Zukunftstechnologien im IHK-Bezirk

Technologische Innovationen in den Bereichen erneuer­bare Energien und grüner Wasserstoff (H2) sind entscheidend für das Gelingen der Energiewende. Zugleich spielt in den Betrieben Automatisierung eine große ­Rolle, wenn es darum geht, die eigene Wettbewerbs­fähigkeit zu erhöhen und Mitarbeiter zu entlasten. ­Unsere Region ist hier vorbildlich unterwegs.
von Andreas Meiners, IHK
In Lingen, auf dem Gelände des Gaskraftwerks Emsland, investiert RWE () aktuell ­einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-­Betrag in eine Pilotanlage zur Elektrolyse von Wasser­stoff mithilfe von grünem Strom. Die Anlage verfügt über eine Gesamtkapazität von 14 Megawatt und gehört damit zu den größten Anlagen ihrer Art in Deutschland. Hier werden zwei Elektrolyse-Technologien unter industriellen Bedingungen getestet: Ein Druck-Alkali-Elektrolyseur sowie ein Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur (PEM).
„Wasserstoff ist einer der Energieträger der Zukunft. Der geplante Einsatz zum Erreichen der Klimaneutralität leitet aktuell in vielen Branchen ­einen technologischen Wandel ein. Der Weg zur zuverlässigen Erzeugung und zur sicheren Versorgung mit Wasserstoff führt über Forschung und Entwicklung“, erklärt Heiko Eisert, der am Gaskraftwerk Emsland der RWE die Standortentwicklung verantwortet. Mit seinem Team koordiniert er die Integration der Zukunftsprojekte in die bestehende Kraftwerksinfrastruktur, denn: RWE schafft am Standort Lingen derzeit eine Basis für einen ganzen EnergiePark, in dem sich zukünftig verschiedenste Energieanlagen, vom H2-ready Gaskraftwerk über die Wasserstofferzeugung bis zu großen Batteriespeicheranlagen, eine gemeinsame Infrastruktur teilen werden.

Pionier für die H2-Technologie

„Mit der Vielzahl an Projekten, die wir aktuell und zukünftig auf dem Gelände des Gaskraftwerks Emsland realisieren, leistet RWE einen erheblichen Beitrag für die stabile und sichere Wasserstoffinfra­struktur der Zukunft. Aktuell sammeln wir in Lingen täglich wertvolle Erfahrungen mit dem Bau dieser Anlagen und nach der Inbetriebnahme auch im Anlagenbetrieb – echte Pionierarbeit“, so Eisert.
Das Zukunftsprojekt GET H2 TransHyDE, das RWE mit Projektpartnern in Lingen realisiert, soll unter anderem Erkenntnisse für den Transport von Wasser­stoff in Erdgasbestandleitungen liefern. RWE testet in diesem Projekt zusammen mit dem Hersteller Sunfire eine sogenannte Hochtemperatur-Elektrolyse, deren Wirkungsgrad bei etwa 84 %­­ liegt und somit deutlich höher ist als typische Wirkungsgrade bei der PEM mit etwa 67 % oder der Alkali mit rund 65 %. Diese Werte beziehen sich auf den Heizwert und die Nominal-Betriebslastpunkte der Elektrolyse-Systeme. „Im ersten Projektschritt wird Wasserstoff hocheffizient produziert. Anschließend wird er in Erdgasbestandleitungen auf unserem Gelände in einem sogenannten Closed Loop, also immer im Kreis, gefahren. In regelmäßigen Abständen werden Proben gezogen, um zu überprüfen, ob der Wasserstoff durch Stoffe aus den Bestandserdgasleitungen wie schwefelhaltige Verbindungen verunreinigt wurde“, so Eisert. Die hier gesammelten Erkenntnisse seien für die Gasnetzbetreiber wichtig, in deren Bestandsgasleitungen zukünftig Wasserstoff hochrein (99,97 %) transportiert werden soll. Bis 2028 soll laut Bundesregierung in Deutschland ein Startnetz mit mehr als 1 800 Kilometern umgestellten und neu gebauten Wasserstoffleitungen entstehen.
Gemeinsam mit Kawasaki plant RWE in den kommenden Jahren zudem die Errichtung einer voll wasserstofffähigen Gasturbine. Weiter soll die Abwärme der Wasserstofferzeugungsanlagen künftig als Fernwärme nutzbar gemacht werden. Im Rahmen des Projekts GET H2 Nukleus (), plant RWE bis 2027 in drei Schritten 300 MW Elektrolysekapazität in Betrieb zu nehmen. Katja Brusinski, Projektdirektorin des Vorhabens, dazu: „Im IPCEI-Verfahren blickt RWE aktuell gespannt nach Brüssel. Eine zügige und klare Entscheidung von der EU-Kommission ist die Voraussetzung für die weitere Planung.“ Zum Vergleich: Ende letzten Jahres waren 79 Megawatt Elektrolyse-Leistung realisiert. Die Bundesregierung strebt bis 2030 eine Elektrolysekapazität von 10 Gigawatt bei grünem Wasserstoff an. Last but not least soll 2024 eine öffentliche Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb gehen. Die Anlage wird über eine Trailer-Abfüllstation verfügen, sodass Tankfahrzeuge grünen Wasserstoff auch an andere Abnehmer in der Region liefern können.

