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„Demokratie braucht unabhängigen Journalismus“
von Dr. Beate Bößl, IHK
Im Vorjahr feierten die Grafschafter Nachrichten in Nordhorn das 150-jährige Bestehen. Diese Zeitspanne markiert nicht nur die Entwicklung von den Anfängen hin zum modernen Medienhaus. Sie steht auch für einen grundlegenden Wandel im Umgang mit Informationen. Wir haben mit Verleger und Geschäftsführer Jochen Anderweit über diesen Wandel und die Zukunft des Unternehmens gesprochen.
Im Interview: Verleger und Gesschäftsführer Jochen Anderweit
_ Angenommen, Informationen wären ein Stückgut. Wie, würden Sie sagen, hat Ihr Medienhaus es in eine Welt gerettet, die heute ganz anders ist als im Gründungsjahr 1874?
Als Tageszeitung liefern wir seit jeher eine Auswahl wichtiger Informationen, ordnen sie ein und kommentieren sie. Dieses Prinzip bildet die Basis unseres Geschäftsmodells – auch in der digitalen Welt. Es erfüllt zugleich unsere verfassungsmäßige Aufgabe als vierte Gewalt im Staat. Die kontinuierliche Ausbildung unserer rund 20 Lokal- und Sportredakteure sowie eine moderne IT-Infrastruktur gewährleisten diese Aufgabenerfüllung.
_ Würden Sie sich freuen, wenn wir den GN vor allem dazu gratulieren, dass Sie den unabhängigen (Lokal-) Journalismus bewahren und Zusammenhänge einordnen?
Natürlich und vielen Dank für die Glückwünsche! Wie gesagt: Für die Gesellschaft und den Erhalt der Demokratie ist es enorm wichtig, dass es unabhängigen Journalismus und Tageszeitungen wie die GN gibt. Als Medienhaus haben wir uns weiterentwickelt und immer wieder neu erfunden. Dazu zählt auch, unseren Geschäftskunden die neuesten digitalen Marketinglösungen anbieten zu können. Das ist sicherlich auch eine Gratulation wert.
Mit Jochen Anderweit als Verleger und Geschäftsführer steht ein Mitglied der Verlegerfamilien an der Unternehmensspitze.
_ Durch Kanäle wie z.B. LinkedIn kann heute jeder Einzelne seine eigene Pressestelle sein. Wie wirkt das auf Ihre Arbeit ein?
Dass heute jeder seine eigenen Texte und Informationen verbreiten kann, macht unsere Arbeit umso wichtiger. Angesichts der Flut an Nachrichten in sozialen Medien braucht es Profis, die Inhalte einordnen, recherchieren und auf ihre Richtigkeit überprüfen. Ohne Journalisten würden Fake News und Desinformation eine noch stärkere Verbreitung finden.
_ Gibt es etwas, das in diesem Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 für Ihr Haus besonders ist?
Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, unter denen wir Zeitungsverlage arbeiten, sind herausfordernder denn je. Die meisten Politiker, mit denen wir sprechen, erkennen den Wert einer freien Presse und betonen ihre Unterstützung – leider oft nur in Worten. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie aktiv dafür sorgt, die Vielfalt der Presselandschaft zu erhalten.
Gleichzeitig bekommen unsere Journalisten in diesem Wahlkampf verstärkt zu spüren, wie sehr Politiker mittlerweile versuchen, eigene Informationskanäle aufzubauen, den Nachrichtenfluss zu steuern und eine kritische Presse zu umgehen, sprich: potenzielle Wähler ungefiltert zu beeinflussen. Umso mehr sind unsere Redakteure gefordert. Ihre Aufgabe ist es, das Publikum neutral und ausgewogen zu informieren, Aussagen der Bundestagskandidaten zu überprüfen, Zusammenhänge zu erläutern und damit die Basis für eine freie, selbstbestimmte Wahlentscheidung zu legen.
_ Was sind die wichtigsten Faktoren, um sich als GN-Medienhaus zukunftssicher aufzustellen?
Unsere Mitarbeitenden! Wir setzen auf Talente, die den digitalen Wandel vorantreiben und innovative Lösungen entwickeln. Wir stecken mitten in einer tiefgreifenden Transformation und es liegt an uns, diese aktiv zu gestalten. Damit sich unsere Mitarbeitenden wohlfühlen, haben wir in den vergangenen Jahren gezielt investiert – von einer Betriebskita über eine neue Arbeitgebermarke bis hin zur Erweiterung attraktiver Benefits.
_ Stichwort Jubiläum: 150 Jahre Zeitungen aus dem Hause GN. Wie blicken Sie auf Ihr Jubiläumsjahr zurück?
2024 war ein außergewöhnliches Jahr für uns. Wir haben viel bewegt und zugleich erlebt, wie tief wir in der Region verwurzelt sind. Unsere Veranstaltungen und Aktionen haben Tausende Menschen erreicht und begeistert. Unser Jubiläums-Buch „Hinter den Schlagzeilen“, an dem ein Historiker, unsere Redaktion und die Medienproduktion zwei Jahre lang gearbeitet haben, ist nahezu ausverkauft.
_ Stichwort Zukunft: Wie schätzen Sie die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens ein?
Die Zukunft der Lokalzeitung liegt im Lokalen. Und genau hier liegt die Stärke unseres Medienhauses. Bis heute sind wir unabhängig und selbstständig. Zwar ist die Auflage der gedruckten Ausgabe rückläufig, zugleich wächst aber die Zahl der Digital-Abonnenten. In Summe erreichen die GN auf ihren Kanälen mehr Leser als je zuvor und so können wir sicher sein: Ja, Zeitungen haben Zukunft, wenn auch nicht allein auf bedrucktem Papier. Neue, digitale Kanäle müssen in immer schnellerem Rhythmus erschlossen werden. Aber den Wandel zu gestalten und für uns zu nutzen, das sind wir seit nunmehr 150 Jahren gewohnt.
Gründervater der GN: 1874 gründete Heinrich Kip das „Zeitung und Anzeigeblatt“ in Neuenhaus, das den Grundstein für das heutige Medienhaus legte.
Die Geschichte der GN
1874 gründete Heinrich Kip das „Zeitung und Anzeigeblatt“ in Neuenhaus, das den Grundstein für das heutige Medienhaus legte. August Hellendoorn folgte 1879 mit der „Neue Bentheimer Zeitung“. Die Fusion am 1. November 1949 begründete die Grafschafter Nachrichten. Neben der gedruckten Zeitung verzeichnen die GN über 1,5 Mio. monatliche Sitzungen auf GN-Online.de sowie insgesamt 70 000 Follower auf Instagram und Facebook. Das Medienhaus setzt auf Print, Social Media, Podcasts, digitale Newsprodukte und moderne Werbelösungen; 160 Mitarbeitende sind dort in den unterschiedlichsten Bereichen tätig.
Gründervater der GN: August Hellendoorn gründete 1879 die „Neue Bentheimer Zeitung“.
Kontakt

Dr. Beate Bößl
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiterin Öffentlichkeitsarbeit