Standortmarketing

von Frank Hesse und Christian Weßling, IHK
Unsere aktuelle IHK-Standortumfrage zeigt: Die Stärken der Region Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim sind vielseitig und bieten gute inhaltliche Ansatzpunkte für ein erfolgreiches Standortmarketing. Lesen Sie, wie Kommunen die Stärken für sich nutzen. Und erfahren Sie, wie vielfältig das IHK-Siegel „Ausgezeichneter Wohnort für Fachkräfte“ Mehrwerte bringen kann.

Welche Überlegungen wichtig sind:

In Zeiten, in denen die Geschäftswelt im Wandel ist und immer neue Anforderungen an Unternehmen gestellt werden, gewinnt die strategische Standortwahl an Wert. Für Unternehmen ist es von essenzieller Bedeutung, den für sie „richtigen“ Standort zu finden. Ein idealer Standort sollte nicht nur günstig gelegen sein, sondern auch eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, die sich direkt auf den Erfolg des Unternehmens auswirken können. Dazu gehören Aspekte wie die Erreichbarkeit für Kunden und Mitarbeiter, die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften, die Lebensqualität für Mitarbeiter oder wirtschaftsfreundliche und bürokratiearme Rahmenbedingungen. Jeder dieser Faktoren spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für einen Standort und kann einen erheblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit und die langfristige Entwicklung haben.

Was aktuelle Zahlen aussagen:

Im vergangenen Jahr hat unsere IHK rund 15 000 Unternehmen aus der Region gefragt, welche Standortfaktoren ihnen wichtig und wie zufrieden sie mit dem Wirtschaftsstandort sind. Die vierstufige Bewertungsskala reichte dabei von „sehr wichtig“ bis „unwichtig“ und von „sehr zufrieden“ bis „unzufrieden“ – insgesamt 31 Standortfaktoren haben wir so abgefragt. Im Ergebnis kann die Region im Durchschnitt gut bei den Unternehmen punkten: So sind nicht nur 83 % der Unternehmen zumindest zufrieden mit ihrem Standort. Drei von vier Betrieben würden ihren Standort auch anderen Unternehmen weiterempfehlen.

Ein Beispiel aus der Samtgemeinde Dörpen:

Zahlreiche Kommunen setzen sich aktiv für Unternehmensansiedlungen ein – auch wenn der Flächenvorrat durchaus begrenzt ist. Zu diesen Kommunen gehört etwa die Samtgemeinde Dörpen im Emsland mit ihren insgesamt rund 18 500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Vor rund fünf Jahren hatte sich die Samtgemeinde gemeinsam mit der Stadt Papenburg für die Ansiedlung von Tesla beworben – und gehörte damals sogar zu den Standortfavoriten, bevor Grünheide in Brandenburg den Zuschlag erhielt.
Dörpens Standortstärke ist neben der verfügbaren Fläche im Industriegebiet etwa die Nähe zum ­Güterverkehrszentrum (GVZ) Emsland: es gilt als das leistungsstärkste GVZ in Niedersachsen und ist ­trimodal – also über Wasser, Schiene und Straße – angebunden. Auch die Nähe zur Hochschule in Lingen sowie, jenseits der niederländischen Grenze, zur Universität in Groningen, die eine gute Fachkräfteversorgung gewährleisten, ist ein wichtiges Argument für den Standort. Dass sich die Kommune trotz starker Standortfaktoren im Wettbewerb um Tesla nicht durchgesetzt hat, nimmt Samtgemeindebürgermeister Hermann Wocken heute sportlich: „Das Verfahren hat uns gezeigt, dass wir mit unserer Standortqualität punkten können und auch mit unserem Standortmarketing gut aufgestellt sind.“
Mit den Wissensgewinnen von damals vermarktet die Samtgemeinde weiterhin offensiv ihre Industrie- und Gewerbeflächen. Und sie beschreitet dabei auch neue Wege. So hat sie etwa im Jahr 2020 eine ­Kooperationsvereinbarung mit der Stadt Papenburg zur Vermarktung der gemeinsamen Wirtschaftsregion Papenburg Dörpen – kurz WiPaD – geschlossen. „Wir wollen unsere hervorragende und intensive Nachbarschaft nutzen, um uns als Standort für Neuansiedlungen modern und innovativ zu präsentieren“, sagten vor zwei Jahren die beiden Bürgermeister Jan Peter Bechtluft und ­Hermann Wocken. Denn: Beide Kommunen ergänzen sich. Während Papenburg eher städtisch geprägt sei, biete Dörpen mit dem GVZ andere Vorteile.
Ergebnis der Kooperation ist ein gemeinsamer Werkzeugkasten für das Standortmarketing. Auf der gemeinsamen Internetpräsenz www.wipad.de bzw. http://360.doerpen.de haben Investoren u. a. die Möglichkeit, sich auf 360°-Touren durch Papenburg und Dörpen das vorhandene Flächenangebot anzusehen und sich über umliegende Betriebe zu informieren. Die Tour gibt Erkenntnisse über Vorschriften, die sich aus dem Bebauungsplan ergeben oder über Flächengrößen, die Bebaubarkeit sowie den Stand der Erschließung. Auch bietet die Seite neben Hilfen zur Fachkräftevermittlung und einer Aufstellung von lokalen bis überregionalen Netzwerken Auskunft über den Ansiedlungsservice beider Kommunen. Abgerundet wird das Angebot durch eine Übersicht des Lebensraumes.
Das Beispiel Dörpen zeigt, dass ein Kirchturmdenken gerade beim Standortmarketing nicht sinnvoll ist. Vielmehr kommt es darauf an, sich als größere Region zu vermarkten, um von potenziellen Investoren wahrgenommen zu werden.