Innovativ dank Automatisierung

Seit 2007 vertreibt der Pati-Versand () professionelle Patisserie-Zutaten. Nach dem Umzug nach Herzlake im Jahr 2010 expandierte das Unternehmen weiter. Heute ist Pati-Versand im Privatkundenbereich der größte Anbieter für Torten-, Pralinen- und Backzutaten und -zubehör im deutschsprachigen Raum. 45 Mitarbeiter sind hier beschäftigt.
„Unser Sortiment umfasst mehr als 6 000 Produkte, von denen wir einen großen Teil hier in Herzlake produzieren. Mit unserer hausinternen Druckerei bieten wir außerdem unseren Wiederverkäufern die Möglichkeit, die meisten unserer Produkte im eigenen Ver­packungsdesign zu erhalten. Das macht die internen Prozesse sehr komplex“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Alexander Müller und weiter: „Oberstes Ziel war es daher, alle Prozesse, egal ob digital oder physikalisch, so einfach und so automatisch wie möglich zu gestalten. Im digitalen Bereich war das durch eine eigene Software schon sehr früh umgesetzt. Für den Bereich der Kommissionierung haben wir mit Autostore etwas weiter ausgeholt.“ Seit Kurzem setzt das Unternehmen zusätzlich auch Palettenroboter ein. Je größer das Sortiment, desto länger die Laufwege. Es gab Abgreiflager, Auffülllager und Zwischenlager. Das alles gehört nun der Vergangenheit an. Das System umfasst 25 000 große Behälter. ­Dabei ermöglicht es den sofortigen Zugriff auf jeden einzelnen ­Behälter. Die Sortimentsbreite hat so keinerlei Einfluss mehr auf die Kommissioniergeschwindigkeit.
„Wir kommen mit fünf Mitarbeitern auf über 1 000 „Picks“ je Stunde – das sind eine Menge Pakete. Die freigewordenen Ressourcen nutzen wir für die Produktion und Individualisierung“, berichtet Müller. Er prüfe fortwährend weitere Möglichkeiten monotone oder schwere Arbeiten abzulösen, um die wenigen, verfügbaren Fachkräfte gezielter dort einsetzen zu können, wo sie gebraucht werden. Das A und O der Automatisierung sei die Software. Er habe nie Unsummen in große Softwareanwendungen gesteckt, stattdessen kleinere Softwareanwendungen gesucht, die so offen und flexibel sind, dass diese viele verschiedene Anwendungen abbilden können und so ideal mitwachsen.

Nutzung von Künstlicher Intelligenz

Bei der Kampmann GmbH & Co. KG in Lingen (kampmann.de) setzt man auf eigene Entwicklungen im Bereich Automatisierung. Hier beschäftigt man sich unter anderem intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI). „Neben der eigentlichen KI-Anwendung, die zu einer Verbesserung der Planzeiten in der Produktion führen soll, ist es unser erklärtes Ziel, mit einem innovativen Projekt eigene KI-Expertise aufzubauen“, so Martin Weßling, Managing Director Produktion. Für die Umsetzung des KI-Projektes wurden daher mit Franziska Lüttel und Daniel Knelangen zwei der über 1 000 Kampmann-Mitarbeiter betraut. Das notwendige Knowhow kommt unter anderem indirekt durch die Hochschule Osnabrück in das Projekt hinein, wo Franziska Lüttel derzeit berufsintegrierend im Studiengang „Technologieanalyse, -engineering und -management (M.Eng.)“ am Campus Lingen studiert. Bei Kampmann ist sie als Trainee im Bereich Anpassungskonstruktion und Automatisierung eingesetzt. Daniel Knelangen, Junior IT Solution Developer, hat vor zwei Jahren seinen Master in Elektrotechnik abgelegt.
Doch worum geht es bei dem Projekt des emsländischen Unternehmens genau? „Unser Auftrag ist es, die Planzeiten unserer Stanzmaschinen künftig mittels neuronaler Netze vorherzusagen. Bisher werden dafür von Kollegen die notwendigen Kennzahlen aus einer Konstruktionszeichnung manuell abgeleitet und in einer Planzeitformel als Parameter eingesetzt. Dieser Schritt kann künftig ­entfallen, indem die Daten durch ein sogenanntes Convolutional Neural Network (CNN) mittels Bildbearbeitung automatisiert aus Konstruktionsdateien ausgelesen und an ein zweites neuronales Netzwerk übergeben werden, das die Planzeitformel ersetzt“, ­erklären die Entwickler. Der Vorteil: Die Prozesskette der Datenorganisation wäre durchgängig automatisiert. „Die essenzielle Herausforderung besteht darin, ein neuronales Netz so aufzubauen, dass es die in der Konstruktion generierten Daten als Eingabe zum Training und zur Klassifikation verwenden kann“, so Lüttel und Knelangen. Für die Auswahl des passenden „CNN“ ließen sie vortrainierte Netze unterschiedliche Dateiformate auslesen und verglichen die Ergebnisse, die bisher durchweg positiv sind.
Infos: IHK, Andreas Meiners, meiners@osnabrueck.ihk.de
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