Berufliche Bildung sichert die Zukunft

von Dr. Maria Deuling, IHK
Sinkende Schulabgängerzahlen und ein verändertes Bildungsverhalten fordern das berufliche Ausbildungssystem in Deutschland heraus. In diesem Zusammenhang taucht regelmäßig der Begriff des „Akademisierungswahns“ auf. Dahinter steht die Annahme, dass nur mit einem Studienabschluss befriedigende Einkommens- und Karrierechancen zu erzielen sind. Zudem geht die aktuelle Prognose der Kultusministerkonferenz davon aus, dass bis zum Jahre 2029 die Anzahl der Schulabgänger weiter sinken wird. In Niedersachsen werden erst ab dem Jahr 2030 wieder geburtenstärkere Jahrgänge mit steigenden Schulabgängerzahlen erwartet. Diese Entwicklungen dürfen jedoch nicht zu Lasten der beruflichen Erstausbildung gehen.

„Lebensgefühl Ausbildung“

„Nach wie vor ist die duale Berufsausbildung aus Berufsschule und Arbeit ein Erfolgsmodell. Deshalb werden wir die Bewerbungsphase für das Ausbildungsjahr 2024 im gesamten IHK-Bezirk mit einer großflächigen Plakataktion im Rahmen der IHK-Ausbildungskampagne #könnenlernen begleiten“, erläutert Juliane Hünefeld-Linkermann, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Aus- und Weiterbildung. Die Kampagne soll ein positives Lebensgefühl in Verbindung mit Ausbildung vermitteln und junge Leute sowie deren Eltern für die duale Ausbildung begeistern. Auch Unternehmen können sich an der Aktion beteiligen und ein Plakat an ihrem Geschäftsgebäude anbringen. „Natürlich wollen wir auch neue Zielgruppen erschließen. Zum Beispiel versuchen wir Flüchtlinge aus der Ukraine für eine Berufsausbildung zu interessieren, indem wir ihnen die Karrierewege aufzeigen.“ (s. Seite 25).
Erfreulich ist, dass im Prüfungsjahr 2022/23 mehr als 4 200 junge Menschen im IHK-Bezirk eine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen haben und als neue Fachkräftegeneration zur Verfügung stehen. Genau 43 von ihnen haben den Abschluss sogar mit Bestnoten in ihren Ausbildungsberufen beendet und wurden kürzlich in Osnabrück gefeiert (s. Seite 22). „Unsere Berufsbesten haben mit überdurchschnittlicher Leistungsbereitschaft auf sich aufmerksam gemacht und sind für unsere Unternehmen ein echter Glücksfall,“ betonte IHK-Vizepräsident Axel Mauersberger in seiner Festrede bei der Ehrungsfeier und appellierte: „Geben Sie Ihre guten Erfahrungen weiter und gewinnen Sie andere für die betriebliche Ausbildung. Sie sind unsere IHK-Influencer für die duale Ausbildung“.
Influencer für die duale Ausbildung und fester Bestandteil für das IHK-Ausbildungsmarketing sind aktuell neun Auszubildende, die bei der IHK-Bundeskampagne jetzt #könnenlernen mitmachen. Mit ihren Posts auf Tik Tok oder Instagram lassen sie junge Menschen an ihrem Ausbildungsalltag teilnehmen. Mit Erfolg, denn die Beiträge werden tausendfach geklickt. Einer der neun Azubis ist übrigens aus der Region: Henk Hornschuh, der seine Ausbildung bei der basecom GmbH & Co. KG in Osnabrück absolviert.

Starke Ausbildungsbotschafter

Einer der Berufsbesten der Region ist MarvinNuxoll, der bei der B. Braun Avitum AG in Glandorf seine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer absolviert hat. Er wurde von einem Azubi aus seinem Ausbildungsbetrieb für die Ausbildung gewonnen. „Ich hatte schon immer ein sehr großes Interesse für Technik und mein jetziger Kollege hat mich in meinem Berufswunsch bestärkt und für die betriebliche Ausbildung begeistert“, sagt der 24-Jährige. Das Unternehmen für Medizintechnik setzt bei seinen Marketingmaßnahmen verstärkt auf eigene Azubis, die Schülern ihre Ausbildungsberufe vorstellen. Und genau hier greift auch das Angebot unserer IHK, das Auszubildende zu Ausbildungsbotschaftern qualifiziert. Sie berichten in Schuleinsätzen, auf Ausbildungsmessen und Social-Media-Kanälen über ihre eigenen Ausbildungserfahrungen und tragen zur Berufsorientierung von Schulabgängern bei. „Auch wir haben für diese Einsätze Auszubildende über die IHK zu Ausbildungsbotschaftern qualifiziert,“ bestätigt Josefa Wächter, Ausbilderin bei der B. Braun Avitum AG. Der Ausbildungsalltag bei B. Braun ist durch einen engen persönlichen Kontakt zu den Auszubildenden geprägt. Viel Wert wird dabei auf die Qualität in der Ausbildung gelegt, was sich regelmäßig in den ausbildungsbegleitenden Schulungen widerspiegelt.
„Und unser Engagement hat sich ausgezahlt“, betont Wächter. Zum einen hat unserer Auszubildender als Berufsbester abgeschnitten und zum anderen konnten wir ihn durch unser wertschätzendes Arbeitsklima im Unternehmen halten.“ In dem Glandorfer Betrieb werden den Mitarbeitern im persönlichen Gespräch berufliche Perspektiven aufgezeigt und sie werden bei Weiterbildungen unterstützt, um so die Bindung an das Unternehmen zu festigen. Das gilt auch für Nuxoll. Er möchte zunächst ein bis zwei Jahre Berufspraxis sammeln und dann die weiteren Schritte überlegen. Der Tipp von Nuxoll an künftige Azubis: „Macht Praktika, um zu sehen, ob Ihr Eure Interessen und Stärken auch einsetzen könnt“. Auch hier unterstützt unsere IHK Ausbildungsbetriebe bei der Vermittlung von Schulkooperationen.

Karriere mit Lehre? Funktioniert!

Dass die berufliche Weiterbildung für die Fachkräftesicherung heute von enormer Bedeutung ist, wurde auch bei der Urkundenübergabe an 340 Absolventen der IHK-Fortbildungsprüfungen und 113 Absolventen des berufsbegleitenden Betriebswirtschaftsstudiums der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA) deutlich. Die Würdigung dieser Gruppen fand im Anschluss an die Bestenehrung statt, um aufzuzeigen: Karriere mit Lehre? Funktioniert!
Die höheren Abschlüsse in der Berufsbildung und das berufsbegleitende VWA-Studium sind ein entscheidender Qualifizierungsweg, der Fachkräfte liefert. „Die praxisnahe und berufsbegleitende Weiterbildung gibt Unternehmen die Chance, Fach- und Führungskräfte aus der eigenen Belegschaft auf Top-Niveau zu entwickeln“, betont Anja Lange-Huber, IHK-Vollversammlungsmitglied, in der Laudatio der Absolventenfeier.
Betrieben gelingt es, mit diesen Fortbildungen motivierte und leistungsstarke Mitarbeiter zu binden, die mehr Verantwortung übernehmen können und wollen. Das gilt für die VWA-Betriebswirte ebenso wie für die IHK-Abschlüsse in der höheren Berufsbildung, vom Industriemeister und Fachwirt über den Bachelor in Bilanzbuchhaltung bis hin zum Betriebswirt. übernimmt. Fortgebildete Kaufleute verbinden vertieftes betriebswirtschaftliches Wissen mit Branchenkenntnissen, planen und koordinieren Arbeitsabläufe und führen Personal.
Diese Abschlüsse in der höheren Berufsbildung sind sowohl für karrierebewusste Mitarbeiter als auch für unternehmerische Strategien mehr als ein Geheimtipp gegen den Fachkräftemangel. Das weiß auch Jürgen Turkaljuk. Nach seiner Ausbildung zum Indus-triemechaniker wechselte er zur Herzog Maschinenfabrik GmbH & Co KG in Osnabrück und machte Karriere. Er wollte mehr Verantwortung übernehmen und absolvierte nebenberuflich den Indus-triemeister. „Während der Fortbildung haben mich meine Vorgesetzten fachlich unterstützt und ich konnte das Gelernte direkt in der Praxis anwenden. Heute bin ich Fertigungsleiter in der Produktion“, sagt Turkaljuk. Die Stärke der Höheren Berufsbildung liege in der engen Anbindung an die betriebliche Praxis. Sie passe sich den Herausforderungen an, die die wirtschaftliche Transformation mit sich bringe.
Bei der Nachfrage der IHK-Fortbildungsabschlüsse ist festzustellen, dass diese entlang der gesamten Wertschöpfungskette gefragt sind: von der Entwicklung, Beschaffung und Produktion über den Vertrieb bis hin zu den nachgelagerten Serviceleistungen. Das bestätigt auch Turkaljuk. Er hat noch die Fortbildung zum Technischen Betriebswirt angeschlossen, um sein Know-how im Personalwesen und der Betriebswirtschaft weiterzuentwickeln. Der Vorteil für den Betrieb: der 39-Jährige kann aktiv zur Entwicklung der strategischen Ziele des Unternehmens beitragen. „So habe ich die Möglichkeit, meinen Beitrag zum Erfolg und zur Zukunft des Unternehmens zu leisten“, sagt Jürgen Turkaljuk.
„Exzellenz durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis – das zeichnet beruflich Qualifizierte in besonderem Maße aus“, betont Anja Lange-Huber. Genau diese Exzellenz spiegele sich auch in den Abschlussbezeichnungen Bachelor Professional und Master Professional wider. Ihre Forderung als Mitglied der IHK-Vollversammlung lautet deshalb: „Diese beiden Abschlüsse müssen jetzt zügig weiter ausgerollt werden, um die Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Bildung zu unterstreichen.“ Dies sei ein weiterer Baustein, durch den die Berufliche Bildung an Wert und Wertschätzung gewinne – und somit Fachkräftepotenzial heben könne.
Dr.Maria Deuling
Aus- und Weiterbildung
Internes Qualitätsmanagement und Controlling