der Versorgungslage durch ein Krisenteam. Darüber hinaus können die Netzbetreiber netz- und marktbezogene Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise die Optimierung von Lastflüssen oder die Kürzung beziehungsweise Unterbrechung auf Basis vertraglicher Ausgestaltungen (Abschaltkunden). Bei der Wahl der Maßnahmen sollen solche den Vorzug erhalten, die Umwelt und Wirtschaft am wenigsten belasten.

Vorrangige Versorgung geschützter Kunden

Einem besonderen Schutz bei den Maßnahmen des Notfallplans Gas unterliegen sogenannten geschützte Kunden, dazu gehören:
  • Letztverbraucher mit Standardlastprofilen
  • Letztverbraucher, die Haushaltskunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern,
  • grundlegende soziale Dienste (etwa Gesundheitsversorgung, Sicherheit, Bildung oder öffentliche Verwaltung)
  • Fernwärmeanlagen zur Versorgung der oben genannten Kunden, soweit sie keinen Brennstoffwechsel vornehmen können.
Sind Kürzungen von Letztverbrauchern nicht zu vermeiden, werden diese grundsätzlich in folgender Reihenfolge vorgenommen:
  1. nicht geschützte Kunden
  2. systemrelevante Gaskraftwerke
  3. geschützte Kunden.

Diskriminierungsfreie Abschaltreihenfolge

Entsprechend sind also zunächst nicht geschützte Letztverbraucher zu kürzen. Obwohl der Notfallplan hier nicht differenziert, sieht der Leitfaden Krisenvorsorge Gas die Festlegung einer diskriminierungsfreien Abschaltreihenfolge für diese Letztverbraucher auf Basis verschiedener Kriterien vor. Dazu können unter anderem physikalische Gegebenheiten, Kapazitäten, Wirksamkeit und Folgen von Abschaltungen, die (Un)Möglichkeit eines Brennstoffwechsel oder Auswirkungen auf das öffentliche Leben durch die Abschaltung gehören. Frühwarn- und Alarmstufe werden durch das Bundeswirtschaftsministerium durch Pressemitteilung ausgerufen.

Notfallstufe: Bundesnetzagentur sichert die Deckung des lebenswichtigen Gas-Bedarfs

Die dritte Stufe ist die Notfallstufe. Sie eröffnet zusätzliche hoheitliche Instrumente: In der Notfallstufe übernimmt die Bundesnetzagentur die Rolle des Bundeslastverteilers und kann per Verfügungen sehr weitreichend in den Markt eingreifen, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs zu sichern. Verbraucherseitig umfasst das unter anderem Vorgaben über Zuteilung, Bezug und Verwendung von Gas sowie den Ausschluss vom Gasbezug, etwa Anordnungen zu Reduktion des Gasverbrauchs, zur Abschaltung von Industriekunden, zur Substitution von Erdgas durch andere Energieträger und andere Maßnahmen. Die Notfallstufe wird durch Verordnung der Bundesregierung ausgerufen und per Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums bekanntgegeben.
Dabei müssen die Stufen nicht nacheinander ausgerufen werden. In Abhängigkeit von Schweregrad, Dringlichkeit und erforderlicher Maßnahmenart können auch sofort Alarm- und Notfallstufe festgestellt werden.

Informationen über Kürzungen der Gasversorgung

Soweit zeitlich möglich, sollten Öffentlichkeit beziehungsweise von Kürzungen voraussichtlich betroffene Netzkunden frühzeitig über bevorstehende Lastabschaltungen informiert werden. Über drohende Kürzungen informiert der Netzbetreiber seine Letztverbraucher mit registrierter Leistungsmessung (RLM) unverzüglich – per Mail oder Telefax gilt als ausreichend.
Auch über tatsächliche Kürzungen werden RLM-Letztverbraucher informiert und erhalten eine Aufforderung, den Verbrauch in einem vorgegebenen Zeitfenster zu reduzieren. Im Falle einer erforderlichen Abschaltung von Letztverbrauchern mit Standardlastprofil erfolgt die Aufforderung zur Reduzierung des Verbrauchs über öffentliche Bekanntmachung, etwa über Radio, Zeitung oder Lautsprecher-Durchsagen.
Was Staat und Unternehmen in der aktuellen Situation tun können, hat der DIHK auch in einem Dossier zusammengetragen.

30. März 2022: BMWK ruft Frühwarnstufe aus

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 30. März die erste Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Obwohl das Ministerium betont, dass aktuell keine Versorgungsengpässe bestehen, ist nun ein Krisenteam zusammengetreten. Dieses analysiert und bewertet die Versorgungslage permanent, um im Bedarfsfall weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Der Ankündigung Russlands, die Bezahlung der Gasimporte nur noch in Rubel zu akzeptieren, folgte die Ablehnung der G7-Staaten in einer gemeinsamen Erklärung vom 28.03.2022 aus Gründen der Vertragstreue. Die russische Regierung hatte daraufhin gedroht, ohne Rubel-Zahlungen die Gaslieferungen zu stoppen.
Um auf mögliche Liefereinschränkungen oder -ausfälle vorbereitet zu sein, hat das BMWK deshalb heute die Frühwarnstufe nach Art. 11 der EU-Verordnung über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung ausgerufen und das Krisenteam Gas einberufen. Damit wird die aktuelle Situation im Gasnetz engmaschig beobachtet und bewertet.
Zum Krisenteam Gas gehören neben dem BMWK auch die Bundesnetzagentur, der Marktgebietsverantwortliche Gas, die Fernleitungsnetzbetreiber, mit Unterstützung der Bundesländer. Das Krisenteam Gas tagt ab sofort regelmäßig, um auf Basis der täglichen Meldungen der Fernleitungsnetzbetreiber und des Marktgebietsverantwortlichen die Entwicklung der weiteren Situation am Gasmarkt zu beobachten und die Leitung des BMWK zu beraten. Die Netzbetreiber ergreifen im Rahmen ihrer Verantwortung netz- und marktbezogene Maßnahmen gemäß § 16 und § 16a EnWG, sofern notwendig. Die EU-Kommission und die Nachbarstaaten wurden über die Ausrufung der Frühwarnstufe unterrichtet. Das BMWK steht im kontinuierlichen Kontakt mit der EU-Kommission.
Das BMWK betont, dass die Gesamtversorgung aller deutschen Gasverbraucher aktuell weiter gewährleistet und ausreichend Gas an den Märkten vorhanden ist. Dies gilt sowohl für Haushaltskunden und soziale Dienste wie Krankenhäuser als auch für Fernwärme, Stromerzeugung sowie die deutsche Wirtschaft. Dennoch ist ab sofort jeder Gasverbraucher – von der Wirtschaft bis zu Privathaushalten - auch gehalten, seinen Verbrauch so gut wie möglich zu reduzieren.