Im Titelinterview März 2025: Lisa Marie Höcker

von Anastasija Daut, IHK
„Ich sehe Potenzial innerhalb der Vernetzung der Region“
Die Höcker Polytechnik GmbH wurde 1962 gegründet. Unter dem Leitsatz „Immer eine Idee mehr“ ist das Unter­nehmen mit über 300 Mitarbeitenden am Standort in ­Hilter a. T. W. heute in über 50 Ländern aktiv.
Die Nachfolgerin Lisa Marie Höcker begann 2019 als Duale Studentin im Familienunternehmen, leitet heute das Marketing und ist Assistenz der Geschäftsführung. Wir sprachen mit der 31-Jährigen über internationale Sichtbarkeit und unsere neue Kampagne „Klar!Machen!“
_Frau Höcker, können Sie uns kurz das Produktportfolio Ihres Unternehmens beschreiben?
Höcker Polytechnik ist ein führender Hersteller von Absaug- und Filteranlagen in Europa. Unsere Lösungen kommen in der Holzbe- und -verarbeitung sowie in der Papier-, Druck-, Wellpappen- und ­Recyclingindustrie zum Einsatz. Unsere Maschinen und Anlagen sorgen für optimale Produktions­prozesse und saubere Luft am Arbeitsplatz. Ein weiterer Bestandteil unseres Produktportfolios sind Brikettierpressen, die eine zentrale Rolle im Recyclingprozess spielen, indem sie lose Produktions­abfälle zu kompakten Briketts verdichten.

Für ­Lackierprozesse bieten wir Farbnebelabsaugsys­teme, Spritzstände und Lackierkabinen an.
Ihr Unternehmen ist von Beginn an international erfolgreich. Sie produzieren zusätzlich in Polen und haben Geschäftsbeziehungen u. a. in die USA, nach Kanada, China und Australien ...
… Unsere ersten internationalen Aufträge haben wir 1973 erhalten und seitdem wächst das Auslandsgeschäft kontinuierlich. Im laufenden Geschäftsjahr haben wir bislang eine Exportquote bezogen auf den Auftragseingang von gut 35 %. Wir sehen im Exportmarkt in den nächsten Jahren Wachstumspotenzial und haben uns daher auch entschieden, einen Produktions- und Servicestandort in den USA zu eröffnen. Aktuell befassen wir uns mit dem Standortaufbau und werden noch in diesem Jahr unsere Geschäftstätigkeit dort aufnehmen.
Wie erleben Sie im internationalen Umfeld den Bekanntheitsgrad unserer Region?
Im Austausch mit ausländischen Geschäftspartnern erleben wir, dass der Osnabrücker Raum vor allem für seine wirtschaftliche Stärke und den erfolgreichen Mittelstand geschätzt wird. Als Stadt mit traditionsreichen Unternehmen und einer lebendigen Gründerszene hat sich Osnabrück einen Namen gemacht. Besonders positiv wird von unseren Partnern im Ausland die zentrale Lage im europäischen Wirtschaftsraum und die Nähe zu verschiedenen Überseehäfen wahrgenommen.
Hilter a. T. W. könnte man einen Hidden-­Champion-Standort nennen. Was meinen Sie?
Als mittelständisches Unternehmen profitieren wir an unserem Standort von einem einzigartigen Wirtschaftsökosystem, das Tradition mit Innovation verbindet. Ein besonderer Vorteil ist der direkte Zugang zu hochqualifizierten Fachkräften. Mit den Studierenden der Osnabrücker Hochschulen und Universität haben wir einen starken Talentpool vor Ort. Viele der jungen Menschen bleiben nach ihrem Studium in der Region und bringen ihr Know-how in die ansässigen Unternehmen ein. Die Forschungslandschaft ist ein weiterer wichtiger Pluspunkt. Die anwendungsnahe Forschung, etwa im Bereich der KI, schafft ein inspirierendes Umfeld für Innovationen. Dadurch entsteht ein dynamisches Netzwerk, von dem Mittelständler besonders profitieren können. Spannend ist auch die lebendige Startup-Szene, die ein fruchtbares Umfeld für neue Ideen und Geschäftsmodelle bietet. Diese Gründerdynamik inspiriert etablierte Unternehmen und gibt der gesamten Wirtschaftsregion Impulse.
Was sollten internationale Geschäftspartner von Ihrem Standort wissen? Was sind die Alleinstellungsmerkmale der Region?
Was ich internationalen Partnern ans Herz legen würde, ist die einzigartige Kultur und der Zusammenhalt in unserer Region. Osnabrück verbindet auf einzigartige Weise historisches Flair mit modernen Impulsen. Diese Mischung schafft ein kreatives Umfeld, das auch uns als Unternehmen inspiriert. Unsere Region entwickelt sich mehr und mehr zu einem Vorreiter für nachhaltige Industrieproduktion und grüne Technologien. Das sieht man nicht nur bei den neuen innovativen Unternehmen, sondern auch daran, wie etablierte Industriebetriebe ihre Produktion zukunftsfähig umgestalten.
