Chinesischer Markt wird zunehmend schwierig

„In China werden wegen der Null-Covid-Politik selbst bei kleinen lokalen Ausbrüchen Flug- und Containerhäfen geschlossen oder ganze Städte unter Quarantäne gestellt. Darunter leiden auch unsere regionalen Betriebe, denn schon jetzt treten Störungen in der Logistikkette auf.“ Dies erklärte Franz-Josef Paus, Vorsitzender des IHK-Fachausschusses Außenwirtschaft, in der aktuellen Sitzung, die bei der Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH in Emsbüren stattfand. Das volle Ausmaß der Störungen werde sich aber erst in den kommenden Wochen zeigen. Diese absehbare Entwicklung verstärke die ohnehin schon vorhandenen Engpässe an Vorprodukten und Rohstoffen.
„Auch wenn der nun schon mehrere Wochen andauernde Lockdown in Shanghai teilweise aufgehoben wurde, hat das große Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft“, erläuterte Christina Otte, stellvertretende Direktorin Ostasien bei Germany Trade und Invest (GTAI) in Bonn. „Die Folgen sind besonders deshalb so gravierend, weil Shanghai mit dem Jangtse-Delta ein Fünftel zum chinesischen Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Neben dem Perlfluss-Delta rund um die Städte Guangzhou, Shenzhen und Hongkong schlägt hier das Herz der chinesischen Exportwirtschaft. Daher sind auch die Auswirkungen auf die Logistik und globalen Lieferketten so massiv. Sowohl der Seehafen als auch die beiden Flughäfen Shanghais gehören zu den bedeutendsten weltweit“, so Otte.
„Als Folge der Lockdowns befindet sich das chinesische Wirtschaftsmodell inzwischen in einer echten Krise“, erklärte die China-Expertin. Nachdem sich die chinesische Wirtschaft nach dem ersten Einbruch Anfang 2020 infolge des Corona-Ausbruchs in Wuhan relativ schnell wieder auf Normalniveau erholt habe, sei jetzt ein stärkerer Einbruch zu verzeichnen. „Besonders der Konsum ist eingebrochen, und das nicht nur in den Metropolen an der Ostküste, sondern landesweit. Prognosen gehen davon aus, dass Chinas Wirtschaft in diesem Jahr nur um rund 3 Prozent wachsen wird“, so die Referentin. Die chinesische Regierung versuche daher, die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Gleichzeitig würden Unternehmen Anstrengungen unternehmen, ihre Produktion in so genannten „Closed Loops“ – in abgeschlossenen Produktionskreisläufen – aufrecht zu erhalten. Die künftige wirtschaftliche Entwicklung Chinas sei abhängig von weiteren Lockerungen der strikten Corona-Maßnahmen.
China bleibe für die deutsche Wirtschaft ein wichtiger Markt, doch das Umfeld werde immer schwieriger. „Wir können inzwischen echte Entkopplungstendenzen feststellen. China möchte die Abhängigkeit von seinen Wirtschaftspartnern reduzieren und die lokale Produktion stärken“, erklärte Otte. Für deutsche Unternehmen bedeute dies, dass sie ihre China-Strategie überdenken und ihrerseits prüfen müssten, ob sie etwaige Abhängigkeiten von China verringern sollten.
Die Politik in Deutschland müsse auf diese Entwicklungen nun reagieren, forderte der Ausschussvorsitzende Paus. „Wenn die Unternehmen schon jetzt Schwierigkeiten in den Lieferketten haben, dann sollte die Politik diese nicht durch gesetzliche Vorhaben weiter belasten“, so Paus. Ein Bespiel seien das deutsche und künftig möglicherweise auch noch das europäische Lieferkettengesetz. Diese bürdeten den Unternehmen auf, die Einhaltung von Menschenrechten oder Umweltstandards entlang kompletter Lieferketten sicherzustellen. Dies überfordere viele mittelständische Unternehmen. Im Ergebnis würden sie gezwungen, sich aus wichtigen Märkten zurückzuziehen. „Dies wird die Versorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten in Deutschland tendenziell weiter erschweren. Insofern ist die Politik jetzt gut beraten, beim Thema Lieferkette Augenmaß zu bewahren“, so Paus.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Außenwirtschaft trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.
Bildunterschrift: Sprachen über den Zugang zum chinesischen Markt: Der Vorsitzende des IHK-Fachausschusses Außenwirtschaft, Franz-Josef Paus, mit Christina Otte, stellvertretende Direktorin Ostasien bei Germany Trade und Invest (GTAI), bei der Sitzung des IHK-Außenwirtschaftsausschusses in Emsbüren.