„Weihnachten ist die wichtigste Zeit des Jahres“

von Anke Schweda, IHK
Mark Rauschen führt seit 2003 das Modehaus und ­Familienunternehmen Lengermann & Trieschmann GmbH & Co. KG in Osnabrücks Innenstadt. Im Jahr 2018 investierte er 35 Mio. Euro in sein neues Sporthaus mit der Hasewelle. Sein Ansporn: L&T soll Einkaufsdestination mit Strahlkraft für die Region und die „schönste ­Boutique der Welt“ sein.
_ Bald ist Weihnachten. Wie relevant ist die Weihnachtszeit für Ihr Unternehmen und für unsere Stadt?
Es ist die wichtigste Zeit des Jahres für Kunden, Stadtbesucher und auch für unser Unternehmen. Diese Geschenkezeit ist die umsatzstärkste Zeit und existenziell für den stationären Einzelhandel. Unsere weihnachtliche Tanne ist Symbol und positives Signal zugleich. Denn das Modehaus mit dem Tannenbaum, das kennt wirklich jeder – sogar ohne unsere Firmierung. Davon profitiert die ganze Stadt.
_ Auch ohne Ihre Weihnachtstanne ist L&T in Osnabrück eine Institution mit einer mehr als 100-jährigen Familientradition. Wie beschreiben Sie das Selbstverständnis Ihres Unternehmens?
Wir verstehen uns als Magnet für die gesamte Region, vor allem für das Emsland, auch für Ostwestfalen, Steinfurt und das Münsterland. Wir haben sehr früh entschieden, als Modehaus eine Einkaufsdestination zu sein. Dazu brauchen wir Sortimente mit Strahlkraft – also verkaufen wir auch das Besondere. Dabei orientieren wir uns an den großen Department Stores wie Lafayette in Paris, Harrods in London und kadewe in Berlin. Natürlich funktioniert das nicht von selbst. Damit verbunden sind immer wieder Investitionen und unternehmerische Risiken. Seit 2018 sind wir auch so etwas wie ein Urban Entertainmentcenter. Mit unserer Hasewelle, einer großen Wasserwelle zum Indoor Surfen und unserem City Gym, einem modernen Fitnesscenter mit großer Trainingsfläche und Kursangeboten, einem Höhenraum für entspanntes Höhentraining und einer Sauna zum Relaxen. So ist der Sport aktiv bei uns eingezogen und soll die Menschen begeistern. Diese Idee werden wir weiter entwickeln.
_ Das klingt nach sehr innovativen Ideen und neuen Akzenten. Was heißt das für Ihre Kunden und Ihre Mitarbeiter?
Ja, wir freuen uns sehr, unsere Kunden maßgeschneidert bei individuellen sportlichen Zielen zu unterstützen. Unsere Kunden sollen sich bei uns auf rund 25 000 m2 wohlfühlen, gerne bei uns sein und einen zugewandten, persönlichen und kompetenten Service in allen Stores und Boutiquen erfahren. Wir möchten auch Einkaufserlebnis sein. Dafür haben wir Bereiche geschaffen, wo sich Besucher wohl fühlen können: von der Tapas Bar bis zur Markthalle. Im Mittelpunkt unseres Erfolges stehen natürlich auch unsere 580 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Qualifikation und Sozialkompetenz sind uns besonders wichtig. Wer Freude am Umgang mit Menschen hat, darf sehr gerne Quereinsteiger sein. Wir bieten die Freiheit, sich zu entfalten. Verantwortung übernehmen zu wollen, ist bei uns ein Karrierebooster.
_ Ein gutes Einkaufserlebnis beginnt schon mit der Anreise. Wie wichtig ist Ihnen dabei die ­Erreichbarkeit?
Der Erfolg unserer Innenstadt hängt unmittelbar an ihrer guten Erreichbarkeit. Unsere Studien belegen, dass 80 Prozent unserer Kunden aus dem Umland mit bis zu 60 km Anfahrt kommen. Sie suchen das urbane Erlebnis. Bei der Anreise sind sie bereit, Abstriche zu machen, aber wir dürfen sie mit Staus und Baustellen nicht überstrapazieren. Es braucht auch ein ordentliches Parkleitsystem und für die städtischen Kunden einen guten ÖPNV. Das Erlebnis von Einkauf und Urbanität sollte so groß sein, dass der Kunde auch ein zweites und ein drittes Mal gerne zurückkehrt. Gerade unsere kaufkräftigen Kunden kommen mit dem PKW aus dem Umland: Es gibt eindeutig einen linearen Zusammenhang zwischen Jahreseinkaufsvolumen und Verkehrsmittel. Meine politische Botschaft ist daher: Für die Erreichbarkeit der Innenstadt braucht es eine Leichtigkeit und gefühlt gute Qualität – gerade für die letzten drei Kilometer.
_ Sie engagieren sich seit vielen Jahren für Ihre Branche. Sie sind Vizepräsident unserer IHK und führen seit zehn Jahren den Vorsitz unseres Handelsausschusses. Was bewegt Sie?
Wir brauchen attraktive Städte mit allem, was dazu gehört. Der Textileinzelhandel ist de facto die wichtigste Branche einer jeden Stadt. Das hat zuletzt die Krise von Galeria Karstadt Kaufhof gezeigt: Handelszentralitäten – also das Verhältnis von Umsatz und Kaufkraft – sind wichtig. Dafür braucht es ein ordentliches Ökosystem, Städte mit Kunst, Kultur, Gastronomie, Attraktivität und ordentlichen Fußgängerzonen. Genau dafür engagiere ich mich in der Region vielfältig. Handel ist immer eine Pionierbranche. Die Menschen gehen dahin, wo der Handel ist und der Handel geht dahin, wo die Menschen sind. Erreichbarkeit spielt dabei eine zentrale Rolle – auch überregional. 
_ Verändert sich damit auch der Städtebau?
Ja, unbedingt. Monofunktionale Strukturen haben sich nicht als attraktiv erwiesen – es braucht eine funktionelle Durchmischung, damit Innenstädte mit kurzen Wegen 24/7 belebt sind. Deswegen erleben wir aktuell einen funktionalen Umbau der Städte. Wir brauchen Innenstädte, die funktionieren.
_ Seit September sind Sie Präsident des BTE in Berlin – Was steht im Fokus?
Mein regionales Engagement setze ich natürlich auch in Berlin ein: Wir müssen ordentliche Marktplätze im Sinne von Innenstädten und gute Wettbewerbsbedingungen organisieren, wo wir buchstäblich handeln können und unternehmerische Freiheiten haben. Und: Die Branche will gute Produkte beim Kunden abliefern. Deswegen stehen die Themen Lieferkettensorgfaltsgesetz und Nachhaltigkeit für dieses Jahrzehnt besonders im Fokus.
_ In puncto Nachhaltigkeit sind Sie Pionier der Branche. Was hat Sie bewogen und was Ihr Ziel?
Ja, vor drei Jahren haben wir als erster Mittelständler der Branche einen sehr umfangreichen Bericht mit fast 100 Seiten erarbeitet. Wir haben auch das Ziel definiert, in 2025 treibhausgasneutral zu sein. Energieeinsparungen waren der erste Fokus, zusätzlich haben wir in LEDs, Photovoltaik und Klimaanlagen investiert. Nachhaltigkeit hat für mich zwei weitere Facetten: 1. Gute Ware für unsere Kunden und 2. Verantwortungsbewusstsein vor Ort für Mitarbeiter und Ressourcen, wie Abfall- und Energiemanagement. Daran arbeiten wir und sind auf einem guten Weg. In diesen Tagen erscheint unser nächster Bericht. Darauf bin ich sehr stolz.
_ Zu Weihnachten darf man sich etwas wünschen. Was wünschen Sie sich?
Unserer Branche würde mehr Vertrauen gut tun. Nach dem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ setzen wir uns für eine nachhaltige Entwicklung unserer Unternehmen ein. Wir tragen sehr viel ökonomische, soziale und ökologische Verantwortung für Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft. Es soll auch ein nachhaltiger Erfolg bleiben. Unser Unternehmen ist mehr als 100 Jahre alt – ich wünsche mir, dass es in einer vitalen Stadt Osnabrück noch 100 weitere Jahre werden. Das funktioniert nur gemeinsam und symbiotisch. Wichtig erscheint mir allerdings auch, dass wir erst Lösungen und Alternativen haben, bevor es zu Einschränkungen oder Verboten kommt. Es braucht erst einen guten ÖPNV, bevor Parkraum reduziert wird. Es braucht erst genügend erneuerbare Energien, bevor fossile Kraftwerke abgeschaltet werden. Und, noch einmal mit Blick speziell auf die Innenstädte: Es braucht auch weiterhin schöne Marktplätze mit Handel, Dienstleistungen und Gastronomie, damit auf Weihnachtsmärkten noch lange ein Gefühl von Weihnachten entsteht.
Anke Schweda
Standortentwicklung, Innovation und Energie
Geschäftsbereichsleiterin, Mitglied der Geschäftsführung