„Die Resilienz der Lieferketten wird nicht die alleinige Lösung sein“

von Hartmut Bein, IHK
Die Purplan GmbH in Wallenhorst plant und realisiert schlüsselfertige Anlagen für die Polyurethan- und Kunstharzproduktion. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 200 Mitarbeiter. Zu den Kunden zählen international tätige Konzerne ebenso wie Mittelständler aus der Chemie, Lebensmittelproduktion, Automobilindustrie und kunststoffverarbeitenden Industrie. Wir sprachen mit Hanna Sandmann darüber, was die Veränderungen in der globalen Weltwirtschaft für ihr Unternehmen bedeuten. Die Tochter des Firmengründers Andreas Sandmann leitet als Prokuristin die Projektabwicklung.
_ Frau Sandmann, die Pandemie und der Ukrainekrieg haben gezeigt, wie zerbrechlich die internationalen Lieferketten sind. Welche Auswirkungen hatten die Störungen in den Lieferketten auf Ihr Unternehmen?
Die Auswirkungen für die Purplan GmbH waren und sind vielfältiger Natur. Zu Beginn der Corona-Pandemie war für uns die erste Hürde, unsere Mitarbeitenden zunächst auf die Baustellen zu bekommen. Aufgrund der vielfältigen Corona-Richtlinien und den Hotelschließungen war das manchmal gar nicht so leicht. In einer „Nacht und Nebel“ Aktion haben wir z. B. einen Monteur-Trupp aus England zurückgeholt, weil England innerhalb einer Nacht zum Risikoland erklärt wurde. Das hätte für unsere Mitarbeiter eine 14-tägige Quarantäne bei der Rückkehr bedeutet und so mussten wir ab Freitagabend die Rückreise organisieren und sicherstellen. Noch viel größere Auswirkungen hatte jedoch nicht nur die Corona-Pandemie, sondern insbesondere der Ukraine-Krieg auf Purplan. Teilweise sind uns in Gänze Lieferketten weggebrochen, weil Unternehmen, auch große Konzerne, nicht mehr lieferfähig waren. Die Lieferzeiten von Elektrobauteilen haben sich kurzerhand von einigen Tagen und Wochen auf Monate, teilweise sogar Jahre verschoben.
_ Und wie haben – oder: konnten – Sie auf diese Störungen reagieren?
Wir haben von Tag zu Tag reagiert – jedenfalls bezogen auf die Corona-Pandemie. Wir haben eine Art Taskforce implementiert, die sich mit den aktuellen Regularien auseinandergesetzt und die Kontakte zu den Auslandshandelskammern (AHKs) gepflegt hat, damit wir immer auf dem aktuellsten Stand waren. Hinsichtlich der Lieferkettenproblematiken haben wir eine Übergangsstelle im Unternehmen geschaffen. Uns war schnell klar, dass wir unseren Kunden die Lieferverzögerungen unserer Lieferanten nicht erklären können und wir brauchten Alternativlösungen.
Zunächst hatte sich die Möglichkeit aufgetan, in den USA Produkte zu beziehen, anschließend haben wir einen Kollegen dafür gewinnen können, diverse Internetshops und kleinere Lieferanten nach Restbeständen abzusuchen. Wir haben dann eigentlich alle Standard-Komponenten eingekauft, die wir bekommen konnten, und unser Lager etwas aufgefüllt.
_ Viele Unternehmen stellen ihre Lieferketten auf den Prüfstand und denken über Verlagerungen nach. Welche Überlegungen gibt es bei Ihnen, um sich unabhängiger aufzustellen?
Wir streben immer wieder Überlegungen nach diversifizierten Lieferketten an und sind deswegen auf vielen Messen aktiv, damit wir neue Lieferanten kennenlernen. In vielen Fällen gibt es für uns aber keine Möglichkeit, uns unabhängiger aufzustellen, weil unsere Kunden einen Herstellerstamm haben. Dort sind dann zum Beispiel die Siemens Teile festgelegt.
_ Die Purplan GmbH hat auch einen Standort in Shanghai. Wie haben sich die wochenlangen Lockdowns in Ihrer Niederlassung dort ausgewirkt?
