Nachhaltigkeit als Teil der Geschäftsidee

Geschichten zum Gin

Start-ups sind technologiebasierte Unternehmen mit einem neuartigen, innovativen Produkt und ambitionierten Entwicklungszielen. Aber auch grüne Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeit und Umweltschonung aufbauen, treten immer stärker in Erscheinung, wie unser heutiges Beispiel zeigt. Die IHK Potsdam unterstützt Start-ups in Brandenburg in der Gründungs- und Wachstumsphase. In einer Serie stellt das Forum solche Unternehmen vor.

Schwarzer Walfisch Gin (Hutmachers Maritime Spirituosen e.K.)

„Schwarzer Walfisch ist ein maritimer Gin“, erklärt Bjarne Henning Hutmacher. „Ein Gin, der nach Meer schmeckt.“ Das kommt von den Zuckeralgen aus der Nord- und Ostsee, die etwas Süße bringen und auch eine wunderbare Salznote. Sie geben dem Schwarzen Walfisch den Duft nach frischer Meeresbrise. Insgesamt sind es 23 natürliche Zutaten – die Botanicals – die dem Gin aus Hohen Neuendorf beim Brand zugefügt werden und ihre Aromastoffe an den Alkohol abgeben. Sanddorn kommt aus Mecklenburg, Wacholder aus Kroatien, nahezu alle Botanicals sind aus biologischem Anbau – die Rezeptur ist ein Betriebsgeheimnis.
Bjarne Henning Hutmacher
Gründer des Start-ups Bjarne Henning Hutmacher. © www.stefan-specht.de

Die Geschäftsidee

Der Gründer Bjarne Hutmacher ist nicht der erste in der Familie, der sich intensiv mit der Herstellung alkoholischer Getränke beschäftigt. Sein Vater Björn ist gelernter Brauer und Mälzer, studierte dann Lebensmitteltechnologie und obwohl er heute als Verfahrenstechniker arbeitet, ist er Braumeister aus Leidenschaft geblieben. Die Familie machte gern Urlaub in Schottland – und dazu gehörten auch immer Besuche bei Whisky-Brennereien. Bjarne interessierte sich damals noch mehr für die Berge und Seen, aber ihn faszinierten die Geschichten, die die Brennmeister über ihren Whisky zu erzählen hatten. „Gut essen, gut trinken und eine gute Geschichte zum Produkt, das wertet jeden Abend auf“, sagt der 26-jährige Unternehmensgründer.
Bjarne Hutmacher ist in Berlin aufgewachsen und später in Hohen Neuendorf zur Schule gegangen, fühlte sich vom Meer jedoch schon immer magisch angezogen. Viele Jahre lebte er in Hamburg und Kiel. Die Familie, die Liebe zum Meer und gesellige Abende mit Segelfreunden brachten ihn auf die Idee, einen eigenen Gin zu kreieren, bei dem man zum Beispiel auch einen erlebnisreichen Tag auf See gut ausklingen lassen kann.

Praktikum im eigenen Betrieb

Bjarne Hutmacher studierte Journalismus und Unternehmenskommunikation in Berlin. Als Werksstudent bei einer großen IT-Firma arbeitete er unter anderem an Projekten für öffentliche Auftraggeber und Automobilkonzerne und sammelte so Praxiserfahrungen im Marketing. In seinem halbjährigen Pflichtpraktikum folgte Bjarne Hutmacher dann einer Empfehlung seines Professors, der sagte: Man kann nirgends so viel lernen, wie bei der Gründung eines eigenen Start-ups.
„Das halbe Jahr war ein Geschenk. Ich brauchte diese Zeit auch, um die Geschäftsidee und das Produkt zu entwickeln“, sagt Hutmacher. Ziel war von Beginn an, einen Gin zu entwickeln, der ausgezeichnet schmeckt, Spaß macht und mit natürlichen Zutaten produziert wird. Das Marketing und der Markenaufbau sollten dem entsprechen und er entwickelte alles binnen eines halben Jahres selbst. Den Fortgang der Arbeiten prüfte sein Mentor auch beim monatlichen Rapport.