Ein Blick auf Niedersachsen:

Im Jahr 2017 hatte das Niedersächsische Wirtschaftsministerium unter der Webadresse www.nds.de eine digitale Plattform für das Standortmarketing gestartet. Unter der Überschrift „Invest in ­Niedersachsen“ präsentiert sich das Bundesland als idealer Ort für Gründer, Fachkräfte und insbesondere Unternehmen aus dem ­In- und Ausland. Aktuell halten sich die Ansiedlungserfolge noch in Grenzen. Das Ministerium will jedoch mit der Einrichtung einer eigenen Stabstelle und einer engen Kooperation mit dem Innovationszentrum Niedersachsen die Schlagkraft erhöhen.

Das IHK-Audit „Ausgezeichneter Wohnort“:

Wenn es um Öffentlichkeitsarbeit bzw. Marketing geht, heißt es oftmals „Tue Gutes und rede darüber.“ Vorzüge öffentlich präsentieren – das sollte auch für Städte und Gemeinden gelten. Ein Instrument, mit dem dies zahlreiche Kommunen in unserer Region tun, ist das IHK-Qualitätssiegel „Ausgezeichneter Wohnort für Fachkräfte“. Mithilfe dieses Audits unterstützt unsere IHK Kommunen dabei, nachhaltige Strategien für (Neu-)Bürger zu entwickeln. Anhand von eigens für dieses Verfahren entwickelten fünf Kriterien werden vor allem die ­Angebote für Fachkräfte mit insgesamt 38 Fragen überprüft.
Seit dem Start haben bereits elf Kommunen das Audit erfolgreich durchlaufen (siehe die Karte auf S. 10). Sowohl sie selbst als auch die ansässigen Unternehmen erhalten dadurch die Möglichkeit, neben attraktiven Arbeitsbedingungen auch mit ausgezeichneten Standortbedingungen zu werben – z. B. beim Bewerbermanagement, auf der Homepage oder in firmen- und kommunenspezifischen Publikationen.
Zu den ersten Kommunen, die sich den Fragen stellten und seither mit dem „Ausgezeichneter Wohnort“ werben dürfen, gehörten im Dezember 2020 die Gemeinde Bissendorf und die Stadt Meppen. Im Frühjahr 2021 wurden mit der Stadt Bad Bentheim, der Samt­gemeinde Neuenhaus sowie der Gemeinde Ostercappeln drei weitere Kommunen ausgezeichnet, gefolgt von den Städten Bramsche, Osnabrück und Lingen im Laufe des Jahres 2021 sowie der Samtgemeinde Dörpen im Jahr 2022. Im Verlauf des vergangenen Jahres folgten die Stadt Melle sowie die Gemeinde Belm.

Das Beispiel der Stadt Meppen als „Ausgezeichneter Wohnort“:

Die erste Kommune in der IHK-Region, die bereits zum zweiten Mal ausgezeichnet wurde, ist die Stadt Meppen. Nachdem sie das Audit vor drei Jahren erstmals erfolgreich durchlaufen hatte, stand nun eine Rezertifizierung an. Punkten konnte die Kreisstadt dabei beispielsweise in den Bereichen „Zuzug leicht gemacht“ sowie „Lebens­qualität“. Positiv bewertet wurden unter anderem die verschiedenen Angebote für Neubürger – unter anderem das Gutscheinheft, ­welches diese bei der Anmeldung erhalten, oder der Neubürgerempfang mit anschließendem Neujahrskonzert.
„Mit den unterschiedlichsten Projekten zielen wir darauf ab, die Aufenthalts- und Lebensqualität unserer Stadt stetig zu optimieren und weiterzuentwickeln. Mit dem IHK-Qualitätszeichen wird der Erfolg unserer Arbeit einmal mehr belegt und ist zugleich Ansporn, diesen Weg weiterzuverfolgen“, sagte Meppens Bürgermeister ­Helmut Knurbein am Rande der erneuten Urkundenübergabe. Er betonte, dass das Audit ein Signal nach außen sende, dass sowohl inländische als auch ausländische Fachkräfte willkommen seien und in der Stadt ein Angebot finden, das ihren Bedürfnissen entspreche. Aus diesem Grund können Unternehmen das Qualitätszeichen für eigene Marketingzwecke nutzen. „Die Stadt Meppen hat uns gezeigt, dass sie die Auszeichnung zu Recht getragen hat und auch weiterhin tragen wird. Sie war die erste Kommune in unserer Region, die sich der Auditierung gestellt und diese erfolgreich durchlaufen hat“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf bei der Urkundenübergabe. Als besonders erfreulich hob Graf hervor, dass die Stadt Meppen alle fünf Entwicklungsziele, die im Rahmen der erstmaligen Auszeichnung vereinbart worden waren, um­gesetzt hat.
Christian Weßling
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiter Wirtschaftspolitik und -statistik
Frank Hesse
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Stv. Hauptgeschäftsführer, Geschäftsbereichsleiter