Fachkräfteeinwanderung: Nutzen Sie die Chance!

Der demografische Wandel hat einen Namen: Babyboomer. Die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1969 treten nach und nach in den Ruhestand – mit spürbaren Folgen auch für die Wirtschaft in der Region Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim. Regionale Nachwuchsförderung wird nicht ausreichen, um die entstehende Fachkräftelücke zu schließen. Gebraucht wird eine gezielte Fachkräftezuwanderung aus „Drittstaaten“.

Das Fachkräftepotenzial viel konsequenter ausschöpfen

„Unsere Region steht vor einem zunehmenden Fachkräftemangel, vor allem im verarbeitenden Gewerbe, aber auch im Handel und in Branchen wie dem Tourismus und der Gesundheits- und Sozialwirtschaft“, sagt Frank Hesse, IHK-Geschäftsbereichsleiter Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International. Die Ursache dafür sei vor allem der demografische Wandel, der sich noch weiter verschärfen werde. Allein in der IHK-Region würden dem Arbeitsmarkt demografisch bedingt in den kommenden fünf Jahren knapp 20 000 Menschen durch Renteneintritte und fehlenden Nachwuchs verloren gehen. „Das sind jedes Jahr 4000 Menschen. Wir müssen deshalb die Potenziale von Fachkräften aus den Staaten, die nicht Mitglied in der EU sind, noch viel konsequenter ausschöpfen“, fordert Frank Hesse. Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Jahr 2019 ist das möglich – es können sowohl Fachkräfte mit Berufsausbildung als auch Hochschulabsolventen und Auszubildende angeworben werden. Doch die Praxis birgt Tücken.

Neue Zentralstelle in Osnabrück

Die Einwanderung internationaler Fachkräfte ist aktuell mit vielen Hürden verbunden. Eine Fachkraft aus einem Land außerhalb der Europäischen Union benötigt in der Regel weit mehr als nur einen Arbeitsvertrag: Arbeitserlaubnis, Anerkennung der Berufsqualifikation, Sprachzertifikat, Mindestverdienstbescheinigung und ein Visum – all das ist erforderlich. Zudem sind in das Antragsverfahren verschiedenste Akteure involviert: kommunale Ausländerbehörden, die IHK FOSA (Foreign Skills Approval) als bundesweites Kompetenzzentrum von 77regionalen IHKs für die Berufsanerkennung, die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Agentur für Arbeit, Sprachschulen und die deutschen Auslandsvertretungen. „Allein die Komplexität der Verfahren ist ein Grund, warum viele Unternehmen zögern“, sagt Sophia Pinsker, die für unsere IHK zur Berufsanerkennung berät: „Aber mit dem richtigen Support lassen sich die Prozesse gut managen.“

Verfahren müssen beschleunigt werden

Darüber, dass die Fachkräfteverfahren viel zu lange dauern, sind sich die meisten Antragsteller und Bearbeiter einig. Abhilfe soll nach dem Willen des Landeskabinetts das „beschleunigte Fachkräfteverfahren“ schaffen. Zum 1. Januar 2026 nimmt in Osnabrück die Zentralstelle für das beschleunigte Fachkräfteverfahren ihre Arbeit auf. Sie übernimmt die Kompetenzen der Ausländerbehörden für das beschleunigte Fachkräfteverfahren niedersachsenweit. „Das ist ein wichtiger Schritt zur Entlastung der Unternehmen. Wir erwarten zügigere Verfahren und einen neuen Schub für die gezielte Anwerbung internationaler Fachkräfte in unserer Region“, sagt Juliane Hünefeld-Linkermann, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Aus- und Weiterbildung. Gleichzeitig dürfe die Integration bereits zugewanderter Menschen – insbesondere Geflüchteter – nicht aus dem Blick geraten: „Wir sehen an vielen Beispielen in unserer Region, dass Integration gelingen kann, wenn Willkommensstrukturen aufgebaut sind.“

Neue Chancen durch die Anwerbung von Fachkräften

Neue Chancen durch die Anwerbung von Fachkräften: Ein Beispiel für eine Willkommenskultur gibt die Boll Logistik GmbH aus Meppen und Emsbüren. Das Unternehmen beschäftigte seit dem 1. Juli 2022 den Kurierfahrer Gregorio Lezcano aus Paraguay. Um ihm den Erwerb des LkW-Führerscheins zu ermöglichen, konzentriert er sich inzwischen auf die Teilnahme an Sprachkursen und arbeitet im Warenumschlag. Seine Familie zog nach und das Unternehmen half gemeinsam mit dem Wirtschaftsverband Emsland e.V. beim Ankommen und organisierte u.a. Termine bei der Krankenkasse und der Bank. „Wir laden regelmäßig zur Dialogveranstaltung ´Eat & Meet´ ein, bei der wir landestypische Speisen an unseren drei Standorten anbieten“, sagt Personalreferentin Julia Bachmann.
Das Event, initiiert von der Geschäftsleitung, solle den Austausch fördern und zur Integration beitragen. „Auch bei regelmäßigen Frühstücksrunden werden Spezialitäten für das Team vorbereitet, etwa Chipas aus Paraguay oder Fatteh aus Syrien“, berichtet Julia Bachmann und betont: „Es ist ein neues Wir-Gefühl entstanden.“
Eine weitere Erfolgsgeschichte der Boll Logistik GmbH ist die von Hassan Natafaji, der im Jahr 2015 als Asylbewerber aus Syrien in das Emsland kam und sich vom Lagerhelfer zum Schichtführer entwickelte. „Seine Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft haben uns dazu bewegt, ihn bei der Bewerbung für die deutsche Staatsbürgerschaft zu unterstützen, die er im Jahr 2023 dann auch erhalten hat. Seither ist Hassan Natafaji ein festes Mitglied unseres Unternehmens und unterstützt uns nun selbst bei der Integration neuer ausländischer Mitarbeiter“, sagt Julia Bachmann.