Die Gründung

Die erste Herausforderung bei der Gründung war die Suche nach einem passenden Partner. „Natürlich habe ich auch durchgerechnet, ob eine eigene Brennerei möglich ist. Aber eine solche Investition war ausgeschlossen“, sagt Hutmacher, der schließlich auf Empfehlung in Schwechow (Mecklenburg) eine hervorragende Brennerei für die Herstellung seines Gins fand.
„Die Brennerei bekommt oft solche Anfragen, die sie meist ablehnen. Aber sie haben meine Begeisterung gespürt und mich unterstützt. Gemeinsam mit Brennmeister Benjamin Schlüter entwickelte Bjarne Hutmacher seinen Gin: „Es sind viele Probebrände nötig, je besser man sich vorbereitet, desto schneller kommt man zum Ziel. Das spart Zeit und Geld. Zu den Vorbereitungen gehörte eine intensive Marktforschung, wie die Recherche der Trends, die Marktbeobachtung und Probekäufe für die Verkostung. Den ersten eigenen Gin hat Bjarne Hutmacher mit seinen Eltern, seiner Freundin, dem jüngeren Bruder und Freunden getestet. Dann ließ der Gründer auch Getränkehändler und Barbetreiber, Sterneköche, Gin-Kenner, aber auch –Anfänger kosten, bis die Rezeptur stand.

Die Geburt der Marke

„Ich weiß, dass der Wal kein Fisch ist“, sagt Bjarne Hutmacher. Aber vor 150 Jahren glaubten das noch viele Menschen. Und so gibt es ein Scherzlied vom „Schwarzen Walfisch“, der einen Menschen verschluckt und nach drei Tagen lebendig wieder ausgespuckt hat. Die Geschichte ist wirklich wahr, nur, dass der „Schwarze Walfisch“ im Lied eine Kneipe war. „Wir haben das Lied manchmal auf unseren Segeltouren gesungen“, erzählt Hutmacher. Und so sollte der Schwarze Walfisch zur Marke werden.

Nachhaltigkeit

Die Natürlichkeit war von Anfang an Teil der Geschäftsidee. Dem Gin sind keine künstlichen Aromen zugesetzt, die Botanicals stammen aus biologischem Anbau und werden überwiegend regional produziert. „Ich habe mich bemüht, die Umweltbilanz so gut wie möglich zu gestalten“, sagt Bjarne Hutmacher. Dazu gehören Versandkartons aus Recycling-Pappe mit dem Gras von brachliegenden Weideflächen. Der Karton riecht sogar leicht nach Wiese und wird mit einem klimaneutralen Paketdienst geliefert. Zwei Euro je verkaufter Flasche spendet Bjarne Hutmacher – zu gleichen Teilen an die Seehundstation Friedrichkoog und den NABU Schleswig-Holstein. Es ist ein Bekenntnis zum Schutz des Meeres, das für die Komposition der Botanicals die Inspiration lieferte.“

Manufakturarbeit

800 Flaschen umfasst ein Brand. Der Alkohol verdunstet in der Brennglocke und schlägt sich im Kühlsystem mitsamt den gelösten Aromen nieder. Temperatur und Zeit beeinflussen das Ergebnis und müssen von Charge zu Charge konstant sein. Einen Tag dauert der Brand. Danach ist viel Handarbeit gefordert. Bjarne Hutmacher füllt die Flaschen ab und verkorkt sie. Beim Etikettieren und Beschriften hilft ihm seine Freundin Victoria. Jedes Etikett wird per Hand mit der Chargennummer und einer laufenden Flaschennummer beschriftet.

