Standortfaktor Gesundheit: Innovative Praxismodelle und digitale Fachkräfteanwerbung entscheidend für den Wirtschaftsstandort
„Wir brauchen neue Konzepte für die ambulante ärztliche Versorgung und einfache Prozesse in der Fachkräfteanwerbung, um die Gesundheitsversorgung in unserer Region zukunftsfähig aufzustellen. Starke und zukunftsfähige Strukturen in der regionalen Gesundheitsversorgung sind ein Erfolgsfaktor für unsere Wirtschaft und ein Vorteil im Wettbewerb um Fachkräfte“, eröffnete IHK-Vizepräsident Jan-Felix Simon den zweiten „Guten Abend Gesundheit“, zu dem die IHK ins InnovationsCentrum Osnabrück (ICO) eingeladen hatte. Simon skizzierte, dass die Gesundheitsversorgung unter Druck stehe: jeder dritte Hausarzt sei älter als 63 Jahre, deren Selbstständigkeit verlöre im ländlichen Raum an Attraktivität. Zudem drohten bis 2035 rund 11.000 unbesetzte Hausarztpraxen.
Sprachen beim zweiten Guten Abend Gesundheit über neue Konzepte der hausärztlichen Versorgung und digitale Lösungen für die internationale Fachkräfteanwerbung (v.l.): Andree Josef (Adam GmbH), Olaf Gerlach und Björn Fuhrmann (beide: mindQ GmbH & Co. KG), Fabio Enge (Ankaadia Gmbh), IHK-Geschäftsbereichsleiterin Anke Schweda und IHK-Vizepräsident Jan-Felix Simon.
Der Fachkräftemangel verschärft die Situation zusätzlich. Die Zahlen sind eindeutig: bis 2030 fehlen laut Institut der deutschen Wirtschaft branchenübergreifend fünf Millionen Fachkräfte in Deutschland. Allein, um den Abgang von Fachkräften, die aus dem Berufsleben ausscheiden, zu kompensieren, werden jährlich 450.000 Zuzüge von internationalen Fachkräften benötigt. Innovative Lösungsansätze hierzu präsentierten die Start-ups Ankaadia GmbH und Lillian Care GmbH. Die Ankaadia GmbH hat für den Anwerbe-, Berufsanerkennungs- und Integrationsprozess von internationalen Fachkräften eine digitale Plattform entwickelt. Dort treffen sich Personalserviceagenturen, Arbeitgeber – vor allem aus dem Gesundheitsbereich – und internationale Fachkräfte. Das macht die Anwerbung internationaler Fachkräfte deutlich effizienter und transparenter. „Internationales Recruiting ist im Gesundheitswesen zum Standard geworden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen brauchen hier einfache, transparente Lösungen“, erläuterte Fabio Enge, Geschäftsführer der Ankaadia GmbH. „Auch regionale Fachkräfteallianzen und gemeinsames Recruiting können eine Lösung sein“, so Enge weiter.
Neue Wege in der wohnortnahen hausärztlichen Versorgung stellte Jan-Felix Simon, Geschäftsführer der OHA Osnabrück Healthcare Beteiligungs GmbH, für die Lillian Care GmbH vor. Durch den Einsatz moderner Telemedizintechnik und eine neue Aufgabenteilung zwischen Ärzten und medizinischem Fachpersonal werden Prozesse digitalisiert, optimiert und beschleunigt. „Mit unserem Praxiskonzept schaffen wir ein neues und modernes Arbeitsumfeld für Ärzte und Gesundheitsfachkräfte“, erläuterte Jan-Felix Simon. „Physician Assistants (Arztassistenzen) mit ihrer vertieften Hochschulausbildung sind dabei eine wesentliche Entlastung für unsere Ärzte. So können sich die Ärzte auf komplexere Krankheitsfälle konzentrieren, da durch die koordinierte und enge Zusammenarbeit im Team mit den sogenannten ‚PA‘ mehr Zeit für die Menschen an sich bleibt“, erklärte Simon weiter.
„Start-ups sind wichtige Impulsgeber für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung. Gerade Healthcare-Start-ups müssen deutlich mehr Hürden im Gesundheitssystem überwinden, um sich in der Branche zu etablieren. Umso wichtiger ist es, neue Ideen und Geschäftsmodelle zu fördern und professionell weiterzuentwickeln. Der frische Blick auf tradierte Strukturen und Prozesse ist ein guter Weg, das Gesundheitssystem neu zu erfinden. Andere Länder — wie Dänemark und Finnland — sind hier schon weiter. Daran sollte sich auch unsere Politik orientieren“, forderte Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innovation und Energie.