„Eine aktive Kommunikation wird immer wichtiger“

Fragen von Juliane Hünefeld-Linkermann, IHK
Bodenkeramik der Argelith Bodenkeramik H. Bitter GmbH ist weltweit gefragt. Am Standort Bad Essen beschäftigt der Produzent von Industriefliesen 143 Mitarbeiter. Wir sprachen mit Eva Bitter über die Herausforderung, Fachkräfte und Arbeitskräfte zu gewinnen. Die gelernte Industriekauffrau hat mittlerweile die Leitung des Familienunternehmens von ihrem Vater Heinrich Bitter übernommen.
_ In vielen Branchen Deutschlands ist der Fachkräftemangel stark zu spüren. Welche Erfahrungen machen Sie? Wie wirken Sie dem entgegen?
Natürlich bekommt ein Unternehmen wie Argelith diese Entwicklung auch zu spüren. Es ist für uns eine Herausforderung, geeignete Fachkräfte für offene Stellen zu finden, und wir merken, dass oftmals die Bindung von jüngeren bzw. neu dazugewonnenen Mitarbeitern nicht mehr so ausgeprägt ist, wie das in der Vergangenheit überwiegend der Fall war. Arbeitgeber differenzieren sich heutzutage nicht mehr über Arbeitszeiten oder über den Obstkorb, der in der Kantine aufgestellt wird. Arbeitgeber differenzieren sich über die Werte, die ihnen wichtig sind.
Genau hier liegt unsere Chance: Mir persönlich ist sehr daran gelegen, unsere Mannschaft zu motivieren, und das gelingt am besten über eine gesunde Unternehmenskultur. Diese sollte dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter gut und präzise informiert sind, dass alle einbezogen werden und so viel Transparenz wie möglich herrscht. Wenn wir diese Werte leben, statt sie nur irgendwo aufgeschrieben zu haben, dann macht uns das attraktiv und dann ist das unsere Antwort auf den Fachkräftemangel.
_ Wie engagiert sich Ihr Unternehmen, um als Ausbildungsbetrieb attraktiv zu sein?
Zunächst einmal legen wir viel Wert auf eine inhaltlich gute und fundierte Ausbildung. Wir versuchen, möglichst viel Praxisbezug in der Ausbildung zu bieten, und ich erlebe, dass unsere Ausbilder mit viel Erfahrung und Herzblut genau das vermitteln. Das kommt auch bei unseren Nachwuchskräften an: Unsere jungen Mitarbeiter können somit früh Verantwortung übernehmen und werden voll in unseren betrieblichen Alltag einbezogen.
Natürlich entwickeln wir unser Ausbildungsangebot weiter – so bilden wir neben unseren bisherigen Ausbildungsberufen Industriekaufmann/-frau, Elektroniker(in) für Betriebstechnik, Industriemechaniker(in), Maschinen- und Anlagenführer(in) und Industriekeramiker(in) seit diesem Jahr auch zum Kaufmann/-frau für Marketingkommunikation aus, weil wir wissen, dass aktive Kommunikation in unserem Geschäft immer wichtiger wird. Mit diesem Angebot versuchen wir regional und überregional wahrnehmbar zu sein – auf Ausbildungsmessen, in den Schulen, aber auch in den sozialen Medien.
_ Die Digitalisierung durchdringt immer mehr unseren Alltag und die betrieblichen Prozesse. Wie spiegelt sich das bei Ihnen im Unternehmen wider?
Darauf gibt es eine einfache Antwort: Das spiegelt sich an jedem Arbeitsplatz wider. Unsere Anlagen im Betrieb sind voll automatisiert – unsere gesamte Produktion ist ohne digitale Prozesse nicht denkbar. Und das gilt für den kaufmännischen Bereich genauso, da sind auch fast alle Prozesse digital. Moderne Technologien sind für uns Werkzeug: Je schneller und präziser wir Informationen verfügbar haben, je besser wir planen können, umso erfolgreicher sind wir.
__ Viele junge Menschen entscheiden sich nach der Schule eher für ein Studium. Wie kann die duale Ausbildung attraktiver werden – Stichwort moderne Inhalte?
Unser Unternehmen ist ein gutes Beispiel dafür, dass die klassische Trennung zwischen Ausbildungsberufen und akademischer Berufsbildung heute nicht mehr sinnvoll ist. Die Trennung zwischen gewerblichen Tätigkeiten, für die man eine Ausbildung braucht, und „gehobeneren“ Tätigkeiten, die man nur mit einem Studium erfolgreich ausüben kann, ist aus meiner Sicht überholt. Nehmen Sie eine unserer klassischen Positionen: Die Ausbildung zum Industriekeramiker ist ohne tiefere Kenntnisse von Betriebsorganisation, IT und rechtlichen Rahmenbedingungen kaum sinnvoll – da gehen eher akademische Inhalte mit klassischen gewerblichen Ausbildungsinhalten Hand in Hand. Hier zeigt sich im betrieblichen Alltag die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.
Ich glaube, dass gerade in größeren mittelständischen Betrieben wie unserem die Kombination der klassischen praktischen Berufsausbildung mit akademischen Inhalten nicht nur notwendig, sondern auch für die Studierenden äußerst attraktiv ist – und wir als Betrieb sorgen dafür, dass hoch qualifizierter Nachwuchs unseren Erfolg von morgen gestaltet. Ich denke, dass dieser Trend sich fortsetzen wird, und auch wir werden in Zukunft noch verstärkter duale und flexible Ausbildungsmöglichkeiten anbieten.
_ … und wie sind die Chancen auf eine Karriere – ohne ein Studium?
Das kommt darauf an, was man unter einer Karriere versteht und worin man sie machen will. Natürlich gibt es Berufszweige, bei denen ein Studium unerlässlich ist, aber generell bin ich der Meinung, dass nicht ein Studium die Grundvoraussetzung für eine Karriere darstellt, sondern die innere Einstellung. Gute Fachkräfte können heute viel leichter eine erfolgreiche Entwicklungsrichtung im Unternehmen einschlagen, denn das Unternehmen hat ein großes Interesse daran, deren Kompetenzen möglichst gut zu nutzen.
_ Sie sind Springreiterin und haben sechs deutsche Meistertitel gewonnen – was haben der Pferdesport und eine Ausbildung gemeinsam?
Die wichtigste Gemeinsamkeit ist wohl, dass man nie aufhört zu lernen. Im Pferdesport befindet man sich in einer ständigen Ausbildung. Egal, ob als Anfänger oder im weit fortgeschrittenen Stadium. Man kann immer dazulernen, wenn man offen dafür ist – und wenn nicht, wird man nie ein gehobenes Level erreichen. Durchhaltevermögen, gesunder Ehrgeiz und eine zuversichtliche Grundhaltung gehören dazu. Und als Reiter muss ich mich grundlegend für das Tier, die Kreatur Pferd, interessieren, sonst wird es schwierig.
Das ist in einer Ausbildung genauso: Wer sich für seinen Job, das Unternehmen im Allgemeinen und seine persönliche Aufgabe interessiert, wer lernen will und leistungsbereit ist, der hat den Schlüssel zu lebenslangem Erfolg – egal, ob mit Ausbildung, mit Studium oder mit beidem. Auf dem Pferd oder im Geschäft.
Juliane Hünefeld-Linkermann
Aus- und Weiterbildung
Geschäftsbereichsleiterin, Mitglied der Geschäftsführung