Gemeinsam geht es besser

von Dr. Maria Deuling, IHK
Für Jugendliche mit einer Lernbehinderung stellen die Theorieanteile einer Berufsausbildung oft eine kaum unüberwindbare Hürde dar. Das Gute: Es besteht die Möglichkeit, zum Fachpraktiker ausgebildet zu werden. Aktuell gibt es in Niedersachsen ein Pilotprojekt, diese Ausbildungen stärker in den Betrieben zu verankern. Unsere IHK unterstützt dies.
NEUENHAUS | Für die Ausbildung zum Fachpraktiker erlassen die Kammern Regelungen, die aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe entwickelt werden und die den Schwerpunkt auf praktische Fertigkeiten legen. Ausgebildet wird dann in der Regel in den Werkstätten und Bildungszentren sozialer Einrichtungen. Betriebe sind lediglich durch Praktika eingebunden.
Die Glüpker Blechtechnologie GmbH, ein Betrieb der Neuenhauser Unternehmensgruppe, bildet mit Milan Weißbrich jetzt erstmalig einen Fachpraktiker in der Metalltechnik aus. Der 23-Jährige hatte im Unternehmen bereits praktische Erfahrungen durch eine Werkstattarbeitsgruppe der Lebenshilfe sammeln können. „Durch diese Tätigkeit wurde das Interesse an einer Ausbildung in unserem Betrieb geweckt“, sagt Glüpker-Personalleiter Ingo Harmsen und bestätigt Milan Weißbrich. Das Ausbildungskonzept, für das sich das Grafschafter Unternehmen und Milan Weißbrich entschieden haben, ist die zweijährige Fachkraft für Metalltechnik. „Ich arbeite gerne mit Handwerkzeugen und finde computergesteuerte Maschinen interessant,“ betont der Auszubildende.
Teilnahme an Pilotprojekt  
Um zum 1. August starten zu können, musste Milan Weißbrich bescheinigt werden, keine reguläre Ausbildung absolvieren zu können. Eine weitere Voraussetzung, damit ein Betrieb einen Fachpraktiker ausbilden darf, ist die personelle Begleitung durch einen Ausbilder mit einer rehabilitationspädagogischen Zusatzqualifikation (ReZA). In der Vergangenheit bedeutete diese vorgeschriebene Zusatzqualifikation in der Regel das Aus für die betriebliche Ausbildung. Mit dem Pilotprojet geht man jetzt aber einen anderen Weg, um Betriebe für diese Ausbildung zu gewinnen. Konkret heißt das: Wer kein Personal mit dem ReZA-Zertifikat hat, kann mit einer überbetrieblichen Bildungsstätte zusammenarbeiten, deren Personal über die ReZA verfügt. Diese Bildungsstätten unterstützen im Betrieb als externe Ausbildungsbegleiter. Der betriebliche Ausbilder muss nur noch eine von den Anforderungen und Umfang her – im Vergleich zur ReZA – gekürzte pädagogische Zusatzqualifikation mitbringen. „Einer unserer Ausbilder, der früher beim Christophorus-Werk in Lingen gearbeitet hat, bringt diese Zusatzqualifikation mit. Zusätzlich haben wir eine Kooperation mit dem Christophorus-Werk, so dass wir auch die anspruchsvollere rehabilitationspädagogische Begleitung sicherstellen können,“ erklärt Ingo Harmsen.
Für Milan Weißbrich ist die betriebliche Ausbildung aus mehreren Gründen wichtig. Er sagt: „Ich erwarte mir hierdurch eine bessere Qualifizierung und mehr Möglichkeiten, praktische Fähigkeiten in einem betrieblichen Umfeld zu erwerben. Und ich arbeite mit Kollegen mit Hemmnissen und ohne Hemmnisse zusammen, was mir die Integration in den Betrieb erleichtert.“ Zusätzlich erhofft er sich durch die Ausbildung, grundsätzlich die eigene Selbstständigkeit zu stärken – „zum Beispiel die Möglichkeit zum Umzug in eine eigene Wohnung, zu verbessern.“
Langfristiges Ziel des Modellprojekts ist die Erhöhung der Zahl der betrieblichen Ausbildungen für Menschen mit Behinderungen. Ein weiteres Unternehmen aus dem Emsland hat bereits sein Interesse bekundet. Fachpraktikerausbildungen sind in vielen Branchen und Berufsgruppen möglich.
Silvia Masuch
Aus- und Weiterbildung
Teamleiterin Ausbildungsberatung