Schutzschirm für Energiepreissteigerungen zügig umsetzen

IHK-Fachausschuss Industrie und Umwelt tagt bei bp Raffinerie in Lingen
„Die Bundesregierung darf jetzt keine weitere Zeit mehr verlieren, um das bereits im März angekündigte Maßnahmenpaket für alle Unternehmen vollständig umzusetzen, die vom Ukraine-Krieg betroffen sind. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir in einen langanhaltenden wirtschaftlichen Abschwung rutschen“, erklärte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des Fachausschusses für Industrie und Umwelt der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim. Zwar seien bereits KfW-Sonderprogramme erweitert worden, es fehle aber noch der weitaus wichtigere Zuschuss für Unternehmen mit hohen Zusatzbelastungen aufgrund der extrem gestiegenen Erdgas- und Strompreise.
„Zum Ausgleich brauchen wir jetzt sehr unbürokratische Hilfen“, so Hemsath weiter. Damit diese nicht an Hürden des europäischen Beihilferechts scheiterten, müssten die bestehenden Regelungen für Unternehmen in Schwierigkeiten vorübergehend ausgesetzt werden. Das dies möglich sei, zeige die befristete Aussetzung der EU-Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen während der Corona-Hochphase.
Neben den aktuellen Entwicklungen an den Energiemärkten widmeten sich die Ausschussmitglieder grünem Wasserstoff. Dr. Tim Husmann, Geschäftsführer der Energy Hub Emsland Entwicklungsgesellschaft mbH, stellte konkrete Projekte aus dem Emsland vor. „Die aktuellen Lieferschwierigkeiten bei Komponenten hat auch Auswirkungen auf die Umsetzung von Wasserstoffprojekten. Diese verzögern sich zum Teil ganz erheblich“, so Husmann. Insgesamt zeigte er sich aufgrund jüngster Entwicklungen jedoch optimistisch, dass die Wasserstoffprojekte in der Region zügig an Fahrt aufnehmen. Die politischen Rahmenbedingungen vor allem auf europäischer Ebene können hierbei allerdings zu Hürden führen. So beinhaltet der aktuelle Entwurf des „Delegated Acts“ der Renewable Energy Directive II, welcher Vorgaben für die Produktion von grünem Wasserstoff definiert, Aspekte, die insbesondere für die industrielle Wasserstoffwirtschaft und somit für einige lokale Projekte eher behindernd als befördernd wirkten und somit dem beschleunigten Ausstieg aus den fossilen Energieträgern wie insbesondere Erdgas entgegenstünden. Insbesondere die geforderte „Zusätzlichkeit“, also die Nutzung von ausschließlich neu gebauten Energieerzeugungsanlagen, werde dabei kritisch gesehen. „Europa muss den Aufbau des Wasserstoffmarkts mit geeigneten Regulierungen unterstützen“, forderte Husmann.
Dr. Dagmar Beiermann, Leiterin Business Development der bp Raffinerie in Lingen, erläuterte, welchen Beitrag grüner Wasserstoff für die Dekarbonisierung von Raffinerien leisten kann. „Das Unternehmen bp transformiert sich aktuell von einem internationalen Öl- zu einem integrierten Energieunternehmen. Bis spätestens 2050 wollen wir klimaneutral werden“, stellte Beiermann in ihrem Vortag heraus. Ein Baustein für die Raffinerie in Lingen sei das Projekt „Lingen Green Hydrogen“, ein Joint Venture zwischen bp und dem dänischen Energieunternehmen Ørsted. In einem ersten Schritt solle eine 100 Megawatt Elektrolyseanlage aufgebaut werden, die ab 2025 bis zu zwei Tonnen grünen Wasserstoff pro Stunde produzieren könne. In weiteren Schritten solle die Kapazität auf über 500 Megawatt erhöht werden.
„Die Umstellung der Wirtschaft auf Treibhausgasneutralität wird nur gelingen, wenn perspektivisch große Mengen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen“, so Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin für Standortentwicklung, Innovation und Umwelt. Dafür sollten neben verlässlichen Förderbedingungen rasch Infrastruktur-, Zertifizierungs- und Importfragen geklärt werden, um einen liquiden Markt zu entwickeln. Die Region, insbesondere der Standort Lingen, biete hierfür beste Standortbedingungen, so Schweda.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Industrie und Umwelt trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.