#GemeinsamMenschenBilden

von Dr. Beate Bößl, IHK
#GemeinsamMenschenBilden
Das IHK-Jahr 2024 ist überschrieben mit den Wörtern #GemeinsamMenschenBilden. Inhaltlich geht es vor allem um eines: Mit vereinten Kräften einen Beitrag zur Sicherung und Gewinnung von Fachkräften zu leisten. Denn gäbe es hier Stillstand, gäbe es schon bald kein Wachstum mehr. Lesen Sie, warum Wissensbildung und Zusammenhalt für die Wirtschaft wichtiger sind denn je.
Mit dem Jahresthema 2024 möchte unsere IHK die vielfältigen bekannten und weniger bekannten  Verbindungen zwischen Bildung und Fachkräfte­sicherung in die Diskussion bringen. Dabei wollen wir die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass weder einzig eine gute Note ein Erfolgsgarant ist, noch einzig ein technisch bestens ausgestatteter Arbeitsplatz. Wichtiger ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber schauen, wie sie Ziele gemeinsam erreichen können. Hilfreich sind dabei die Offenheit für Neues und ein Bewusstsein für eine faire Meinungsbildung und Diskussionskultur. Als Einstieg ins Themenjahr sprachen wir mit Lars Schönball, Ausbildungsleiter bei KME in Osnabrück, mit Louisa Riepe, der Chefredakteurin der Neuen Osnabrücker Zeitung und mit Michael Korden und Christian Thien von den Vitus-Werkstätten in Meppen.
#GemeinsamMenschenBilden – unserer Jahresthema dockt an die wirtschaftlichen Ehrenämter an, ohne die auch die duale Berufsausbildung undenkbar ist. Allein in der IHK-Region geben über 4 000 Ausbilderinnen und Ausbilder ein Praxiswissen weiter, das über die Lehrbücher und die Smartphonewelt hinausreicht. Lars Schönball ist einer dieser Ausbilder. Er ist selbst gelernter Maschinenschlosser, REFA Industrial Engineer und Dipl.-Sozialwirt, sowie seit 2011 Ausbildungsleiter bei der KME-Germany GmbH in Osnabrück. Zusätzlich ist er Mitglied im IHK-Berufsbildungsausschuss. 
__ Herr Schönball, unser IHK-Jahresthema beginnt mit dem Wort #Gemeinsam. Welche Bedeutung hat es für sie als Ausbilder – und was würde Ihnen persönlich, aber auch der Wirtschaft fehlen, hieße es nur #MenschenBilden?
Die duale Ausbildung lebt von der Gemeinschaft: Man lernt voneinander und übereinander. Eine „Lehre“ ist für mich viel mehr als die Anhäufung von Fachwissen zum Bestehen der Abschlussprüfung. Sie lebt vom Miteinander im Betrieb bei der täglichen Arbeit. Es ist Lernen von der Erfahrung älterer Kolleginnen und Kollegen und `learning by doing` in einem realen betriebswirtschaftlichen Umfeld. Dabei lernen aber auch die Älteren von den Jüngeren, denn diese schauen unvoreingenommen auf die betrieblichen Prozesse und verfügen z. B. über digitale und interkulturelle Kompetenzen, die möglicherweise bisher nicht im Betrieb verfügbar waren. Die tägliche Gemeinschaft im Betrieb birgt viele reale Herausforderungen und Konflikte, die die Interessen der verschiedenen Beteiligten wie Unternehmensleitung, Kolleginnen und Kollegen sowie Kunden mit sich bringen. Auszubildende wachsen an diesen Herausforderungen weit über das Fachliche hinaus und entwickeln soziale Kompetenzen, die eine schulische bzw. akademische Ausbildung so nicht vermitteln kann. Ein weiteres hohes Gut der dualen Ausbildung ist die gemeinschaftliche Ausbildung zwischen Betrieb und Berufsschule. Sie sichert einen hohen beruflichen Standard, erzeugt eine hohe Arbeitsmarktattraktivität der Absolventen und eröffnet weitreichende Weiterbildungsmöglichkeiten. Dieses gemeinschaftliche Bildungsmodell der dualen beruflichen Ausbildung ist essentiell für den wirtschaftlichen Erfolg und die politische Stabilität unserer Gesellschaft. Darauf sollten wir uns bei aller Attraktivität der akademischen Ausbildung zurückbesinnen.
#GemeinsamMenschenBilden – unserer Jahresthema dockt an den Umgang mit (Wirtschafts-)Nachrichten an. Denn je digitaler die Verfügbarkeit von Wissen geworden ist, desto beliebiger scheint der Umgang damit. Da gibt es das regionale Unternehmen, das auf Pressemeldungen verzichtet und so für potenzielle Fachkräfte unsichtbar bleibt. Oder es gibt die Nachrichtenredaktion, für die es immer schwieriger wird, die Seriosität von Nachrichtenquellen zu überprüfen. Damit gerade junge Menschen in Unternehmen ein Gespür dafür bekommen was Fake ist und was Fakt, vermittelt unser neuer IHK-Online-Kurs „Kein Azubi ohne Digi“ seit dem Sommer 2023 in 6 x 60 Minuten Informationskompetenz. Dort geht es auch darum, sich eine Meinung nicht nur aus Überschriften zu bilden, sondern Zusatzwissen zu nutzen und Zusammenhänge zu erkennen. Für die Journalisitin Louisa Riepe ist genau das der Berufsalltag. Die 32-Jährige ist Chefredakteurin der Neuen Osnabrücker Zeitung, arbeitet im Team mit Chefredakteur Burkhard Ewert.