Familienunternehmen

Mit Corona begann eine schwierige Zeit für das Start-up. Keine Feste, die Bars geschlossen und die Fachhändler trauen sich oft nicht, neue Waren ins Regal zu stellen. Die Unsicherheit ist bis heute da. Bjarne Hutmacher fehlten die Veranstaltungen und Messen, um seinen Gin zu präsentieren und mit Kunden über ihn zu plaudern.
Er nutzte die Zeit, um den eigenen Onlineshop weiterzuentwickeln und an der Unternehmensstrategie zu feilen. Dies passierte in Eigenregie, so wie auch sämtliche Marketing-Aktivitäten - bis hin zum jüngst veröffentlichten Image-Video, teils mit Unterstützung seiner Familie und Freunden. Ein befreundeter Anwalt hat sich um den Markenschutz gekümmert, eine Freundin entwarf das Logo.
„Bjarne hat immer gewusst, dass er sich auf seine Familie verlassen kann. Wir haben uns von der Begeisterung anstecken lassen“, sagt Mutter Ulrike Hutmacher. Sie unterstützt ihren Sohn bei der Buchhaltung, dem Etikettieren oder beim Versand und steht auch sonst immer mit Rat und Tat bereit.
Mit dieser Hilfe konnte Bjarne Hutmacher den Schwarzen Walfisch etablieren, ohne einen Kredit aufzunehmen. „Es kam mir am Anfang darauf an, ein richtig gutes Produkt auf den Markt zu bringen. Ich habe kein gebrandetes Auto und keinen riesigen Messestand. Das kommt alles später“, sagt der Gründer. Dann wird er auch Unterstützung beim Vertrieb brauchen. Aber: Der Schwarze Walfisch soll auch in Zukunft ein authentisches Manufaktur-Produkt bleiben.

Haustür-Marketing

Heute kommt rund ein Viertel des Umsatzes aus dem eigenen Onlineshop. Drei Viertel der Ware liefert Bjarne Hutmacher an Einzelhändler, Bars und Restaurants in ganz Deutschland. Viele Kunden leben und arbeiten auch in der Region. Da machte es sich bezahlt, dass der Gründer in Hohen Neuendorf zum Gymnasium gegangen ist, in verschiedenen Sportvereinen aktiv war und so ein gutes funktionierendes Netzwerk hat. Er sagt: „Ich bin besonders stolz, dass sie die Kunden nicht nur probieren, weil sie neugierig sind, sondern auch nachkaufen, weil sie vom Gin wirklich begeistert sind! Beim Onlineshop ist dies gut nachzuvollziehen.  Vor Ort in Hohen Neuendorf bietet Peter Findling den „Schwarzen Walfisch“ an. Er verkauft in seiner WeinStation deutsche Weine und dazu Schinken, Käse und Snacks. Die Kunden dürfen probieren und mit ihm über Gott und die Welt und vor allem über gute Weine reden. Einkaufen bei ihm ist ein Erlebnis und natürlich hat auch er die Geschichte zum „Schwarzen Walfisch“ parat. FORUM/BB

Interview mit Felix Mohn, IHK Potsdam: Start-up mit Nachhaltigkeit

Felix Mohn ist Referent für Existenzgründung, Start-ups und Unternehmensfinanzierung bei der IHK Potsdam. Zu nachhaltigen Start-ups antwortet er auf Fragen von Bolko Bouché.
Herr Mohn, welche Chancen haben nachhaltige Geschäftsideen?
Die Bereitschaft, ökologisch und fair erzeugte Produkte zu kaufen, wächst in vielen Teilen der Bevölkerung. Gerade in der jüngeren Generation unterstützen viele Menschen diesen Ansatz und sind auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben.
Was muss ein Start-up tun, um mit einer solchen Geschäftsidee zu erfolgreich zu sein?
Diese Unternehmen müssen beweisen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Marketinginstrument ist, sondern dass sie wirklich einen positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben. Sie sollten den gesamten Prozess vom Rohstoff-Einkauf bis hin zum Vertrieb nachhaltig gestalten.
Welches Marketing braucht ein nachhaltig erzeugtes Produkt?
Die einzige Besonderheit ist, dass in der Werbung die ökologisch-sozialen Aspekte in den Vordergrund gestellt werden. Entscheidend ist, dass der Anbieter die nachhaltigen Eigenschaften glaubwürdig kommunizieren kann und die Aussagen für die Kunden transparent gemacht werden. Wenn wir denken, dass junge Menschen an nachhaltigen Produkten besonders interessiert sind, dann sind soziale Medien sicher eine gute Wahl.

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Felix Mohn
Felix Mohn
Referent Existenzgründung/Startups