Welche Rolle nehmen die Mitarbeitenden ein?
Für uns bei Höcker Polytechnik machen gerade die Mitarbeitenden den Standort so besonders. Ihr Engagement, ihre Expertise und ihre tiefe Verwurzelung in der Region sind der Schlüssel zu unserem Erfolg. Dies wird verstärkt durch unsere vielfältigen regionalen Partnerschaften – von der engen Zusammenarbeit mit der Hochschule über das Engagement in MINT-Bildungsprojekten bis hin zu Kooperationen mit lokalen Schulen. Diese starke regionale Vernetzung und der außergewöhnliche Zusammenhalt, den wir hier erleben, machen den Standort für uns einzigartig. Allerdings tragen wir selbst auch erheblich dazu bei, z. B. sind wir Gründungsmitglied der Initiative Let’s MINT e. V.
Wo wäre aus Ihrer Sicht mehr Standortmarketing sinnvoll?
Ich sehe besonders bei der Vermarktung unserer Innovationskraft noch ungenutztes Potenzial. Mit dem DFKI, unserer lebendigen Startup-Szene und den vielen erfolgreichen Familienunternehmen haben wir spannende Geschichten zu erzählen, die international noch stärker kommuniziert werden könnten. Aus eigener Erfahrung sehe ich auch Potenzial in der Vernetzung innerhalb der Region. Unsere Kooperationen sind größtenteils durch Eigeninitiative entstanden. Ein aktiveres Standortmarketing könnte hier ansetzen und systematischer Brücken bauen zwischen etablierten Unternehmen, Startups, Bildungseinrichtungen und anderen Initiativen. Das würde nicht nur neue Unternehmen anziehen, sondern auch die bestehenden Betriebe noch stärker in der Region verwurzeln und dabei unterstützen, Fachkräfte gezielt für unsere attraktiven Arbeitsplätze zu qualifizieren.
Als Unternehmensgruppe sind Sie ja auch Zielgruppe von Marketingaktivitäten anderer Regionen. Gibt es Kampagnen, die Sie besonders überzeugt haben?
Die ein oder andere Kampagne verschiedener Regionen ist mir bereits begegnet, auch im interna­tionalen Kontext. Diese Kampagnen bieten meist einen guten ersten Einblick. Aber aus unserer Erfahrung, besonders bei der Etablierung unserer Standorte in den USA und Polen, sind es letztlich andere Faktoren gewesen, die bei der Standortwahl den Ausschlag geben haben. Entscheidend sind vor allem handfeste Standortvorteile: Eine exzellente Verkehrsanbindung mit guter Erreichbarkeit von Flughäfen und Überseehäfen, ein wettbewerbs­fähiges Lohngefüge und natürlich die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte. Bei internationalen Standorten spielt auch die Zeitverschiebung zum Mutterunternehmen eine wichtige Rolle für die ­reibungslose Zusammenarbeit.
„Klar!Machen!“ soll die Region größer ziehen und sich mit bestehenden Kampagnen wie z. B. „Typisch Osnabrück“ verknüpfen. Auch Land und Bund sollen mit dem Film erreicht werden. Wie bewerten Sie das?
Der Slogan ‚Klar!Machen!‘ trifft den Kern des deutschen Mittelstands sehr gut, besonders den von Familienunternehmen – wir sind bekannt dafür, Dinge anzupacken und umzusetzen. Auch die professionelle Gestaltung der Webseite und des Imagefilms ist durchaus gelungen. Ich finde den Film sehr ansprechend, jedoch halte ich ihn für zu lang. Insbesondere für den Einsatz in Unternehmen, würde ich mir den Film kompakter und zielgerichteter wünschen. Ein strafferer Schnitt würde die Kernbotschaft direkter transportieren.
Danke, Frau Höcker, das ist ein wichtiges Feedback. Woran würden Sie den Erfolg von Standortkampagnen festmachen? Wo sollte unsere ­Region in fünf Jahren stehen?
Die direkte Messbarkeit sehe ich vor allem in der Anzahl neuer Unternehmensansiedlungen, dem Wachstum bestehender regionaler Unternehmen, der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und dem erfolgreichen Zuzug von Fachkräften in die Re­gion. Angesichts der aktuell herausfordernden Wirtschaftslage sollte unsere Region in fünf Jahren zu ihrer alten Stärke zurückgefunden haben. Zentral ist dabei die vollständige Digitalisierung ­behördlicher und öffentlich-rechtlicher Prozesse, beispielsweise die Möglichkeit des Grundstückskaufs via Online-Notariat, wie es in den Nie­derlanden bereits praktiziert wird. Eine moderne Infrastruktur mit Breitbandanschluss und ausgebautem öffentlichen Nahverkehr sowie eine perspektivisch autofreie Innenstadt sind weitere wichtige Ziele. Nicht zuletzt brauchen wir eine deutlich gesenkte Grunderwerbssteuer und mehr bezahl­baren Wohnraum, der durch die WiO geschaffen werden soll.
Anastasija Daut
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiterin International