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"Afrika ist ein Kontinent voller unternehmerischer Chancen"
von Dr. Bianca Untied, IHK
Karsten Wulf war 1993 Mitgründer der buw Management Holding GmbH & Co. KG in Osnabrück, die 2016 an ein US-Unternehmen verkauft wurde. Seit knapp zehn Jahren geht der 54-Jährige neue Wege. Sein jüngstes Projekt: Mit der fair equity gGmbH verbindet er seit Ende 2024 Unternehmen aus der Region u. a. mit der Startup-Szene in Afrika, um lokale Arbeitsplätze zu schaffen und gemeinnützige Hilfsprojekte zu unterstützen. Lesen Sie, wie dies gelingt und welche Pläne es gibt.
Mit einem Startkapital von 2 Mio. Euro gründete Karsten Wulf gemeinsam mit den Unternehmern Bert Mutsaers (Bedford GmbH), Gunnar Sander (Sander Pflege GmbH) und Bernd Schmidt-Ankum (Leiber GmbH) die fair equity gGmbH. In Ghana, Kenia, Nigeria und Südafrika investiert das junge Unternehmen in afrikanische Startups und mittelständische Unternehmen der Gesundheits-, Agrar- und Lebensmittel- sowie Bildungswirtschaft.
_ Herr Wulf, was hat Sie motiviert, fair equity zu gründen?
Ich bin begeisterter Unternehmer und glaube an die Kraft von Unternehmertum, um gesellschaftlichen Wandel zu gestalten – nicht nur hier, sondern insbesondere in Afrika. Ich bin überzeugt, dass Afrika ein Kontinent der Zukunft ist, wenn wir dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen und Gründerinnen und Gründern die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um ihre Ideen zu skalieren. Die Kombination aus demografischem Wandel, unternehmerischer Energie und fehlendem Kapital hat mich überzeugt, neue Wege zu gehen und hier anzusetzen.
_ Wie konnten Sie die anderen Unternehmer für ein Engagement in Afrika gewinnen?
Viele Unternehmer suchen nach sinnstiftenden Wegen, ihr Kapital und Know-how einzusetzen. Es braucht keine Überzeugung, sondern eine gute Einladung: Wir bieten Wirkung mit Struktur – und den Zugang zu einer Community, die gestalten will, statt nur zu spenden. Die leidenschaftlichen Unternehmerinnen und Unternehmer aus Afrika mit ihren innovativen und sehr wachstumsstarken Geschäftsmodellen haben nicht nur mich, sondern auch meine Mitstreiter restlos begeistert. Neben Kapital bringen wir unsere langjährige unternehmerische Expertise mit ein. Also unternehmerisches Sparring auf Augenhöhe.
_ Wie funktioniert fair equity konkret? Haben Sie ein Beispiel für uns?
Wir investieren Spenden in afrikanische Startups und mittelständische Unternehmen, die unter anderem Jobs schaffen und eine große unternehmerische Vision haben. Zum Beispiel in ein wachsendes Unternehmen für Hautpflegeprodukte, eine regionale Bio-Schokoladenmanufaktur oder ein innovatives HealthTech Unternehmen, das eine Blutdatenbank in Ghana aufbaut. Alle aus diesen Beteiligungen resultierenden Erträge, also Dividendenzahlungen oder Exiterlöse, fließen in gemeinnützige Projekte – etwa in eine Lernwerkstatt vor Ort. Hiermit schaffen wir einen kontinuierlichen Kreislauf mit dauerhaften Auszahlungen für lokale gemeinnützige Projekte. Durch unser Modell wollen wir eine mehrfach höhere Wirkung pro gespendeten Euro im Vergleich zu traditionellen Hilfsorganisationen erzielen.
_ Wie wählen Sie die Unternehmen aus – und begleiten Sie sie vor Ort?
Wir arbeiten mit lokalen Partnern, die das Startup-Ökosystem besser verstehen als wir. Sie beraten uns, welche Geschäftsmodelle tragfähig sind – und welche nicht zum lokalen Kontext passen. Die Auswahl erfolgt nach klaren Impact- und Geschäftskriterien. Die Begleitung übernehmen unsere Partner vor Ort, ergänzt durch uns und das Mentoring von Unternehmern aus dem deutschsprachigen Raum, die ihr Know-how und Netzwerk einbringen möchten und sich uns anschließen.