__ Frau Riepe, die Welt hat einen stabilen digitalen Herzschlag, aber einen rasenden Puls, was den Umgang mit Nachrichten betrifft. Was motiviert Sie zu Ihrer redaktionellen Arbeit in einer Zeit, in der Menschen in den Online-Kommentaren der Medien eskalieren und Diskussionen mit einem „Stimmt nicht!“ beenden? Wo hat das Motto #GemeinsamMenschenBilden in der Redaktionsarbeit einen Platz?
Die aktuellen gesellschaftlichen Debatten sind für mich ein Zeichen dafür, wie wichtig Qualitätsjournalismus für unsere Gesellschaft ist. Als regionale Tageszeitung haben wir eine besondere Funktion beim Ausgleich der Interessen, den jede Demokratie braucht: Wir machen beispielsweise darauf aufmerksam, wie schlecht es der Baubranche aktuell geht. Wir hinterfragen die Agrarpolitik der Regierung kritisch. Wir können erklären, woher manche politische Strömung kommt. Und wir bieten die nötige Inspiration, damit umzugehen. Dabei heben wir nicht den Finger im Sinne einer Belehrung. Wir wollen unseren Nutzern ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Wir wollen sie jeden Tag in ihrem Alltag voranbringen – dafür setze ich mich als Chefredakteurin ein.
Zudem investieren wir intensiv in die Aus- und Fortbildung unserer Mitarbeiter: Aktuell erlernen bei uns 20 Nachwuchsjournalisten ihr Handwerk im Rahmen eines sogenannten Redaktionsvolontariats. Das dauert bei uns 24 Monate und ermöglicht einen Einblick in die unterschiedlichsten Bereiche unserer Redaktion. Die Volontäre lernen die lokale Berichterstattung genauso kennen, wie das überregionale Newsgeschehen. Sie bespielen unsere Social-Media-Kanäle und können beim Layouten der Print-Seiten dabei sein. In der Ausbildung wollen wir heute schon die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die wir im Journalismus der Zukunft brauchen werden. Zudem gehen wir auf die Stärken und Interessen ein, die jeder Volontär bereits mit ins Haus bringt. Für die Ausbildungsleitung haben wir 2023 eine Vollzeitstelle aufgebaut.
#GemeinsamMenschenBilden – unser Jahresthema dockt dort an, wo Fachkräftepotenzial nicht ausgeschöpft ist. Als IHK setzen wir uns seit vielen Jahren dafür ein, besonders solchen Menschen einen Weg ins Berufsleben zu ebnen, die eine besondere Unterstützung brauchen. So gibt es beispielsweise für Jugendliche mit einer Lernbehinderung die Möglichkeit, eine theoriegeminderte Ausbildung zum Fachpraktiker zu absolvieren. Um Menschen mit multiplen Einschränkungen für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, besteht eine Kooperation mit den Vitus-Werkstätten und der Bersenbrücker Gemeinnützige Werkstätten GmbH. Deren Beschäftigte können in einer zweijährigen Berufsbildungsmaßnahme die Qualifizierung als Hilfskraft im Gastgewerbe oder in der Lagerlogistik erwerben. Wir fragten nach bei Christian Thien, Kompetenzfeldleiter für Berufliche Quali­fizierung und Teilhabe am Arbeitsleben bei Vitus in Meppen, und Vitus-­Geschäftsführer Michael Korden.
__ Herr Thien, Herr Korden, was bedeutet #GemeinsamMenschenBilden, wenn Sie an die drei Absolventen denken, die zum Jahresende ihre Abschlüsse in den Händen hielten?
„#GemeinsamMenschenBilden bedeutet, im Zusammenspiel von Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung, Berufsschulen, Bildungsträgern und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen den Menschen echte Teilhabechancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es bedeutet Geschichten zu begleiten, in denen wunderbare Menschen mit besonderen Talenten ein nicht mehr wegzudenkender Teil von Unternehmen und Mitarbeiterschaften in der Region werden. Schon 2014 haben wir deshalb mit der Handwerkskammer einen akkreditierten Qualifizierungsgang entwickelt. Es  folgten weitere Akkreditierungen und im Jahr 2020 wurde mit der IHK in Osnabrück eine Kooperation für Qualifizierungsgänge in der Lagerlogistik und im Gastgewerbe vereinbart. Mit den Zertifikaten der Kammern erhält die Arbeit eine höhere fachliche Bedeutung und Unternehmen können das Leistungsvermögen richtig einordnen. Zudem entspricht das Angebot den Fähigkeiten der Teilnehmenden und steigert das Selbstwertgefühl. Ende 2023 wurden die ersten drei Abschlussurkunden in der Lagerlogistik verliehen. Für die Absolventen beginnt nun das aktive Berufsleben. Sie wechseln in die Vitus Werkstätten oder haben Arbeitsplätze bei regionalen Unternehmen bzw. Kommunen gefunden. Mit dem Budget für Arbeit existiert zudem ein Förderinstrument zur Übernahme dieser Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Wir waren mit den Akkreditierungen bundesweit Vorreiter für viele andere Werkstätten. Wünschenswert wäre aus unserer Sicht, dass die berufliche Qualifizierung in Werkstätten gesetzlich verankert und damit anschlussfähig wird.
Dr.Beate Bößl
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiterin Öffentlichkeitsarbeit
Dr.Maria Deuling
Aus- und Weiterbildung
Internes Qualitätsmanagement und Controlling