Gelebte Willkommenskultur

Auch die Purplan GmbH in Wallenhorst setzt auf internationale Fachkräfte: Zwei Elektrofachkräfte aus Marokko konnten im Mai nach monatelanger Wartezeit, phasenweiser Unterstützung durch das Osnabrücker Startup 4EIGN Talents und der erfolgreichen Anerkennung ihrer Abschlüsse, ihre Tätigkeit aufnehmen.
„Hassan Bounaaje und Mohamed Azirar waren von Anfang an sehr selbstständig und haben mit ihrem Engagement unser Team belebt“, sagt die Prokuristin Hanna Sandmann. „Nach dem Einzug in eine von uns angemietete Wohnung und einem Deutschkurs sind beide mittlerweile schon auf ihren ersten Baustellen aktiv.“

Chancen durch den Einstieg über ein Freiwilliges Soziales Jahr

Einstieg über ein Freiwilliges Soziales Jahr: Im sozialen Bereich zeigt die Lebenshilfe Nordhorn gGmbH wie die Integration über ein Freiwilliges Soziales Jahr gelingen kann. „Maria Ramos Cavada kam 2022 als Freiwillige zur Lebenshilfe. Danach trat sie eine Anstellung als Betreuungskraft im Wohnbereich an und arbeitet bis heute bei uns. Die gelernte Krankenschwester aus Venezuela befindet sich aktuell im Anerkennungsverfahren bezüglich ihres Abschlusses“, sagt Geschäftsführer Thomas Kolde, und: „Sie hat viel frischen Wind in unsere Einrichtung gebracht.“ Gleiches, sagt Kolde – der im Ehrenamt IHK-Vizepräsident ist – gelte für frühere Freiwillige, die aus Simbabwe und Indonesien kamen und in der Pflege und als Koch tätig wurden.
Die neuen Fachkräfte bereicherten die Unternehmenskultur der Lebenshilfe mit neuen Perspektiven. „Für uns sind sie sehr wertvoll“, sagt Kolde.

Neue Chancen durch die Rekrutierung von Auszubildenden

Neue Chancen durch die Rekrutierung von Auszubildenden: Ein Meilenstein in der erfolgreichen Fachkräfteeinwanderung wurde in Osnabrück erreicht. Die Stadtwerke Osnabrück rekrutierten erstmals gezielt eine Auszubildende aus dem Iran.
Sie stellten zum September 2024 Shekoufeh Abouheidari für eine Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe ein, die in ihrer Heimat bereits als Schwimmtrainerin gearbeitet hatte. Um sich gut einzuarbeiten, zog die Iranerin eine Ausbildung aber einer Anerkennung ihrer bisherigen beruflichen Qualifikationen vor.
Nadine Wortmann, Leiterin Ausbildung, lobt die Eigeninitiative: „Shekoufeh Abouheidari kann ihre Kenntnisse in Osnabrück optimal ausweiten. Sie möchte das Leben hier verstehen und fordert dies auch sehr aktiv ein.“ Die Stadtwerke brachten ihre neue Auszubildende gemeinsam mit den anderen Auszubildenden in werkseigenen Wohnungen unter, um die Integration zu fördern. „Die Bädertechnik ist ein Bereich, der ihr besonders viel Freude bereitet. Der technische Hintergrund eines Schwimmbades ist ihr als Frau im Iran ja bisher leider verwehrt geblieben“, erläutert ihr Ausbilder Jannik Küpke.

Hilfe beim Onboarding neuer Fachkräfte

Das Welcome & Connect Center Osnabrück (WCC) und das Welcome und Servicecenter Wirtschaft Lingen, mit denen unsere IHK kooperiert, leisten praktische Unterstützung beim Onboarding. Dazu gehört neben Stadtführungen und Kennlernrunden auch die Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Organisation von Arztterminen und Behördengängen. „Egal, wie gut der Job ist – wenn du einsam bist, dann gehst du wieder. Darum steht bei uns das Connecten und Netzwerken im Fokus“, betont Marie-Theres Volk, WCC-Projektmanagerin.
Unsere IHK begleitet Unternehmen durch den Paragrafendschungel, um die Einwanderung ausländischer Fachkräfte zu ermöglichen. Die kostenfreie „Beratung Fachkräfteeinwanderung“ erläutert die verschiedenen Möglichkeiten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, bietet einen Erst-Check zur Reihenfolge und Vollständigkeit der einzureichenden Dokumente an und kommt auf Nachfrage in die Betriebe.
Dr.Maria Deuling
Aus- und Weiterbildung
Teamleiterin Weiterbildungsprüfungen, Sach- und Fachkundeprüfungen, Unterrichtungen I Projektleiterin Internes Qualitätsmanagement und Controlling