_ Warum diese Länder und Branchen?
Ghana, Kenia, Nigeria und Südafrika zählen zu den dynamischsten Startup-Ökosystemen Afrikas. Anfangen werden wir aber erstmal mit Ghana und Kenia. Wir konzentrieren uns auf Ernährungssicherheit, Gesundheit und Bildung, weil wir dort den stärksten Hebel sehen – gesellschaftlich wie wirtschaftlich. Gerade in einer jungen, schnell wachsenden Bevölkerung.
Gesundheit und Bildung sind systemrelevant und werden vielerorts bereits rasant weiterentwickelt. In der Landwirtschaft sehen wir enormes wirtschaftliches Potenzial: 60 % der Menschen in Subsahara-Afrika arbeiten in der Landwirtschaft, die in manchen Ländern bis zu 25 % des Bruttoinlandproduktes ausmacht. Investitionen in AgriTech-Startups, die mit Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zusammenarbeiten, verbessern nicht nur Einkommen, sondern steigern auch Effizienz und Produktionsstärke ganzer Regionen.
_ Was ist das Besondere an Ihrem Finanzierungsmodell?
Wir kombinieren Spendenlogik mit unternehmerischem Denken: Das Kapital wird investiert, nicht verschenkt – und Exiterlöse fließen zurück in neue Startups oder soziale Projekte. So bleibt die Wirkung im Kreislauf und wächst mit jeder Beteiligung. Wir sind eine der ersten gemeinnützigen Organisationen in Deutschland, die Spenden in Beteiligungskapital umwandelt – und hoffentlich nicht die Letzte. Afrika braucht dringend mehr Kapital für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. Es ist der jüngste und am schnellsten wachsende Kontinent der Welt. Das erfordert Respekt – aber auch Mut, diese Chance zu nutzen.
_ Welche Erfolgsfaktoren aus der Region Osnabrück sind übertragbar?
Mittelstand bedeutet Verantwortung, Weitblick und langfristige Beziehungen – das gilt in Afrika genauso wie in Osnabrück. Wer zuhört, Vertrauen aufbaut und partnerschaftlich handelt, kann viel bewegen – egal ob in Osnabrück, Accra oder Lagos.
_ Was geben Sie anderen Unternehmen oder Institutionen mit?
Afrika ist kein Krisenkontinent – sondern ein Kontinent voller unternehmerischer Chancen. Wer dort investiert, braucht Offenheit, Geduld und echte Partnerschaft. Viele Märkte sind noch kaum erschlossen, andere entstehen erst – zum Beispiel im Bereich Recycling. Wenn diese Wertstoffe vor Ort weiterverarbeitet werden, entstehen neue Wirtschaftskreisläufe. Was dort unternehmerisch geschaffen wird, stiftet echte Wertschöpfung – und mir persönlich gibt es große Genugtuung, solche Gründerinnen und Gründer zu unterstützen.
_ Wie soll sich fair equity entwickeln – und woran messen Sie Erfolg?
Bis 2029 wollen wir 10 Mio. Euro als Spenden investieren, mehr als 10 000 Jobs ermöglichen und 50 Mio. Euro an Einkommen generieren. Erfolg heißt für uns: Menschen in Arbeit bringen, Unternehmen beim Wachsen begleiten – und gemeinsam eine faire wirtschaftliche Zukunft möglich machen. Die Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze beispielsweise messen wir regelmäßig gemeinsam mit unseren Portfoliounternehmen in Afrika. Für eine höchstmögliche Transparenz werden alle Entwicklungen auf unserer Homepage veröffentlicht. Ein Bonus wäre, wenn andere uns folgen und wir es schaffen, neuen Narrativen über den Kontinent mehr Raum und Deutung zu verschaffen. Allein schaffen wir das nicht.
Kontakt
Dr. Bianca Untied
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiterin International