
An Indien führt kein Weg mehr vorbei
Für rheinhessische Unternehmen bieten sich viele Potenziale in der bald drittgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Zuzeiten der Weltfinanzkrise geisterte der Begriff „too big to fail“ durch die Landschaft. Als zu groß, um scheitern zu dürfen, galten Marktteilnehmer von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. „Indien – too big to be ignored“, zu groß, um ignoriert zu werden, sagt Dirk Matter. Wer zukunftsgerichtet und international ausgerichtet wirtschaftlich tätig sein möchte, komme an Indien nicht vorbei.
Matter ist Geschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer und sitzt im Deutsch-Indischen Informationsbüro in Düsseldorf. In Rheinland-Pfalz, sagt er, sind die Verbindungen nach Indien besonders gut. Nicht aus Zufall wurde die IHK für Rheinhessen vor rund einem Jahr zum India Desk, was mit speziellen Schulungen und Reisen verbunden ist, um den Unternehmen bestmöglich Rat geben und Kontakte vermitteln zu können.
Eine solche Reise führte Dr. Marcus Walden, Präsident der IHK für Rheinhessen, unlängst in einer rund zwei Dutzend Köpfe großen Delegation für fünf Tage nach Mumbai und Hyderabad. Mehrheitlich waren es Unternehmerinnen und Unternehmer, die gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt nach Asien aufgebrochen waren. „Höchst interessant“ war die Reise, sagt Walden, der schon Ende des vergangenen Jahrzehnts nach Indien gereist war und nun ob der schnellen Entwicklung staunte.
„Perfekt, um Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen“, nennt der IHK-Präsident Reisen dieser Art. An einer davon hatte auch Julia Schnitzler teilgenommen. Die geschäftsführende Gesellschafterin von Strassburger Filter war jüngst im Rahmen der Asien-Pazifik-Konferenz auch in Indien zu Gast – dort waren auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck mit einer Wirtschaftsdelegation vor Ort. Man sieht: An Indien führt kein Weg vorbei. „Ein interessanter Markt, in dem sich in den letzten Jahren einiges getan hat, der aber noch lange nicht so weit ist wie China“, lautet Schnitzlers Urteil. Ihr Unternehmen erwirtschaftet rund 70 Prozent seiner Erträge im Ausland. „Als großes PharmaLand ist Indien für uns sehr interessant. Aber in unserem Bereich der Plasma-Fraktionierung kenne ich dort drei oder vier Unternehmen, statt rund zwei Dutzend in China. Die Branchen, die Infrastruktur sind im Aufbau.“
Was wiederum Potenziale en masse bietet, sich unternehmerisch einzubringen.
Was wiederum Potenziale en masse bietet, sich unternehmerisch einzubringen.
2.000 deutsche Unternehmen sind in Indien aktiv
„Das Interesse an Indien hat in den letzten zwei, drei Jahren deutlich zugenommen“, sagt Matter. „Indien entwickelt sich dynamisch, für 2025 ist ein Wachstum von 6,5 Prozent vorhergesagt. So ist das Land bereits die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, knapp hinter Japan und Deutschland. In drei Jahren wird sie nach den USA und China zur drittgrößten aufgestiegen sein.“ Schon 1956, als erste AHK in Asien überhaupt, wurde die Deutsch-Indische Handelskammer gegründet. „Indien ist also keine Terra incognita.“
2.000 deutsche Firmen sind aktuell mit eigener Niederlassung in Indien aktiv, mehr als 600 auch mit eigener Produktion, durch Tochtergesellschaften oder Joint Ventures. Die meisten Dax-Unternehmen sind präsent. „Der wichtigster Bereich für die deutsche Wirtschaft ist der klassische Maschinenbau“, sagt Matter, „Indien ist ein Industrieland in der Transitionsphase, viele neue Werke werden gebaut.“ Die Bereiche Elektro und IT – „hier ist Indien Supermacht“, so Matter – kommen hinzu.
„Forschung und Entwicklung ist ein neuer Trend, auch als Folge des Fachkräftemangels in Deutschland“, berichtet Matter. In Indien sei die Bevölkerungspyramide wirklich noch eine Pyramide und nicht, wie in Deutschland, eine Urne. Entweder die Fachkräfte werden nach Deutschland geholt oder die hiesigen Unternehmen betreiben ihre IT-Entwicklung dort vor Ort. „Sehr interessant ist auch alles, was mit Erneuerbaren Energien zu tun hat“, sagt Matter. „Indien setzt voll auf den Energiemix. Es ist ein sehr energiehungriges Land, der Lebensstandard steigt.“
Persönlicher Kontakt als Schlüssel
Um als deutsches Unternehmen in Indien erfolgreich zu sein, braucht es, wie überall, die richtigen Partner, weiß Schnitzler. Strassburger Filter arbeitet bislang mit einem Händler zusammen, doch die Unternehmerin denkt darüber nach, festere Strukturen zu schaffen, wie sie in China bereits gewachsen sind. „Das sind für einen kleinen Mittelständler immer große Investitionskosten, aber wir hoffen, dass Indien so eine stabile Rolle für uns haben wird wie aktuell China.“
Denn während in China Themen wie Protektionismus, Produktpiraterie und auch die politische Lage für Unsicherheit sorgen, ist Indien eine Demokratie mit funktionierender Justiz und freier Presse, wie Matter unterstreicht: „Der Marktzugang ist vielleicht etwas kompliziert, denn Inder schätzen den persönlichen Kontakt sehr. Man muss vor Ort am besten einen Vertriebspartner oder Handelsvertreter haben – oder eine eigene Vertriebstochter. Delegationsreisen und Messeteilnahmen sind wichtig. Aber die Verlässlichkeit ist deutlich besser als in China.“ „Die mitgereisten Unternehmer waren alle sehr angetan von den guten Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen“, berichtet Walden. Manch ein Unternehmen trat bereits mit konkreten Vereinbarungen die Heimreise an. „Aus rheinhessischer Sicht ist das Thema Biotechnologie besonders interessant. Ein Drittel der Impfstoffe der Welt wird in Hyderabad hergestellt. Und in Indien entstehen in
drei, vier, fünf Jahren komplette, neue Wirtschaftsquartiere.“ Da hilft es, dass durch die Reise ein Direktkontakt zwischen der IHK für Rheinhessen und der Ministeriumsebene entstanden ist.
drei, vier, fünf Jahren komplette, neue Wirtschaftsquartiere.“ Da hilft es, dass durch die Reise ein Direktkontakt zwischen der IHK für Rheinhessen und der Ministeriumsebene entstanden ist.
TORBEN SCHRÖDER, FREIER JOURNALIST
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