Für den Standort in Shanghai war die Corona- Pandemie mit den wochen- und monatelangen Lockdowns schwerwiegend. Wir hatten zu Beginn des Jahres 2020 ein zentral gelegenes Büro, mit eigener (kleiner) Fertigung und elf Mitarbeitern. Durch den Auftragseinbruch waren wir gezwungen, uns von acht Mitarbeitern zu trennen und mit dem Büro an den Stadtrand von Shanghai umzuziehen. Aktuell haben wir daher keine größeren Aufträge in der Niederlassung Shanghai mehr, sondern decken mit kleineren Planungsaufträgen die Kapazität der Mitarbeiter vor Ort ab. Es bleibt für uns abzuwarten, wie sich die Wirtschaft in China wieder erholen wird.
_ Benötigen die Unternehmen aus Ihrer Sicht Unterstützung, um Lieferketten resilienter zu gestalten? Und wie könnte diese Unterstützung aussehen?
Eine Resilienz in den Lieferketten wird nicht allein des Rätsels Lösung sein. In vielen Bereichen sind die Hersteller abhängig von Produzenten und Rohstoffen aus dem Ausland. Viel wichtiger für die deutschen Firmen, auch für Purplan, ist der Umgang mit dem Fachkräftemangel. Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt, dass wir in Zukunft unsere Aufträge zu einem großen Teil mit Fachkräften aus dem europäischen Ausland abwickeln müssen. Das Lohnniveau im Handwerk ist mittlerweile stark angestiegen, die Dokumentationspflichten und Vorgaben werden immer strikter, Stundensätze steigen. Unsere Kunden sind jedoch häufig nicht bereit, einen angemessen Stundensatz zu bezahlen, damit am Ende auch ein angemessener Lohn bei unseren MitarbeiterInnen ankommt.
Gerade mit der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes wird es hier ein Umdenken geben müssen. Genau in diesem Punkt brauchen die Unternehmen Unterstützung, um zum einen den großen Konzernen die Lohnstrukturen zu verdeutlichen und zum anderen Kontakte in die Nachbarländer aufzubauen, damit Unternehmen hier aktives Recruiting betreiben können.
_ Welche Rolle können dabei die IHK und die deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) spielen?
Die IHK und die AHKs verfügen über das gerade angesprochene Netzwerk. Zudem gibt es dort die Kontakte zu den Förderbanken, die dann ganz konkret in Familienunternehmen wie Purplan Hilfestellung leisten können, sowohl bei finanziellen als auch bürokratischen Hürden.
_ Nicht nur Lieferketten waren gestört, auch Auslandsreisen waren lange nicht möglich. Wie haben Sie den Kontakt zu Ihren Auslandsniederlassungen und ausländischen Kunden gehalten?
Wir haben den Kontakt über Telefon und Videotelefonie gehalten, teilweise waren für uns auch Auslandsreisen möglich. Aufgrund einer Sondergenehmigung konnten wir beispielsweise ab Ende 2020 wieder in unsere Niederlassung in den USA reisen. Den persönlichen Kontakt zu den ausländischen Kunden konnten wir aber erst im vergangenen Jahr wieder aufleben lassen, glücklicherweise war der Kontakt in der Zwischenzeit via Video für alle Beteiligten akzeptabel, da es mit der Pandemie auch globale Restriktionen gab.
_ Einmal abgesehen von den Problemen in der Lieferkette: Wie reagieren Sie auf den Fachkräftemangel und was machen Sie, damit Ihr Unternehmen für Auszubildende attraktiv ist?
Der Fachkräftemangel stellt uns vor große Herausforderungen, gerade im handwerklichen Bereich. Wir versuchen hier ständig „up to date“ zu sein und als Arbeitgeber damit attraktiv zu bleiben. Für unsere Auszubildenden ist uns wichtig, dass wir eine praxisbezogene Ausbildung ermöglichen und nach Möglichkeit auch schon Baustellenerfahrung bzw. Kundenkontakte gesammelt werden können. Hier haben wir u. a. für ein bis zwei Auszubildende jährlich die Chance geschaffen, für zwei bis vier Wochen in unsere Niederlassung in den USA hineinzuschnuppern.
_ Und wie ist die Fachkräftelage bei Ihren Auslandsstandorten?
Für unsere Auslandsstandorte ist es noch schwerer qualifizierte Fachkräfte zu finden als für uns. Hier stehen wir nicht nur in direkter Konkurrenz zu großen Konzernen, sondern haben etwa in den USA das Problem, dass wir aufgrund der Größe keine Krankenversicherungs- und Rentenpläne anbieten können. Wir versuchen dann mit der europäischen Art an unsere Makel zu gehen und bieten wiederum 30 Tage bezahlten Urlaub in den USA an.
Hartmut Bein
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiter International und Teamleiter IHK-Service-Center